Was passiert im U-Ausschuss? So sehen die Parteien die Causa Pilnacek

Ein Mann im Anzug sitzt auf einer Bank und schaut auf sein Handy.
FPÖ und Grüne orten Schlampereien, SPÖ und Neos geben sich unvoreingenommen, ÖVP zweifelt an Glaubwürdigkeit der brisantesten Zeugin.

Am Freitag fiel – so könnte man sagen – der Startschuss für den U-Ausschuss: Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt, die aktuell eine Wiederaufnahme des Verfahrens rund um den Tod des früheren Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek prüft, hat einen Erlass aus dem Justizministerium erhalten. Demnach muss sie die ihr zur Verfügung stehenden Akten dem Untersuchungsausschuss im Parlament übermitteln.

Die Aktenlieferungen sind – wie man aus den früheren U-Ausschüssen, etwa zu Ibiza, gelernt hat – eine heikle Angelegenheit. Denn auch, was „abstrakt relevant“ ist und gar nicht im Strafakt ist, muss geliefert werden, und kann dann für öffentlichen Diskussionsstoff sorgen. Spannend wären da beispielsweise die 206 Chats, die man auf Pilnaceks Smartwatch retten konnte, Gesundheitsdaten, die Aufschluss über Todeszeitpunkt und -umstände geben könnten, oder die Obduktionsfotos.

Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) liefert – bei ihr wurde ein Verfahren gegen Polizeibeamte wegen Amtsmissbrauchs zwar bereits eingestellt. Der Akt könnte für die Abgeordneten erhellend sein – vor allem FPÖ und Grüne wollen Schlampereien bei den Ermittlungen plus möglichem Motiv auf die Spur kommen.

Die Amtszeit Pilnaceks dürfte nur am Rande eine Rolle spielen. Der Untersuchungszeitraum beginnt am 19. Oktober 2023, das ist jene Nacht, in der der damals suspendierte Sektionschef als Geisterfahrer aus dem Verkehr gezogen wurde. Endpunkt ist der 4. September 2025, als die Zuständigkeit von der Staatsanwaltschaft Krems nach Eisenstadt gewandert ist. Auch den Kremsern wurden öffentlich Vorwürfe wegen ihrer Herangehensweise in der Causa gemacht.

Die Fraktionen bereiten sich intern schon auf die Befragungen vor, die Mitte Jänner starten sollten. Wer mit wem eine Allianz bilden könnte und mit welcher Arbeitsthese sie in den U-Ausschuss gehen: ein Überblick.

FPÖ: „Sind die wirklich so schlecht oder wurden sie gesteuert?“

Der Pilnacek-U-Ausschuss ist der erste U-Ausschuss in ihrer Geschichte, den die FPÖ selbstständig eingesetzt hat, sagt Christian Hafenecker durchaus mit Stolz. Der Gegenstand und der Zeitraum seien klar definiert („Nicht wieder so eine Historikerkommission“), und auch seine Arbeitsthese sei relativ klar: „Pilnacek wurde tot aufgefunden – und das wurde als Gelegenheit genutzt, um Datenträger verschwinden zu lassen, die sonst der ÖVP geschadet hätten.“

Der FPÖ gehe es nicht darum, die Todesumstände aufzuklären, betont Hafenecker, die Suizidtheorie sei nur insofern zu hinterfragen, als dass sie als Vehikel genutzt worden sei, „um keine weiteren Untersuchungen durchführen zu müssen.“ Aus diesem Grund will Hafenecker etwa auch die Obduktionsfotos sehen. ´

Die ÖVP – Lieblingsfeind der FPÖ – wird sich auf Attacken einstellen müssen, aber auch Vertreter von Justiz und Polizei sollen zu den schlampigen Ermittlungen Stellung nehmen. Hafenecker: „Sind die wirklich so schlecht oder wurden sie gesteuert? Beides wäre ein Problem.“ 

NATIONALRAT: HANGER / HAFENECKER

ÖVP: Hanger nimmt Achse um Pilz, Wurm und FPÖ ins Visier

Andreas Hanger ist wieder türkiser Fraktionsführer. Seine Sicht: „Sämtliche Umstände sind in einem mittlerweile eingestellten Verfahren gegen die ermittelten Polizei-Beamten und in zwei Medienverfahren ausführlich behandelt worden.“ Hanger Fokus liegt vor allem auf Pilnaceks Kurzzeit-Freundin, Karin Wurm, die die Mordtheorie vertritt. 

