VwGH: Wer sind die beiden Neuen an der Spitze des Höchstgerichts?

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) - eines der drei Höchstgerichte in Österreich - hat eine neue Spitze: Heute, Donnerstag, wurden Albert Posch und Bettina Maurer-Kober von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg angelobt.
"Der Verwaltungsgerichtshof garantiert Rechtssicherheit für Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit der Verwaltung - und bildet damit eine zentrale Säule unseres Rechtsstaates", sagte Van der Bellen.
Maurer-Kober wird ihren Posten als Vizepräsidentin mit 1. Juli antreten, sie folgt Anna Sporrer nach, die im März SPÖ-Justizministerin wurde.
Posch tritt die Nachfolge von Rudolf Thienel erst am 1. September an, wenn dieser in Pension gegangen ist.
Wer sind also die beiden "Neuen"?
Berater von drei Vizekanzlern
Posch ist für Polit-Beobachter kein Unbekannter: Seit 2005 ist der gebürtige Steirer (*1978 in Vorau) im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts tätig, seit 2020 leitet er die Sektion.

Dazwischen war er verfassungsrechtlicher Berater: Erst bei Michael Spindelegger im Außenministerium und im Finanzministerium, dann bei Reinhold Mitterlehner im Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium - beide auch Vizekanzler, beide ÖVP. Ein paar Monate lang war Posch im Jahr 2017 Leiter des Büros des damaligen Vizekanzlers und Justizministers Wolfgang Brandstetter.
Seine spätere Tätigkeit als Kabinettschef von ÖVP-Kanzleramtsminister Gernot Blümel endete 2019 jäh mit dem Platzen der Ibiza-Affäre, danach machte ihn Kanzler Brigitte Bierlein schon zum provisorischen Leiter der Sektion V Verfassungsdienst.
Seine Schwerpunkte, zu denen er auch als Vortragender und Verfasser einschlägiger Fachpublikationen in Erscheinung tritt, sind Fragen zum Verhältnis zwischen Unionsrecht und österreichischem Recht sowie zum Informationsfreiheitsrecht.
Posch ist nicht klassisch in der ÖVP sozialisiert. Er war nie in der jungen ÖVP oder als Bezirksrat tätig, hat so gesehen die "Ochsentour" nicht absolviert. Zur Partei gekommen ist er über den EU-Abgeordneten Reinhard Rack, zeitlebens eher ein Outlaw in der ÖVP.
Zu einer Zeit, in der das Europaparlament noch etwas für Aficionados und Spezialisten war, jobbte Posch für Rack in Brüssel. Geblieben ist ihm das Internationale - das sei auch bisher eine seiner Leidenschaften, erzählen Wegbegleiter. So hat Posch 2009 mit einem Fulbright-Stipendium in New York studiert und kennt aus dieser Zeit die spätere Justizministerin Alma Zadic, die ein Jahr nach ihm an der Columbia University studierte. In New York hat Posch übrigens auch seine Ehefrau kennengelernt.
Zwischen den Fronten
Ein Fan der klassischen Parteipolitik ist der Steirer nicht. Er gilt als Pragmatiker und hat stets Wert darauf gelegt, als Beamter und Jurist wahrgenommen zu werden - auch in der medialen Betrachtung. Vor allem dann, wenn der Verfassungsdienst in der türkis-grünen Koalition zwischen die Fronten geriet.
2024 beispielsweise tobte ein Streit um das EU-Renaturierungsgesetz. Die grüne Ministerin Leonore Gewessler hatte auf EU-Ebene dafür gestimmt, obwohl der Koalitionspartner ÖVP dezidiert dagegen war. Der Verfassungsdienst gab dann eine Stellungnahme ab, dass in solchen Fällen das Einvernehmen mit dem betroffenen ÖVP-Landwirtschaftsminister herzustellen sei.
Gewessler warf dem Verfassungsdienst daraufhin vor, dass er "nicht unabhängig" arbeite und bei deren Rechtsinterpretationen oft das herauskomme, "was der ÖVP passt". Eine Aussage, die Posch hinter den Kulissen irrsinnig geärgert haben soll.
Posch gilt als karrierebewusst, ihm wird ein feines Gespür für Macht und Kompetenz nachgesagt.
Als Präsident des Verwaltungsgerichtshofes ist er übrigens bald auf Augenhöhe mit seinem alten Doktorvater: Posch schrieb seine Dissertation an der Uni Graz damals bei Christoph Grabenwarter, heute Präsident des Verfassungsgerichtshofes.
Internationale Ausrichtung
Öffentlich ein eher unbeschriebenes Blatt ist die neue Vizepräsidentin Bettina Maurer-Kober - mit dem künftigen Präsidenten Posch hat sie aber etwas gemeinsam: Maurer-Kober (*1969) stammt ebenfalls aus der Steiermark und orientierte sich in ihrer juristischen Laufbahn auch eher international bzw. europäisch.

