EU beschloss Milliarden-Aufrüstung und Ukraine-Unterstützung ohne Ungarn

EU beschloss Milliarden-Aufrüstung und Ukraine-Unterstützung ohne Ungarn
Aufgeschreckt von Trumps Alleingängen demonstriert Europas politische Spitze Unterstützung für die Ukraine und den Willen aufzurüsten. Auch das neutrale Österreich marschiert da mit. Nur Ungarn legt sich quer.

Zusammenfassung

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  • EU-Staats- und Regierungschefs beschließen signifikante Erhöhung der Verteidigungsausgaben und Unterstützung der Ukraine, ausgenommen Ungarn.
  • Selenskij fordert von der EU Unterstützung für eine partielle Waffenruhe und betont die Notwendigkeit eines Friedensabkommens.
  • Österreichs Kanzler Stocker bekräftigt Unterstützung der Ukraine im Rahmen der Neutralität und hebt Bedeutung transatlantischer Beziehungen hervor.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben grundsätzlich den Weg für eine Wiederaufrüstung Europas frei gemacht. Die 27 Mitgliedsländer zeigten sich am Donnerstag auf einem EU-Sondergipfel bereit, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen, wie Diplomaten mitteilten. Dazu verabschiedeten die Staaten eine gemeinsame Erklärung.

In dieser beschloss man weitere Unterstützung der Ukraine ohne Ungarn. Der Text sei zu 26 angenommen worden, teilten Diplomaten am Donnerstagabend in Brüssel mit. In der Erklärung sagen die EU-Staaten der Ukraine weitere finanzielle und militärische Hilfen zu. "Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen auf die europäische und globale Sicherheit in einem sich wandelnden Umfeld stellen eine existenzielle Herausforderung für die Europäische Union dar", heißt es weiter in der Gipfelerklärung.

Auch die von der Kommission vorgeschlagene Lockerung der EU-Schuldenregeln wird vom Gipfel begrüßt. Die sogenannte nationale Ausweichklausel würde die Herausrechnung der für Aufrüstung gemachten Schulden aus den Maastricht-Kriterien erlauben. Dies würde Österreich entgegenkommen, da es im Jänner nur knapp einem EU-Defizitverfahren wegen zu hoher Staatsschulden entgangen ist. 

Österreich und die Neutralität

Aber alles der Reihe nach.

Ob Krieg, ob Frieden, ob Trump die Ukraine erpresst oder Putin ihre Stromnetze zerbombt: Eines kommt in Österreichs weltpolitischer Grundhaltung nicht ins Wanken: die Neutralität. 

Auch der neue Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) zurrt diese Grundhaltung bei seinem ersten Auftritt bei der EU gleich einmal fest: „Wir befinden uns in Österreich auf dem Boden unserer Neutralität, die steht im Verfassungsrang.“ Stocker betonte, die vom EU-Gipfel beschlossenen Pläne zur Aufrüstung Europas mit verschiedenen neuen finanziellen Möglichkeiten außerhalb der Maastricht-Kriterien seien auch für Österreich relevant und interessant. 

Stocker sprach von einer "beeindruckenden Sitzung". Man habe sich intensiv darüber unterhalten, was notwendig wäre, um Europas Verteidigung fähiger zu machen. Österreich habe als neutrales Land einen Sonderstatus, "aber auch wir investieren in unsere Verteidigungsfähigkeit". Und weil weder Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) noch Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) an diesem Tag auf ihren Auftritt in Brüssel verzichten wollen, sind auch die beiden in der EU-Hauptstadt.

EU beschloss Milliarden-Aufrüstung und Ukraine-Unterstützung ohne Ungarn

Besuche bei Spitzenvertretern der jeweiligen Parteienfamilie sind angesagt, also für Babler bei den Sozialdemokraten und für Meinl-Reisinger bei den Liberalen von Renew. Die Außenministerin, in deren Partei ja oft Zweifel an der Neutralität laut werden, bekennt sich unmissverständlich dazu, und für den Vizekanzler muss und kann sich Österreich auch in diesen Zeiten nur „im Rahmen der Neutralität“ bewegen.

Aufrüstung: "Ernst der Lage der Bevölkerung einhämmern"

So festgezimmert wie diese Überzeugung scheint in diesen Tagen wenig in der EU-Zentrale. Aufgeschreckt von Trumps Weltpolitik mit dem Vorschlaghammer, bei der die Ukraine erpresst und Moskau als Partner für den Frieden betrachtet wird, sucht Europas politische Führungsspitze irgendwie Kurs zu halten und sich zugleich vom ewigen großen Bruder USA zu emanzipieren.

