Innenminister Karner: "Unser Asylsystem muss glaubwürdig bleiben"
Gerhard Karner (54) ist seit Dezember 2021 Innenminister der Republik. Zuvor war er vor allem in der niederösterreichischen Landespolitik für die ÖVP tätig, zuletzt als Zweiter Landtagspräsident. Im KURIER-Interview reflektiert Karner über die dänische Asylpolitik, die als besonders restriktiv gilt.
KURIER: Herr Innenminister, beginnen wir mit dem Fall Tina. Zu Beginn der Woche ist das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs bekannt geworden, dass die Abschiebung des georgischen Mädchens nicht erfolgen hätte dürfen. Wie geht das Innenministerium damit um?
Gerhard Karner: In diesem konkreten Fall hat es sehr viele Urteile und Bescheide gegeben. Zunächst zwei negative Asylbescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und auch des Bundesverwaltungsgerichts. Und es kam, wie es in einem glaubwürdigen Asylsystem die Konsequenz ist, zur Rückführung der Familie. Gegen diese Abschiebung hat es eben dann den entsprechenden neuerlichen Einspruch auch gegeben. Und jetzt ist eine Entscheidung gefallen, die zur Kenntnis zu nehmen ist. Tina ist derzeit auch in Österreich aufhältig. Allerdings möchte ich festhalten: Es gab zu keinem Zeitpunkt Anspruch auf Asyl in Österreich – daran ändert auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nichts.
Das Ministerium muss also nach dem höchstgerichtlichen Urteil seine Vorgangsweise nicht ändern?
Entscheidend ist für ein glaubwürdiges Asylsystem, dass Entscheidungen der Behörden und Gerichte auch umgesetzt werden. Und das wird das Innenministerium auch in Zukunft vollziehen.
Eine Erkenntnis könnte auch sein, man muss sich einem Asylverfahren einfach nur lange entziehen, um dann nicht mehr abgeschoben werden zu können. War das hier der Fall?
Das ist ja das, was ich gerade gesagt habe. Entscheidend ist, dass wir das, was entschieden wird, auch zur Umsetzung bringen. Die Verfahren in erster Instanz sind mittlerweile im Schnitt bei etwas mehr als drei Monaten. Hier sind wir in einer Geschwindigkeit, die richtig und gut ist. In der zweiten Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht, dauert es noch zu lange. Da hat man manchmal den Eindruck, diese Verfahren werden von Anwälten und Betroffenen bewusst verlängert, damit sich die Situation sozusagen verfestigt und Asylwerber dann hierbleiben können. Da müssen wir dagegenhalten und auch Entscheidungen treffen, die manchmal schwierig, die aber notwendig sind, damit das Asylsystem glaubwürdig bleibt.
Sie waren in Dänemark, um sich anzuschauen, wie dort mit Asylwerbern umgegangen wird. Die Dänen wollen künftig keine Asylverfahren im Land, sondern Flüchtlinge nach Ruanda bringen. Wie stehen Sie dazu?
Wir haben mit dem dänischen Amtskollegen intensiv darüber beraten, wie man auf europäischer Ebene die illegale Migration eindämmen und wie man Rückführungen verbessern kann. Die Dänen sind in diesem Bereich ja durchaus erfolgreich. Auch aus dem Grund, weil sie beim Asylrecht EU-Ausnahmeregelungen haben. Wir müssen jedenfalls verhindern, dass sich Migranten in die Hände von Schleppern begeben. Die Dänen sind ja sehr offensiv, sehr klar und sehr strikt. Und diese Erfahrungen möchte ich einfach in die europäische Diskussion mit einbringen.
Das ist aber eine schwierige Diskussion, weil die Positionen beim Thema Asyl innerhalb der EU sehr weit auseinandergehen. Nehmen wir zum Beispiel den Außenminister von Luxemburg, der Österreich immer wieder scharf für seine Linie kritisiert.
