Überlastet: "Aufholbedarf" bei Pädagogen-Ausbildung

Die Lehrkräfte-Ausbildung braucht Nachhilfe. 2013 wurde die Pädagogen-Ausbildung reformiert, heute, zehn Jahre später, gibt es zwar Verbesserungen, aber: Junglehrer sind überlastet und mit der Realität im Lehrberuf teilweise überfordert. Das ist das Ergebnis einer Evaluationsstudie des Qualitätssicherungsrates für Pädagogen und Pädagoginnen (QSR) und der Industriellenvereinigung. Die Experten attestieren darin "Handlungsbedarf" an einigen Stellen der Lehrkräfte-Ausbildung. Allen voran brauche es Verbesserungen in der Induktionsphase, also in der Berufseinstiegsphase für die Sekundarstufe (Mittelschule, AHS, BMHS). Hier werden Junglehrer enorm belastet, erklärt Manfred Prenzel vom Zentrum der LehrerInnenbildung der Universität Wien bei der Präsentation der Evaluation.
Wieso? Anfänger sollten seit der Reform in der Induktionsphase von Mentoren begleitet werden und nicht das volle Ausmaß von 22 Stunden unterrichten. Die Realität sieht so aus: 50 Prozent der Anwärter unterrichten mehr als 20 Stunden. Die Durchschnittsarbeitszeit liegt bei 36 Stunden, als Maximalarbeitszeit gaben manche Junglehrer allerdings sogar bis zu 72 Stunden an. Neun Prozent der Einsteiger unterrichten in der Induktionsphase gänzlich fachfremd, unterrichten also nur Fächer, die sie gar nicht studiert haben. Über die Hälfte der Anwärter unterrichtet mehr als ein Fach fachfremd. Eine nennenswerte Anzahl an Anwärtern unterrichtet gar dreizehn Fächer, obwohl sie nur für zwei Fächer ausgebildet sind.
Tatsächlich unterrichten rund 60 Prozent alle Lehrkräfte fachfremd. Auch die vorgesehenen Mentoren, sofern es welche gibt, sind in 40 Prozent der Fälle fachfremde Kollegen, die beim Unterricht kaum Unterstützung bieten. Fazit: "Junglehrer werden überlastet und müssen fachfremd unterrichten, um zu überleben", sagt Prenzel. Es sei verblüffend, dass das Dienstrecht fachfremdes Unterrichten und das volle Stundenausmaß in der Induktionsphase nicht verbiete.
Kritik an der Kritik
QSR-Vorsitzender Andreas Schnider will das scharfe Urteil nicht verstehen. Die Studie zur Induktionsphase sei im Schuljahr 2019/20 erhoben worden. Seither habe man Verbesserungen umgesetzt, etwa die Supervision von Junglehrern. "Diese Studie zeigt akademische Überheblichkeit", findet Schnider. "Die Realität in der Schule sieht mit dem Lehrermangel anders aus. Man muss sich schon fragen: Ist es den Menschen lieber, es steht ein fachlich guter Lehrer vor der Klasse oder lieber gar keiner?", fragt Schnider.
Die Experten kritisieren weiter, dass auch auf die Diversität in Schulklassen und auf den Bedarf der Gesellschaft in der Lehrer-Ausbildung zu wenig eingegangen werden. Die Folge: Junglehrer seien mit einer heterogenen Schülerschaft überfordert, zudem fehle die Mädchenförderung in den MINT-Fächern.
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