Worte und Warten

Zwei große Themen hatte dieser eilig einberufene Sondergipfel in Brüssel: Die Ukraine und die Neuaufstellung der europäischen Verteidigung – vor allem die Finanzierung dieses Mammutprojekts.

Die Solidarität für die Ukraine ist – zumindest solange es um Worte geht – leicht gemacht. Jeder Staats- und Regierungschef, der auf der Gipfelbühne seinen Auftritt hat, verspricht quasi uneingeschränkte Unterstützung, so lange bis ein Frieden erreicht sei. Und der dürfe erstens nicht ohne die Ukraine und Europa ausgehandelt werden und zweitens müsse er die Ukraine als Staat zur Gänze wiederherstellen.

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Orbans Alleingang

So steht es festgeschrieben in den Schlussfolgerungen dieses Gipfels – und gegen die, zumindest den Teil zur Ukraine, hat sich wieder einmal nur ein Regierungschef offen gestellt: Ungarns Viktor Orbán. Der ist längst auf Linie seines politischen Idols Trump eingeschwenkt, also ein rascher Frieden auf Kosten der Ukraine, ausgehandelt ohne das Land auch nur am Tisch zu haben.

Am Ende gab es eine diplomatische Notlösung. 26 der 27 EU-Mitgliedsländer unterschrieben eine Erklärung zur Ukraine, die dann aber kein EU-Gipfelbeschluss wäre. Eine empfindliche Schwächung der Union.

Mit Gas überredet

Orbáns Nachbar und ideologischer Verbündeter, der slowakische Regierungschef Robert Fico, wurde mit einem sehr praktischen Zugeständnis zum Einlenken gebracht. Russisches Erdgas, von dem die Slowakei fast zur Gänze abhängig ist, soll wieder durch Pipelines in das Land fließen. Das wird in der Schlusserklärung des Gipfels gefordert. Für den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij, der wieder einmal Gast auf dem Gipfel war, ist das schwer zu akzeptieren, müsste er doch wieder russisches Gas durch sein Land leiten. Gas, mit dem Russland sein „Blutgeld“ verdiene, wie es der Ukrainer formuliert.

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Bundeskanzler Stocker bei der Ankunft in Brüssel

Die Pläne zur Aufrüstung Europas, auf die sich die Regierungschefs geeinigt haben, folgen genau den Vorschlägen, die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schon vor ein paar Tagen präsentiert hat. Um sich besser rüsten zu können, sollen die EU-Mitgliedsländer die Erlaubnis bekommen, die eigentlich festgezurrten Obergrenzen für Budgetdefizit und Staatsverschuldung zu lockern. Auch sichert die EU mit ihrem Budget Kredite für die einzelnen Staaten. Auf den seit längerem diskutierten großen Schritt, der Aufnahme gemeinsamer Schulden durch die EU, kann man sich vorerst nicht einigen.

Österreich bekommt – wie so oft bei EU-Beschlüssen – einen Extra-Hinweis auf seine Neutralität zugestanden. Egal ob es also um gemeinsame europäische Rüstungsprojekte geht oder eine Friedenstruppe für die Ukraine: Alles nur, soweit es die Neutralität zulässt. Dass aber auch Österreich mehr für seine Sicherheit tun und auch bezahlen muss, daran zumindest lässt der neue Bundeskanzler keinen Zweifel. Man habe zwar bereits „enorme Anstrengungen“ unternommen und die Militärausgaben deutlich angehoben, aber man werde diese Anstrengungen wohl weiter erhöhen müssen.

Viele Grundsatzbekenntnisse also – und wenig Konkretes, wie so oft, wenn die EU versucht, weltpolitisch auf einen Nenner zu kommen. Inzwischen sind London oder Paris auch in Europa vorgeprescht, mit Rüstungsplänen und einer „Koalition der Willigen“ für die Ukraine. Auf die EU, so ein Diplomat am Rande des Gipfels, würde man da ohnehin nicht mehr warten.

Macron grundsätzlich zu Gespräch mit Putin bereit

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kann sich grundsätzlich vorstellen, mit Kremlchef Wladimir Putin über ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu reden. "Ich bin bereit, mit Präsident Putin zu sprechen, wenn wir gemeinsam mit Präsident Selenskij und unseren europäischen Partnern zu dem Schluss kommen, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist", sagte Macron.

Frankreich und Großbritannien arbeiten derzeit federführend mit der Ukraine und ihrem Präsidenten Wolodymyr Selenskij an einem europäischen Friedensplan für das von schweren Kriegsschäden gezeichnete Land.

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