Überraschender Applaus – jedoch viele „Ja, aber“

Türkis-Blau will höhere Zugangshürden und strengere Regeln. Wie Schüler, Eltern und Lehrer die Pläne beurteilen

Welches Kind soll ins Gymnasium und welches in die Neue Mittelschule? Wie kann die Schulreife synchronisiert werden? Und in welcher Form sollen Volksschulkinder eigentlich benotet werden? Die Regierung geht in ihrem Bildungspaket ideologisch aufgeladene Fragen des heimischen Schulsystems an und präsentierte jüngst im Rahmen des Ministerrates zumindest ein grobes Konzept, wie die Antworten auf diese Fragen aussehen könnten. Ab 2019, so Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), soll die Reform sukzessive umgesetzt werden.

Was aber sagen die Betroffenen – also Schüler, Eltern- und Lehrer-Vertreter – zu den türkis-blauen Plänen?

Aufseiten der Lehrer herrscht vorerst einmal Skepsis. „Ich würde dieses Paket ja gerne bewerten“, sagt Paul Kimberger, Vorsitzender der Pflichtschullehrergewerkschaft zum KURIER. Wenig erbaulicher Nachsatz: „Aber es sind leider nur Überschriften darin enthalten, also geht es nicht“. Kimberger appelliert an Minister Faßmann, „von dieser Politik der Überschriften Abstand zu nehmen und ernsthaft zu verhandeln, bevor man solche Pläne präsentiert“. Denn mit den Lehrern, so Kimberger, wurde im Vorfeld der Präsentation nicht gesprochen.

Lehrer vorsichtig positiv

Letztlich aber ortet Kimberger „einige gute Ansätze“ – so seien etwa einheitliche Schulreife-Kriterien „eine gute Sache“, ebenfalls lobend erwähnt der Gewerkschafter die sogenannten „Talente-Checks“, die unter anderem als Grundlage für die Entscheidung zwischen Volksschule oder Gymnasium herangezogen werden sollen. „Das darf aber nicht zur Bürokratie-Belastung für Lehrer werden, denn davon haben wir jetzt schon genug“, warnt Kimberger. Auch die geplanten Kleingruppen in den NMS findet Kimberger „grundsätzlich gut“ – wiewohl sie Teil der Schulautonomie sein sollten, sagt er – „so etwas soll am Standort entschieden werden, nicht verordnet“.

Lob aus Oppositions-Eck

Das sieht auch Daniel Landau, Lehrer und grüner Bildungsaktivist, so: „Punktuell“, so der Praktiker, „macht es natürlich Sinn, Schüler mit ähnlichem Wissen zusammenzuführen“. Generell aber sei Landau gegen von der Regierung verordnete Leistungsgruppen. Insgesamt bewertet Landau das Paket keineswegs nur negativ: „Da sind schon einige ganz gute Punkte dabei.“ So habe etwa die Erneuerung der Lehrpläne seine „bedingungslose Zustimmung“ – auch sei es „sehr sinnvoll“, die Schulreife-Standards bundesweit zu synchronisieren. Einzig die „Talente-Checks“ lehnt der Lehrer für Musik und Mathematik gänzlich ab: „Diese Tests gaukeln vor, dass alle Kinder in allen Fächern gleich gut sind. Wenn ein Kind also 15 Talente und eine große Schwäche – etwa in Mathematik – hat, kann es demnach nicht auf das Gymnasium gehen.“

Aufseiten der Schüler regiert man ähnlich kritisch auf die Talente-Checks. Sollten diese tatsächlich Eltern und Kindern bei der Schulentscheidung helfen, wären diese zwar durchaus zu begrüßen, es sei aber zu befürchten, dass es sich dabei um eine reine Selektionsmaßnahme handelt, erklärt Derai Al Nuaimi von der Bundesjugendvertretung. Zur Selektion beitragen würde auch eine Wiedereinführung der Leistungsgruppen, sofern zwischen diesen kein fliegender Wechsel möglich wäre, so der Vorsitzende der politischen Vertretung der Jungen.

Eine Aufwertung der NMS könne indes nur über die Pädagogen erfolgen. „Die Lehrer müssen selbst an diese Schulform glauben und brauchen Unterstützung von Sozialarbeitern und Schulpsychologen“, sagt Al Nuaimi zum KURIER.

Noch nicht zu einer gemeinsamen Meinung durchringen konnten sich indes die Vertreter der Eltern in den Pflichtschulen. Nur so viel: Wie die Lehrer stört es auch die Eltern, dass man im Vorfeld der Präsentation so gar nicht mit einbezogen wurde – „das ist eigenartig“, heißt es aus dem Dachverband.

K. Knittelfelder, A.w. Huber

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