Tunesien: Außergewöhnliche Wahl an historischem Jahrestag
Es war der 17. Dezember 2010: Aus Frust über die lähmenden Schikanen des Regimes übergießt sich der 27-jährige tunesische Gemüsehändler Mohamed Bouazizi mit Benzin und zündet sich selbst an. Er stößt damit die Ereignisse des Arabischen Frühlings an, die die autoritären Regenten in seiner Heimat, aber auch in Ägypten und Libyen binnen Jahresfrist hinwegfegen.
Zwölf Jahre später, exakt an diesem Tag, setzte der tunesische Präsident Kais Saied Wahlen für ein neues Parlament an, das freilich nach seiner Verfassungsänderung, die ganz auf den 64-Jährigen zugeschnitten ist, kaum noch Befugnisse hat. Daher hatten die größeren Parteien zum Boykott des Urnenganges aufgerufen – tatsächlich war die Beteiligung sehr gering: Gerade mal 8,8 Prozent gingen zur Urne.
Allerdings durften klassische Parteien ohnehin nicht antreten. Nur individuelle Kandidaten waren zugelassen. Diese durften sich aber von keiner Partei unterstützen lassen – Saied bezichtigt die politischen Zusammenschlüsse durch die Bank der Korruption. Um sich als Bewerber für einen Sitz in dem 161 Mandatare umfassenden Parlament registrieren lassen zu können, benötigte man mindestens 400 Unterschriften, davon mindestens 200 von Frauen und 100 von Unter-35-Jährigen. Laut neuer Verfassung müssen sich die so gewählten Volksvertreter nach einem Jahr abermals in ihrem Wahlkreis einem Votum stellen und können wieder abgesetzt werden.
Der Jus-Professor Saied, der vor drei Jahren überraschend zum Staatschef gewählt worden war, hat das Grundgesetz zu seinen Gunsten umformuliert. Jetzt kann er sogar den Ministerpräsidenten, die weiteren Kabinettsmitglieder, aber auch Richter selbst bestimmen.
Die Chefin der Partei Destour, Abir Moussi, dazu: „Das neue Parlament wird nur dazu dienen, dem Putsch von Kais Saied einen legitimen Anspruch zu geben.“
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