„Karin Wurm hat sich bei ihren sehr eigenwilligen Aussagen permanent in Widersprüche verwickelt“, zweifelt Hanger stark an Wurms Glaubwürdigkeit, gegen die mittlerweile ermittel wird. Wurm sei zudem Teil einer Achse mit Peter Pilz und der FPÖ, so Hanger: „Diese Achse werden wir uns genau anschauen.“ 

In den vergangenen U-Ausschüssen, in deren Mittelpunkt auch die Volkspartei stand, agierte die ÖVP häufig isoliert. Und diesmal? „Wir werden uns bemühen, innerhalb der Regierungsfraktionen gut abgestimmt zu agieren“, sagt Hanger Sein  U-Ausschuss-Team wird komplettiert durch die Abgeordneten Jakob Grüner, Bettina Zopf und Maria Smodics-Neumann.

SPÖ: Veteran Krainer will sich alles „ergebnisoffen ansehen“

Jubiläum: Kai Jan Krainer führt die SPÖ in seinen  10. U-Ausschuss. Sein Team wird Mitte November offiziell feststehen, die Strategie sei bereits klar, sagt Krainer: „Wir wollen uns alles ergebnisoffen ansehen.“ 

Der Ausschuss untersuche nicht die Todesursache, sondern die Arbeit der Behörden: „Es geht darum, ob Ämter und Behörden in Österreich funktionieren, ob Polizisten vor Ort schlampig gearbeitet haben und, ob es politische Interventionen gab.“ Besonders gespannt sei er auf die Befragung jener Gemeindeärztin, die eine Obduktion der Leiche Pilnaceks gegen den Widerstand der Polizei durchsetzte.

Ändert sich die Herangehensweise der SPÖ im U-Ausschuss dadurch, dass sie nun wieder im Bund regiert? „Die Situation ist natürlich eine andere als bei den vergangenen U-Ausschüssen, weil wir nicht Teil der Einsetzungsminderheit sind“, sagt Krainer. Das ist die FPÖ. Und diese habe auch den „Lead“, etwa in der Frage, wer geladen werde, meint Krainer und fügt hinzu: „Am besten funktioniert ein Ausschuss, wenn alle an einem Strang ziehen.“

Grüne: Tomaselli will „Schlampereien“ der Ermittler ergründen

In neuer Rolle und als Einzelakteurin findet sich Nina Tomaselli in diesem U-Ausschuss. Die Grünen sind in der Opposition und haben wegen des mageren Wahlergebnisses nur noch einen Sitz. Dafür ist die Vorarlbergerin aber schon vor dem Start der Aktenlieferungen bestens informiert. Tomaselli hat sich einige Dokumente besorgt und sich auch schon in Rossatz, wo Pilnacek starb, vor Ort ein Bild gemacht. 

Im Fokus steht für sie die Frage: „Wie kam es zu den Schlampereien bei den Ermittlungen?“ Und das ausgerechnet bei einer so prominenten Person wie dem Justiz-Sektionschef? „Die Ermittler hätten damit rechnen müssen, dass bei so einem Todesfall genau hingeschaut wird“, sagt sie. Auf eine Theorie, ob und warum da etwas vertuscht wurde, legt sie sich nicht fest. 

Der U-Ausschuss habe den Vorteil, dass auch Akten aus dem Innenministerium geliefert werden – zu diesen hatte die Strafjustiz ja keinen Zugang. Auch die Auskunftspersonen, die sie befragen will, kämen „zwangsläufig aus diesem Ressort und den untergeordneten Stellen“. 

Neos: Wotschke geht „ohne Narrativ“ in ihren ersten U-Ausschuss

Stephanie Krisper, die sich aus der Politik zurückgezogen hat, prägte die vergangenen U-Ausschüsse – insbesondere im Zusammenspiel mit SPÖ-Mann Kai Jan Krainer, aber auch mit der FPÖ. Wie wird es ihre Nachfolgerin Sophie Wotschke anlegen? 

Einen Paarlauf mit den Blauen schloss die 27-Jährige, die nicht an einen „tiefen Staat“ glaubt, bereits im KURIER-Interview aus. Die Neos wollen  demnach nicht mit einem vorgefertigten Narrativ in den U-Ausschuss gehen. „Es geht schlicht um eines: dass wir nachvollziehen können, ob es zu politischer Einflussnahme gekommen ist“, heißt es.
„Weite Teile der Bevölkerung sind der Meinung, dass hier etwas nicht passt. Wir klären im U-Ausschuss die politische Verantwortung.“ 

Hier gehe es auch um die Frage, ob auf Pilnacek in dessen Funktion als Sektionsleiter politischer Druck ausgeübt wurde. Wotschkes Team ist noch nicht zusammengestellt, laut Neos müssten noch Details geklärt werden. Sollte Wotschke einmal ausfallen, ersetzt sie Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos.

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