U-Ausschuss ohne Ibiza: Wie der Polit-Skandal aufgeklärt werden soll
Schlanke fünf Seiten hat der Antrag von ÖVP und Grünen für den Untersuchungsausschuss "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung", der am Mittwoch angenommen wurde.
In Klammern steht beim Titel: "Ibiza-Untersuchungsausschuss".
Bloß: "Ibiza" kommt bei den fünf Beweisthemen, die nach türkis-grünen Kürzungen übrigbleiben, gar nicht mehr vor, kritisiert die Opposition - und zwar aufs Heftigste.
"Grün ist die Farbe der Zensur", wetterte SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer am Mittwoch im Plenum. "Die Grünen machen die Mauer für die ÖVP", warf Neos-Mandatarin Stephanie Krisper der nunmehrigen Regierungspartei vor.
Das ursprüngliche Verlangen auf Einsetzung des U-Ausschusses von SPÖ und Neos ist etwas dicker, es hat acht Seiten - mit acht Beweisthemen. ÖVP und Grüne haben vier davon komplett gestrichen (siehe unten: Link zum Versionen-Vergleich).
Warum? Fürchtet sich die ÖVP? Warum machen die Grünen da mit? Und was soll beim U-Ausschuss herauskommen?Hier die zehn wichtigsten Fragen und Antworten.
1. Worum geht es überhaupt?
Das knapp siebenminütige Ibiza-Video löste im vergangenen Jahr eine Lawine an Verdachtsfällen aus. Im Groben geht es darum, ob Amtsträger bzw. jene, die es werden wollten (FPÖ-Chef und späterer Vizekanzler Heinz-Christian Strache) Unternehmen politische Vorteile für illegale Parteispenden versprochen haben.
Unter anderem ploppte im August die Casinos-Causa auf, hier geht es um parteipolitische Besetzungen von Posten und möglicherweise den versuchten Gesetzeskauf.
Ein U-Ausschuss soll nun die politische Verantwortlichkeit klären. Parallel laufen Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft Wien und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).
2. Was wollten SPÖ und Neos untersuchen lassen?
Die beiden Oppositionsparteien wollten beiden Themenkomplexe - Ibiza-Video und Casinos-Causa - umfassend aufklären, da sie aus ihrer Sicht ein großes Ganzes sind.
Und: Was Strache da in der Finca in die versteckte Kamera sagte, könnte auf ein ganzes (politisch korruptes) System hindeuten.
Übrig geblieben ist nun de facto nur die Casinos-Causa. Weshalb intern gewitzelt wird, ob man nicht den Titel des U-Ausschusses ändern solle.
Aber von vorn: Das erste Beweisthema dreht sich um die Besetzung von Funktionen im Aufsichtsrat bei der Casinos Austria AG - unter anderem von FPÖ-Mann Peter Sidlo als Finanzvorstand.
Das zweite ist, ob es dazu "Hintergrunddeals" gab. Also, ob die FPÖ im Gegenzug etwa für die Besetzung versprochen hat, Einfluss auf das Glücksspielgesetz zu nehmen.
3. Was wurde konkret herausgestrichen?
SPÖ und Neos wollten - recht allgemein formuliert - untersuchen lassen, ob es tatsächlich durch politische Einflussnahme zu "Begünstigungen von Dritten" kam. Diesen Punkt (Beweisthema 3) haben ÖVP und Grüne komplett gestrichen.
Der nächste Punkt, der von der Liste flog, ist die "Neustrukturierung der Finanzaufsicht" (4). Es geht um die Verschiebung von Kompetenzen inklusive Neubesetzungen der jeweiligen Organe. Auch hier geht es wieder um den Verdacht, Dritte hätten Einfluss auf politische Entscheidungen bzw. Reformen genommen.
Punkt 5 ist nur ein Dreizeiler - wäre aber durchaus spannend gewesen: Hat die Politik Einfluss auf die Arbeit der SOKO Ibiza genommen? Auch die WKStA, die das Verfahren führt, hatte Bedenken, die SOKO-Beamten des Bundeskriminalamts seien zu ÖVP-nahe - blitzte damit aber ab. Der Punkt wurde ebenfalls komplett gestrichen.
