Schein-Argumente
Insbesondere Neos und SPÖ werfen der Kanzlerpartei vor, mit Scheinargumenten zu agieren. „Untersuchungsausschüsse werden in vielen Ländern der Welt live übertragen, da könnte man sich das natürlich abschauen“, sagte etwa Kai-Jan Krainer, Fraktionsführer der SPÖ am Sonntag im ORF. Und auch sein Pendant bei den Neos, Yannick Shetty, ist überzeugt, dass Live-Übertragungen des U-Ausschusses möglich sind, wenn die ÖVP es will. „Das ist keine Rocket-Science!“
Tatsächlich ist die Sachlage aber etwas komplexer als mancher zugeben will.
Derzeit laufen im Parlament Gespräche auf Referentenebene, sprich: die fachlichen Mitarbeiter der Abgeordneten verhandeln.
Und wie dem KURIER in mehreren Fraktionen bestätigt worden ist, sind sich derzeit alle Parlamentsparteien einig darüber, dass es bei Live-Übertragungen jedenfalls einen Filter braucht.
Was ist damit gemeint?
Technisch ist die Live-Übertragung aus dem U-Ausschuss relativ simpel: Man filmt die Sitzung und schickt das Signal nach draußen, um es über die Parlamentshomepage oder andere Kanäle zu streamen.
Dieses Live-Streamen birgt in Sachen Datenschutz und Persönlichkeitsrechte aber erhebliche Herausforderungen: Im U-Ausschuss werden nicht nur Politiker, sondern auch Privatpersonen, Beamte etc. befragt. Sie müssen die Wahrheit sagen, sind medial aber in keiner Weise geschult.
Das bedeutet: In der Hitze der Befragung können sie Informationen über sich oder Dritte preisgeben, die absolut nichts in der Öffentlichkeit zu suchen haben. Das beginnt bei Adressen und Telefonnummern, geht über private Begebenheiten und Verhältnisse und reicht bis hin zu möglichen Beleidigungen.
Klagbar
Derzeit besteht die Möglichkeit, höchst private oder klagbare Informationen aus dem Protokoll zu streichen oder zu anonymisieren.
Bei einer Live-Übertragung kann aber nichts zurückgenommen werden. Und hier stellt sich die Frage: Wer haftet dafür, wenn eine Auskunftsperson (klagbare) Geheimnisse ausplaudert?
Die SPÖ will die Entscheidung den Medienhäusern überlassen – sie könnten entscheiden, was sie wann und wie streamen, wer anonymisiert wird etc.
Doch auch hier stellt sich die Frage: Was passiert, wenn eine Auskunftsperson im Live-Stream eines Mediums unter Wahrheitspflicht Dinge erzählt, die er oder sie nicht erzählen darf? Wer übernimmt die Verantwortung?
Die Antwort darauf zieht sich. Und nach derzeitigem Stand wird das Problem erst der nächste Nationalrat lösen. „Bis zum Sommer schaffen wir das nicht“, sagt ein Klubmitarbeiter zum KURIER. Und auch Mandatar Krainer erklärte am Sonntag, dass es bis zur nächsten Wahl wohl keine Live-Übertragung geben wird.
Kommentare