Schwerpunkte: Was die türkis-rot-pinke Regierung vorhat

Die ÖVP, die Partei für Wirtschaft und Wachstum. Die SPÖ, die gegen die Teuerung kämpft. Die Neos, die bereit sind für mutige Reformen, die noch niemand wagte.
Aber finden sich diese Wahlversprechen auch im Programm der Dreierkoalition, das am Donnerstag präsentiert wurde, auch wieder? Und wie begegnet sie langfristig den Herausforderungen, mit denen die breite Bevölkerung konfrontiert ist?
Der KURIER hat im 211-seitigen Programm nachgelesen und mit Experten gesprochen.
Wirtschaft: Kann’s nur besser werden?
„Die österreichische Wirtschaft befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation. Die Industrie steht vor vielfältigen Herausforderungen. Die schwache internationale Konjunktur, der Strukturwandel in der EU-Automobilindustrie und die hohen Energie- und Lohnkosten setzen den exponierten Branchen stark zu“, begann die Nationalbank ihr Fazit zur Wirtschaftsprognose im Dezember. Immerhin gehen die Nationalbanker in diesem Jahr von einem winzigen Wachstum von 0,8 Prozent aus.
Diese großen Unsicherheiten national und international wirken sich augenscheinlich auch auf die Sparquote aus: Vom Lohnplus zuletzt aufgrund der hohen Inflation und der hohen Kollektivvertragsabschlüsse haben die Haushalte um rund 6,9 Milliarden Euro mehr im Börsel. Doch zum Leidwesen der Wirtschaft und des Handels wurden davon 6,7 Milliarden Euro gespart statt ausgegeben.
Wie will die Regierung da rauskommen?
Erstens durch Optimismus, damit die Sparquote sinkt und der Handel wieder florieren kann. Und zweitens – etwas überraschend – mit Merz: Der wahrscheinliche neue deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat bereits klar gemacht, in Brüssel die Bremsen für Wirtschaft und Industrie so rasch wie möglich lösen zu wollen, und Österreich will da ein starker Mitstreiter sein.
Gleich 37 Mal verweist das Koalitionsabkommen auf Maßnahmen auf „europäischer Ebene“. So soll etwa der Strompreis massiv reduziert werden, um international wieder wettbewerbsfähig produzieren zu können.
Ideen gibt’s im Regierungsprogramm zwar viele, doch noch steht alles unter „Budgetvorbehalt“ – denn die Republik muss zuerst irgendwie Einsparungen in Höhe von 15 Milliarden Euro für 2025 und 2026 stemmen.
Teuerung: Wirkt die Mietbremse?
Fürs Thema Wohnen richtet die neue Regierung sogar ein eigenes Ressort beim künftigen Vizekanzler Andreas Babler ein. Gemäß seines Wahlversprechens will der SPÖ-Chef ordentlich entlasten. Ob das gelingt, darüber scheiden sich die Geister.
Freuen dürfen sich vorerst nur Mieter von Altbauten (Kategorie-, Richtwert- und Mieten im gemeinnützigen Wohnbau): Heuer dürfen die Mieten nicht erhöht werden, 2026 um maximal ein Prozent, 2027 um zwei. Ab 2028 soll dann für alle – auch für Neubauten – ein neuer Index eingeführt werden. Ab einer Inflation von drei Prozent sollen sich Mieter und Vermieter die Erhöhung aufteilen, so der Plan.
Elke Hanel-Torsch, Chefin der Mietervereinigung und SPÖ-Mandatarin, ist nur bedingt zufrieden. Die Unterscheidung zwischen Alt- und Neubau ergebe keinen Sinn. „Deshalb lautet unsere Forderung seit Langem, ein Mietrecht für alle zu schaffen.“ Was sie der Koalition zugute hält: „Es ist ein guter Kompromiss dreier Parteien, die Entwicklung geht in die richtige Richtung.“ Für Zeiten einer neuen Hochinflation sei damit vorgesorgt.
Genau deshalb bezweifelt Wifo-Ökonom Michael Klien auch den Effekt: Eine solche Phase sei in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Im Idealfall liegt die Teuerung bei zwei Prozent, derzeit sind es rund drei.
Der Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) lehnt die Maßnahme ab. Die Botschaft an die Branche laute: „Investieren Sie keinesfalls in mietgeschützte Objekte, dort sind Sie in Geiselhaft der Politik.“ Zudem werde die Lust auf Investitionen in Qualität und Ökologie gebremst, Bau- und Baunebengewerbe würden weniger Sanierungsaufträge erhalten.
Die Maßnahme betreffe hauptsächlich Wien mit seinen vielen Altbauten, wird noch angemerkt: „Im Vorfeld des Landtagswahlkampfs überrascht dies wenig.“
Pensionsreform: Immerhin erste Schritte
Die Erwartungen an die Neos als einzige Partei, die sich beim heiklen Thema Pensionen überhaupt je getraut hat, Einschnitte zu fordern, waren hoch. Am Ende der Verhandlungen hat Parteichefin Beate Meinl-Reisinger vorzuweisen: „Wenigstens passiert ein wenig.“
So wird beispielsweise der Zugang zur klassischen Frühpension schrittweise ab 2026 etwas schwieriger. Korridorpensionen sollen erst nach 42 Versicherungsjahren und ab einem Alter von 63 möglich sein. Zudem soll eine „Teilpension“ als Ergänzung zur Altersteilzeit eingeführt werden.
„Hierbei wird ein Teil des Pensionskontos geschlossen, um den Einkommensausfall durch die Stundenreduktion auszugleichen“, erklärt die Agenda Austria. Die Altersteilzeit soll künftig nur noch in Anspruch genommen werden, bis eine Teilpension möglich ist oder ohnehin schon Pensionsanspruch besteht.
Was allen Experten – vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria bis hin zu Experten wie Wolfgang Mazal und IHS-Chef Holger Bonin – fehlt: die Anhebung des gesetzlichen Mindestpensionsalters. Bonin erkennt an, dass die Koalition bei der Pensionsreform „immerhin erste Schritte gemacht“ habe, es fehle aber der „Mut für eine langfristige Perspektive“.
Mazal vermisst den „Willen zu einer rasch wirksamen Lösung“. Zwar wird ein „Nachhaltigkeitsmodus“ eingeführt, wonach ab 2030 verpflichtende Gegenmaßnahmen kommen, wenn der Budgetpfad nicht hält, „aber wenn man 2030 das Pensionsalter anhebt, dann wird dies erst 2035 wirksam“.
Dass die Koalition mit einem „Maßnahmenmix“ wirbt, der Menschen länger im Erwerbsleben halten soll, sei „zweifellos sinnvoll“, mit der nötigen Pensionsreform habe das aber nichts zu tun.
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