Verknappt wurden Punkt 6 und 7: Hier geht es um das Beteiligungsmanagement des Bundes und um etwaige Beeinflussung von Personalentscheidungen in staatsnahen Unternehmen.
Thema 8 ähnelt Thema 3: "Verdacht des Gesetzeskaufs". Die Opposition wollte anhand von türkis-blauen Regierungsvorlagen klären, ob Dritten eine Einflussmöglichkeit auf das Gesetzgebungsverfahren eingeräumt wurde, und ob als Folge politische Parteien oder Wahlwerber begünstigt wurden.
Eine Frage, die sich ganz klar auf das Gesagte im Ibiza-Videos bezieht. Und zur Gänze rausflog.
4. Warum wurde gekürzt?
ÖVP und Grüne sagen, die Themen seien zu weit gefasst, zu unkonkret. Der Untersuchungsgegenstand, so argumentieren die Grünen, müsse so präzise wie möglich formuliert sein, da sonst keine aussagekräftigen Erkenntnisse zu erwarten seien.
Das hat auch praktische Gründe, sagt Nina Tomaselli, Delegationsleiterin der Grünen: Bei der allgemein gehaltenen Frage nach "Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder Wahlwerber begünstigen" stünden jene Behörden, die dann Akten für den U-Ausschuss liefern sollen, vor dem Problem: "Wer soll das sein?", sagt sie.
Man habe der SPÖ und den Neos angeboten, gemeinsam zu präzisieren. Zum Beispiel hätte man sich konkret auf die ÖVP-Spenderliste beschränken können. "Kompromiss jeglicher Art wurden leider abgelehnt", sagt Tomaselli. Also wurde der Punkt kurzerhand ganz gestrichen.
Anderes Beispiel: Die Postenbesetzungen. Die Formulierung "bei Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist", würde eine Liste von hunderten Personen, die in diesen Unternehmen tätig sind, bringen. Es wäre eine endlose Zeugenliste für den U-Ausschuss.
5. Warum ist das Stichwort "Ibiza" nirgends mehr zu finden?
Einerseits, weil es im Vorschlag der Opposition eben keine konkreten Fragestellungen dazu gibt, sagen ÖVP und Grüne.
Die Grünen sagen, sie wollen keinen "Kraut und Rüben"-U-Ausschuss. Abgeordneter Michel Reimon erklärt dazu: "Es kann aber durchaus einen Kraut-U-Ausschuss geben und einen Rüben-U-Ausschuss."
Heißt: Für die Ibiza-Causa könnte es einen eigenen U-Ausschuss geben. Das geht allerdings erst, wenn der aktuelle abgeschlossen ist. Und das dauert nun gut ein Jahr.
6. Und was vermutet die Opposition als Grund?
Stephanie Krisper, Aufdeckerin bei den Neos, sagt, die Vorwürfe in der Casinos-Causa gegen die FPÖ seien ja großteils über die Medien bekannt. Unklar ist aber, ob auch die ÖVP mit illegaler Parteifinanzierung und Begünstigungen zu tun habe.
Ihr Verdacht lautet deshalb: "Die ÖVP hält den Deckel drauf. Damit alles, was jetzt noch nicht bekannt ist, auch im U-Ausschuss nicht bekannt wird. Und die Grünen helfen ihr dabei."
Das weisen die Grünen freilich strikt zurück. Der Grüne David Stögmüller etwa versichert: "Wir werden unser Augenmerk genauso auf schwarze bzw. türkise wie auf blaue und rote Netzwerke richten. Und zwar in dem Rahmen, den wir jetzt klar abgegrenzt und greifbar gemacht haben."
Auch Kollegin Tomaselli wehrt sich gegen den Vorwurf, die Grünen würden ihrem übermächtigen Koalitionspartner die Mauer machen. Die Grünen hätten sich damals für das Minderheitenrecht, einen U-Ausschuss einzusetzen, stark gemacht. "Wir wären schön blöd, uns jetzt diesen Schuh anzuziehen", sagt sie.
