Unaufhaltsame Migrationswelle: "Wir schauen uns jede Ladefläche an"

„Hülye“ schimpft der Mann aus dem geöffneten Fenster und steigt aggressiv aufs Gas. Die 20 Minuten Wartezeit vor dem Grenzübergang Klingenbach im Burgenland waren ihm zu viel.
Das ungehaltene „Blödmänner“ war an die Grenzbeamten gerichtet, die bis zu 15.000 Autos und Lkw pro Tag unter die Lupe nehmen – am Dienstag bei tropischen 36 Grad Lufttemperatur. „Jedes Fahrzeug wird kontrolliert, ausnahmslos“, meldet der stellvertretende Landespolizeidirektor Werner Fasching seinem Innenminister. Gerhard Karner (ÖVP) war auf schwieriger Mission im Burgenland, da seit Wochen eine massive Flüchtlingswelle über Ungarn nach Österreich und Westeuropa schwappt. Die Bemühungen der Polizei, der illegalen Migration und der ausufernden Schlepperkriminalität nun Herr zu werden, vermitteln den Eindruck einer Sisyphos-Arbeit.
Festnahmen
Allein im Burgenland sind heuer bereits 24.085 Flüchtlinge aufgegriffen und 145 Schlepper festgenommen worden. Das sind gegenüber dem Vorjahr fünf Mal so viele illegale Migranten und eine Verdoppelung der Festnahmen, erklärt Fasching. Die meisten Aufgriffe werden derzeit in den Bezirken Neusiedl am See und Oberpullendorf verzeichnet. Österreichweit wurden im ersten Halbjahr bereits 31.000 Flüchtlinge und Migranten registriert.

Jede Ladefläche wird kontrolliert
Planenschlitzer
Karner wird beim Lokalaugenschein Zeuge, wie die Grenzbeamten vor allem Kleinlaster, Lkw und Sattelschlepper peinlich genau unter die Lupe nehmen.
Alles nur Show für die Journalisten? „Nein. Wir schauen uns jede Ladefläche an“, sagt Fasching. Die Grenzbeamten haben die Erfahrung gemacht, dass Flüchtlinge nach wie vor in Serbien oder in Ungarn auf Ladeflächen von Lastwagen verfrachtet und von dort über die Grenze geschleust werden. In den meisten Fällen sitzen Schlepper am Steuer der Transporter.
Hin und wieder kommt es aber auch vor, dass Lkw-Chauffeure gar nichts von ihrer illegalen Fracht mitbekommen. Nämlich dann, wenn Lkw-Planen auf Raststellen aufgeschlitzt und Migranten unbemerkt an Bord geschmuggelt werden.
Aber auch gegen diese Methoden hat die Polizei ein neues Werkzeug parat. Während der Kontrollen in Klingenbach schwebt ein heimlicher Beobachter in der Luft über dem Grenzübergang. Eine Drohne mit hochsensibler Überwachungstechnik überprüft speziell Schwerfahrzeuge aus der Vogelperspektive. „Wir schauen nach, ob die Planen am Dach vielleicht aufgeschlitzt sind“, erklärt der Pilot des unbemannten Spionageinstruments. Die spezielle Wärmebildkamera detektiert Personen, für den Fall, dass sie sich hinter den Ladebordwänden oder der Fracht verstecken.

Aber rechnen Schlepper nicht genau mit solchen Kontrollen? „Freilich“, heißt es vonseiten der Polizei. Dennoch gehen jede Woche zwei bis drei am Grenzübergang ins Netz.
Durch die verschärfte Überwachung sei ein Ausweicheffekt bemerkbar, etwa an der grünen Grenze. Deshalb werden die Hotspots vor allem nachts verstärkt mit den Drohnen abgeflogen. So „dramatisch“ die illegale Migration für Karner auch ist, die Flüchtlingswelle könne allein mit polizeilichen Maßnahmen keineswegs gestoppt werden. Neben dem nationalen Kraftakt fordert er einmal mehr eine „europäische Lösung“ in der Frage.

An der Grenze kommen auch Drohnen zum Einsatz
Die burgenländische SPÖ verlangt indes einen „Krisengipfel“ zur Situation. Diese gerate immer mehr außer Kontrolle, meint Landesgeschäftsführer Roland Fürst. Die zuständigen Behörden seien völlig überlastet. Laut Fürst würden Asylwerber mit einer Ladung für das Erstgespräch nach 48 Stunden wieder weggeschickt. Sie müssten sich selbst um einen Termin kümmern.
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