Es geht um eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber jenen, die das Asyl in Europa auch tatsächlich brauchen, weil sie in ihren Herkunftsstaaten verfolgt werden. Denen müssen wir helfen. Dieses System wird aber ausgenutzt, weil viele versuchen, aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa, nach Österreich zu kommen. Da müssen wir sehr klar und strikt trennen. Und Luxemburg hat nur ganz wenige Asylanträge, da kann man leicht reden als luxemburgischer Außenminister.
Wie angespannt ist das Asylsystem derzeit in Österreich?
Wir haben von Jänner bis Juli dieses Jahres fast 42.000 Asylanträge gehabt. Das heißt, das System ist an der Belastbarkeitsgrenze angelangt. Daher ist es so notwendig, dass wir hier klare Maßnahmen setzen. Wir tun das, was wir in Österreich tun können. Dazu zählen die intensiven Grenzkontrollen. Aber wir müssen auch in Europa Partner suchen, damit wir in der europäischen Gesetzgebung stärker und klarer werden, damit wir illegale Migration verhindern.
Werfen wir einen Blick auf die innere Sicherheit in Österreich. Es gibt vom Verfassungsschutz die Befürchtung, dass der Herbst intensiv werden könnte. Es wird sogar vor möglichen Aufständen gewarnt, weil Themen wie die Teuerung die Menschen auf die Straße treiben. Wie geht man im Innenministerium damit um?
Die Aufgabe des Innenministeriums ist es, bestmöglich auf alle Eventualitäten im Vorhinein vorbereitet zu sein. Dass die Polizei, das Innenministerium, die entsprechenden Behörden dazu exzellente Arbeit leisten, haben die letzten Monate und das letzte Jahr auch bewiesen. Wir haben große Kundgebungen in ganz Österreich gehabt. Und wenn man gesehen hat, wie in anderen europäischen Städten zum Teil Auslagen zertrümmert wurden, Straßenzüge gebrannt haben, und man vergleicht, wie die Polizei in Österreich damit umgegangen ist, dann erkennt man, wie sensibel, aber konsequent gehandelt wurde und wird.
Aber wie geht man mit dieser Unzufriedenheit um? Welche Antworten gibt man der Bevölkerung, die Ängste hat?
Wichtig ist, dass die Sicherheitsorgane auch entsprechende Ruhe ausstrahlen. Wenn alle einen kühlen Kopf bewahren, dann werden wir einen heißen Herbst verhindern.
Es steigen auch die Bedrohungen gegenüber Politikern. Wie sehen Sie das?
Die Aufgeregtheit ist hier eine sehr hohe, vor allem in manchen sozialen Medien. Wenn ich etwa an Twitter denke. Das erscheint zwar als ein sehr modernes Medium. Mich erinnert es aber mehr an den Marktplatz im Mittelalter, wo die Leute an den Pranger gestellt worden sind. Letztlich ist es ein gesamtgesellschaftliches Problem, wo wir uns alle einfach mehr zurücknehmen sollten.
Zur Koalition: Im Vertrauensindex liegt die Bundesregierung an letzter Stelle. Was soll und wird die Regierung unternehmen, um aus dieser Krise wieder herauszukommen?
Was wir zu tun haben, ist, konsequent und unaufgeregt unsere Arbeit zu machen. Wir haben klare Maßnahmen im Bereich der Teuerungen gesetzt, die zu greifen beginnen. Im Gegensatz zur Bundes-SPÖ, die zwar laut redet, aber sich bei den eigenen Leuten nicht durchsetzen kann, das Gegenteil macht, wenn man sich die Gebührenerhöhungen in Wien ansieht. Wir dürfen uns auch nicht von so manchen Zurufen beirren lassen.
Auch nicht von den schlechten Umfragen?
Als Bundesregierung haben wir im Parlament eine klare Mehrheit. Damit arbeiten wir unser gemeinsames Programm ab. Die Umfragen sind das eine, die Arbeit sagt etwas anderes.
Sollte sich nicht die Arbeit auf die Umfragen auswirken?
Gewählt wird am Wahltag durch Stimmabgabe und nicht durch Umfragen.
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