So studierte sie Rechtswissenschaften in Graz und Brügge, Belgien, sowie Dolmetsch in Graz und Wien und arbeitete später als Referentin in der Koordination europäischer Angelegenheiten im Sozialministerium und im Bundeskanzleramt.
Was die Tätigkeit im Verwaltungsgerichtshof betrifft, hat sie einen klaren Vorsprung: Posch war nie Richter, während Maurer-Kober schon seit 2010 im VwGH tätig ist. Sie judizierte dort vor allem im Asyl- und Fremdenrecht und im Arbeitnehmerschutz.
Ihren neuen Job tritt Maurer-Kober mit 1. Juli an. Posch folgt erst am 1. September.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ist neben dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) und dem Obersten Gerichtshof (OGH) einer der drei Höchstgerichte in Österreich.
Er prüft die Gesetzmäßigkeit der österreichischen Verwaltung. Sehr vereinfacht könnte man sagen: Der VwGH kontrolliert den Staat.
So ist der VwGH die letzte Instanz bei Beschwerden gegen behördliche Bescheide und seit 2014 auch gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte.
Die Entscheidungen fallen in Senaten, die in der Regel aus fünf Richter bestehen - je nach Fall gibt es aber auch Dreiersenate oder verstärkte Senate mit neun Mitgliedern. Insgesamt sind am VwGH 66 Richter beschäftigt, hinzu kommen noch 45 wissenschaftliche Mitarbeiter.
Pro Jahr werden im Schnitt 7.000 Verfahren erledigt, die durchschnittliche Dauer betrug im Vorjahr fünfeinhalb Monate.
"Werte der Parteien im Gerichtshof vertreten"
Es ist kein Geheimnis, dass die Führung des VwGH parteipolitisch besetzt wurden: Die Koalition hat in ihrem Arbeitsprogramm auch transparent gemacht, dass die ÖVP das Vorschlagsrecht für den Präsidenten bekommt und die SPÖ die Vizepräsidentin aussuchen darf. Auch beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) gibt es klare Abmachungen, zuletzt durften auch die Neos einen Höchstrichter aussuchen.
SPÖ-Justizministerin und Ex-VwGH-Präsidentin Anna Sporrer verteidigte diesen Umstand in einem Ö1-Interview so: Beide Höchstgerichte seien die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, beide hätten einen "starken Konnex zur öffentlichen Verwaltung und eben auch zur Verfassung". Deshalb sei eine demokratische Anbindung ein wichtiger Punkt, so Sporrer. Es ist sozusagen legitim, dass gewählte Parteien ein Mitspracherecht haben. Oder, wie Sporrer es ausdrückte: Es gehe darum, dass die Werte der Parteien im Gerichtshof vertreten seien.
"Nicht richtig" wäre es aus ihrer Sicht, es nur einem Richtergremium zu überlassen, wer hier Richter oder Richterin am Verfassungs- oder am Verwaltungsgerichtshof wird. Diese Forderung kam zuletzt von den Grünen sowie von Transparency International. TI-Austria-Vorstandsvorsitzende Bettina Knötzl forderte gegenüber Ö1 eine "Objektivierung, wie man wirklich zu den besten Köpfen kommt“.
Und auch die Vereinigung der Verwaltungsrichter kritisierte das Auswahlprozedere: Deren Präsident Markus Thoma sagte im Ö1: "Im Sinne eines gewaltenteilenden Rechtsstaates wäre es wünschenswert, wenn die Gerichtsbarkeit von Einflüssen aus der Politik, aus der politischen Exekutive ferngehalten wird."
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