WIFO-Chef Christoph Badelt meint, dass eine Arbeitszeitverkürzung nicht automatisch mehr Arbeitsplätze schafft. Das sei empirisch nicht belegbar, dafür brauche man nur nach Frankreich blicken. Haben Sie hier einen Denkfehler gemacht?
Mein freiwilliges, gefördertes 4-Tage-Modell ist das Ergebnis vieler Gespräche mit Unternehmern. Und die hatten alle eine Bitte, nämlich, dass es mittelfristig eine Weiterentwicklung des Kurzarbeitsmodells braucht. Das aktuelle Kurzarbeitsmodell ist ein Krisenmodell und nur für kurze Zeit anwendbar. Mein Ziel ist es, längerfristig Arbeitsplätze zu sichern. Eine Studie des WIFO zeigt, dass bei einer Verkürzung von 35 Stunden pro Woche ein Potenzial von 100.000 Arbeitsplätzen entsteht.
Kann man ein Arbeitszeitmodell über alle Branchen in der Krise stülpen? Was nützt dem Stadthotel eine Vier-Tage-Woche, wenn keine Touristen kommen. Da wird es eher Sozialpläne brauchen ...
Es wird nicht nur eine Maßnahme brauchen, sondern ein Bündel. Es braucht eine Steuerentlastung von rund 1.000 Euro im Jahr und eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, um die Kaufkraft zu stabilisieren. Es braucht auch hohe Investitionen in unsere Wirtschaft. Das freiwillige Modell der Vier-Tage-Woche soll zusätzlich Arbeitsplätze sichern und schaffen. Ich sage auch nicht, dass es für jede Branche anwendbar sein soll, sondern nur dort, wo es auch Sinn macht. Die Sozialpartner sollen entscheiden, wo die Arbeitszeitverkürzung um 20 Prozent sinnvoll ist. Die Unternehmen werden dabei mit einer Förderung des AMS unterstützt, das senkt ihre Lohnnebenkosten.
Eine Lehre aus Corona ist, dass die Abhängigkeit von globalen Lieferketten bei Schutzausrüstung und Medikamenten reduziert werden sollte. Konzepte dafür gibt es noch wenige. Wie kann man eine Wende schaffen?
Diese Produktionen von Medikamenten und auch Schutzmasken müssen teilweise wieder nach Österreich oder nach Europa geholt werden. Hier geht es um kritische Produkte für die Versorgung der Bevölkerung. Sinnvoll sind staatliche Förderungen oder staatliche Betriebstätten, die zum Teil selbst Antibiotika produzieren. So war es ja früher auch. Aber gerade im Arzneimittelbereich sollte man es im Rahmen der europäischen Arzneimittelzulassung zu einer Voraussetzung machen, dass ein gewisser Anteil der Produktion in Europa angesiedelt werden muss.
Sie haben die Maskenpflicht im Supermarkt gefordert. Tatsache ist aber, dass kein einziger Corona-Cluster im Supermarkt seinen Anfang nahm. Ist der Supermarkt nicht der falsche Ort für die Maskenpflicht?
Nein, das sehe ich nicht so. Der Supermarkt ist ein Ort, wo alle hinmüssen, um sich mit Lebensmitteln zu versorgen – auch die Risikogruppen. Hier kann man oftmals nicht den Sicherheitsabstand einhalten und in geschlossenen Räumen ist das Risiko generell erhöht, sich zu infizieren. Täglich für 30 Minuten die Maske zu tragen, ist jedem zumutbar. Was es aber braucht, sind bundesweit einheitliche Regeln, wie man damit umgeht, wenn ein Cluster auftaucht. Da frage ich mich, warum passiert das erst in zwei Wochen und nicht bereits vor den Lockerungen vor drei Monaten?
Die große Befürchtung der Eltern ist, dass die Schulen im Herbst wieder auf Homeschooling umsteigen. Sind Sie für Schließungen?
Was alle Studien zeigen, ist, dass Kinder keine große Rolle bei der Virus-Übertragung spielen. Das sollte man auch berücksichtigen. Wir müssen danach trachten, im schulischen Bereich zur Normalität zurückzukommen. Volksschule und Unterstufen sollen offenbleiben. Die Bildungslücke, die wir durch Homeschooling produzieren, werden wir nur schwer wieder füllen können. Es ist auch wichtig, im Herbst keine Betreuungsprobleme zu schaffen. Viele Mütter und Väter haben ihren Urlaub schon aufgebraucht.
Die SPÖ fordert eine Generalamnestie für die verhängten Corona-Strafen. Was bedeutet das für jene, die die Quarantäne gebrochen haben?
Die Quarantäne ist natürlich einzuhalten, hier geht es um die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit. Die Generalamnestie umfasst nur jene Fälle, bei denen Landesverwaltungsgerichte eine Unrechtmäßigkeit festgestellt haben. Die Regierung hat durch zum Teil falsche oder übertriebene Aussagen für Verwirrung gesorgt darüber, was erlaubt ist und was nicht.
Sie werden einen Teil Ihres Urlaubs in Zypern verbringen. Ist es dort sicher genug? Diesen Urlaub habe ich meinen Töchtern versprochen, falls es die Umstände erlauben. Es gab in Zypern insgesamt ungefähr 1.000 Fälle und derzeit gibt es ein bis zwei Infizierte pro Tag. In Österreich gibt es täglich rund 100. Aber ich halte nichts davon, dass den Österreichern, die ihren Urlaub im Ausland geplant haben, ein schlechtes Gewissen gemacht wird. Die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen sind in Kärnten ebenso einzuhalten wie auf Zypern, in Griechenland oder in Italien.
Und Sie vertrauen darauf, dass auf Zypern ausreichend getestet wird?
Ich weiß, dass in Österreich nicht genug getestet wird. Von den angekündigten 15.000 Tests pro Tag sind wir weit entfernt. Die ein bis zwei Infektionen pro Tag ist die internationale Statistik .
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