7. Was kann nun beim U-Ausschuss herauskommen?
Die Neos befürchten: nicht viel. Erstens, weil der Themenkreis nun wesentlich kleiner ist; und zweitens, weil zum zentralen Thema - der Casinos-Causa - ja derzeit mehrere Strafverfahren laufen, und das hemmt.
Auskunftspersonen können sich im U-Ausschuss enthalten, wenn gegen sie ermittelt wird, damit sie sich nicht selbst belasten. Würde nun zum Beispiel Ex-FPÖ-Chef Strache in den U-Ausschuss geladen, könnte er zu den spannendsten Themen schweigen. Ebenso Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus oder auch Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger.
"Wir hätten, aus Rücksicht auf dieses Risiko, die betreffenden Personen erst gegen Ende des U-Auschusses befragt und uns da mit der Justiz abgestimmt, je nachdem, wie weit die Ermittlungen gediehen sind", erklärt Neos-Mandatarin Krisper. Jetzt fehle dafür der Spielraum.
8. Warum kommt nun der VfGH ins Spiel?
Nachdem ÖVP und Grüne einen großen Teil des "Verlangens" der Minderheit im Parlament für unzulässig erklärt haben, soll nun der Verfassungsgerichtshof entscheiden, ob dem tatsächlich so ist.
Nachträglich könnte der Untersuchungsgegenstand dann doch noch ausgeweitet werden.
Neos und SPÖ arbeiten gerade an ihrem Vorbringen, der VfGH muss per Gesetz dann "unverzüglich" entscheiden. Voraussichtlich dürfte das im Rahmen der Session im Februar bzw. März geschehen.
9. Wie schätzen Experten die Chancen ein?
Unterschiedlich.
Die ÖVP hat in dieser Sache ein Rechtsgutachten des Grazer Uni-Juristen Christoph Bezemek eingeholt. Dieser sagt, dass in der Erstversion nur lose miteinander verknüpfte Einzelvorgänge stünden, es fehle die inhaltliche Klammer.
Ähnlich sieht es übrigens ein Verfassungsjurist, den die Grünen um seine Einschätzung ersucht haben: Gerhard Baumgartner ist stellvertretender Vorstand des Instituts für Rechtswissenschaften in Klagenfurt. "Man hat versucht, mehrere Vorgänge, die voneinander zu trennen sind, unter einem Generalthema zusammenzufassen", erklärt er.
Laut Verfassung müsse der Untersuchungsgegenstand aber ein "bestimmter abgeschlossener Vorgang" sein. Mehrere Sachverhalte können daher nur untersucht werden, wenn ein ausreichender inhaltlicher Zusammenhang besteht.
"Aus meiner Sicht war das von der SPÖ und den Neos eingebrachte Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses jedenfalls zu weit formuliert", sagt Baumgartner.
Als "absurd" bezeichnen das Berater der Opposition wie Theo Öhlinger und Heinz Mayer. Der Antrag sei konkret genug gewesen, es drehe sich schließlich alles um die Frage, ob man sich in Österreich Gesetze oder Posten kaufen kann oder nicht.
Der Gang zum VfGH sei jedenfalls sinnvoll - da sind sich alle einig. Das Höchstgericht würde dann definieren, was geht bzw. was nicht - und damit für die Zukunft Rechtssicherheit schaffen.
10. Wie ist nun der Fahrplan für den U-Ausschuss?
In der Nacht auf den 23. Jänner fand die erste konstituierende Sitzung des U-Ausschusses mit seinen 13 Mitgliedern und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka als Vorsitzenden statt.
Dabei wurden bereits Akten aus den zuständigen Behörden bestellt, diese sollten bis 19. Februar (binnen der vierwöchigen Frist) geliefert werden. Als nächstes müssen Auskunftspersonen geladen werden.
Mit den ersten Sitzungen samt Befragungen rechnen die Neos dann Anfang April. Als Dauer peilt man vorerst ein Jahr an, der U-Ausschuss kann aber auch verlängert werden.
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