Lebensgefährte als "Grundbedürfnis"
In einem Fragenkatalog auf der Website des Gesundheitsministeriums ist zu lesen, dass „Kontakt mit nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Lebenspartnern“ unter die „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“ fällt. Wobei eine Definition für „Lebenspartner“ fehlt – das bietet wohl Spielraum für Interpretationen.
Unter dieses Grundbedürfnis dürften Elternbesuche nach 20 Uhr nicht fallen, und wohl auch nicht unter „Ausübung familiärer Rechte“, wenn man als Kind schon volljährig ist, sagt Verfassungsjurist Heinz Mayer. Wenn die Eltern allerdings Hilfe brauchen, könnte der Besuch doch noch unter Ausnahme Nummer 2 fallen.
Darin ist nämlich auch von der „Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen“ die Rede.
Das könnte übrigens auch auf die beste Freundin zutreffen, zu der man nächtens fährt, um sie zu trösten. Denn, so erklärt Mayer: „Wenn eine Person depressiv verstimmt ist, kann persönlicher Zuspruch durchaus geboten sein.“
Fragt sich: Muss man bei einer Polizeikontrolle wirklich den Beziehungsstatus darlegen oder schildern, wie traurig die beste Freundin ist?
Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk plädiert dafür, dass die Exekutive die Ausnahmen „im Sinne der Grundrechte möglichst großzügig interpretiert“ – damit Betroffene eben nicht gezwungen sind, derart Privates auszubreiten. Vorausgesetzt natürlich, so betont er, dass die Ausnahmen nicht offensichtlich ausgenutzt werden.
Das Stichwort in der Verordnung lautet „glaubhaft“ machen – der Beamte muss bei der Kontrolle abwägen, ob ihm die Erklärung reicht.
Das gilt übrigens auch für Ausnahme Nummer 4: berufliche Zwecke. Man brauche nicht zwingend eine schriftliche Bestätigung vom Arbeitgeber, wenn man nach 20 Uhr noch draußen ist – so steht es zumindest nicht in der Verordnung. Es sollte reichen, Beruf und Grund zu nennen, sind sich Funk und Mayer einig.
Betroffenen, die sich ungerecht behandelt fühlen, raten die Verfassungs- und Verwaltungsjuristen, Organstrafmandate abzulehnen und es auf eine Verwaltungsstrafe ankommen zu lassen. Diese kann man nämlich beim Verwaltungsgericht anfechten. Dort müsste man aber tatsächlich Beweise vorlegen – ein reines „Glaubhaftmachen“ reicht dann wohl nicht mehr.
Zweifel hat Funk zudem, was das Verbot von Garagen- oder Kellerpartys betrifft: Es könnte gesetzlich nicht gedeckt sein. Im Covid-19-Maßnahmengesetz ist der „private Wohnbereich“ explizit von allen Regelungen ausgenommen. Und dazu zählt laut Gesetzeserläuterungen nicht nur die Wohnung, sondern auch ein Keller, erklärt Funk – so sieht es auch die höchstgerichtliche Judikatur in Bezug auf Hausdurchsuchungen.
Anders in der Verordnung: Dort zählen Keller, Garagen und Schuppen nicht zum privaten Wohnbereich, weil diese nicht der „Stillung eines unmittelbaren Wohnbedürfnisses dienen“. Deshalb könnten sie von der Polizei kontrolliert werden.
Strafen nach Garagenpartys könnten laut Funk wieder ein Fall für den Verfassungsgerichtshof werden, der bis dato schon drei Corona-Verordnungen gekippt hat.
Bier im Keller
Das Verbot mutet noch in anderer Hinsicht kurios an: Wenn man laut Lockdown-Verordnung nach 20 Uhr den „eigenen privaten Wohnbereich“ nicht verlassen darf, dann dürfte man theoretisch auch nicht in die Garage oder in den Keller, um dort eingekühltes Bier zu holen.
Tröstlich ist: Im Zweifelsfall könnte vieles, das man zwischen 20 und 6 Uhr außerhalb der eigenen vier Wände tut, immer noch als Ausnahmegrund Nummer 5, „körperliche und seelische Erholung“, durchgehen, sagt Verfassungsjurist Funk.
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