Trump-Effekt bei Hofburg-Wahl?

Wer am 4. Dezember zum Präsidenten gewählt wird, ist offen.
Drei Wochen vor dem vierten Anlauf für eine Entscheidung ist der Ausgang der Wahl total offen.

Man sollte glauben, das Rennen ist gelaufen: Die Kandidaten sind sattsam bekannt, die Wahlgänge analysiert, der Zuspruch für Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer kann sich nur noch marginal ändern. Und doch lässt sich drei Wochen vor der Hofburg-Stichwahl nicht sagen, wer Heinz Fischer als Bundespräsident nachfolgen wird.

Wie sehr Prognostiker ins Kreuzfeuer der Kritik geraten können, haben ein fälschlich angenommenes "Remain" beim Brexit und der Sieg Donald Trumps bewiesen. 2016 geht als schwarzes Jahr in die Geschichte der Demoskopie ein. Noch am Wahltag legten die gemeinhin verlässlichen Nachwahlbefragungen von 40 Millionen "Early Voters" nahe, dass Hillary Clinton erste Präsidentin der USA wird.

Auch die Hofburg-Gleichung hat etliche Unbekannte: Die Wahlbeteiligung am 4. Dezember; die Anzahl der Unentschlossenen; der Abstand zwischen Van der Bellen und Hofer in der statistischen Schwankungsbreite von nur zwei, drei Prozentpunkte. Wie die längste Zeit auch zwischen Clinton und Trump, bis u. a. klar wurde, dass die Wahlbeteiligung der "zornigen weißen Männer" unterschätzt worden war.

Schwache Bekennerrate

Polit-Professor Peter Filzmaier, der Trumps Triumph in den USA mitverfolgte, sagt: "Wir müssen uns von der Sehnsucht nach der unfehlbaren Kristallkugel verabschieden." Oft werde etwa über die Stichprobengröße debattiert, doch der Experte hält dagegen: "Es gibt nichts Seriöseres als die Vollerhebung bei der ersten Stichwahl am 22. Mai unter 6,4 Millionen Wahlberechtigten. Das Ergebnis war ein 50 zu 50. Genauer lässt es sich auch jetzt nicht sagen." Filzmaiers Nachsatz: "Aber man weiß in einer Demokratie nie, wie die Wahl ausgeht, und das ist gut so."

US-Institute hätten, was Trump angeht, von Österreich lernen können, sagt OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. Man habe dank der FPÖ 30 Jahre Erfahrung mit der "Unterdeklaration" blauer Wähler. Britische Wahlforscher nennen das Phänomen, dass sich Rechte weniger oft outen, den "Tory-shy-away-Effekt". Menschen, die sozial eher unerwünschte Ansichten vertreten, etwa gegen Ausländer, flüchten sich bei Umfragen öfter in Ausweichantworten wie: "Ich bin mir nicht sicher." Diese Stimmen dennoch korrekt zuzuordnen, ist die große Kunst.

31.026 Stimmen mehr für VdB

Zuletzt haben sich FPÖ-Anhänger stets offener deklariert, die Prognosegenauigkeit müsste steigen. Bachmayer will vor dem 4. Dezember dennoch keine Umfrage mehr veröffentlichen, weil "es einfach zu knapp ist". Er will sich weder vorwerfen lassen, das Wahlverhalten mit beeinflusst zu haben, noch sich Spott und Häme aussetzen, wenn OGM auch nur knapp daneben liegen sollte. Auch Bachmayer hadert mit der Kristallkugel: "Leider Gottes zählt immer nur das Ergebnis."

Und auch die Ergebnisse schwanken je nach Gesamtumfeld massiv: 35 Prozent wurden es im ersten Wahlgang am 24. April für den Blauen, 21 Prozent für VdB.

586.753 Stimmen lagen damals noch zwischen Hofer und Van der Bellen – zugunsten des FPÖ-Kandidaten. Nur einen Monat später, bei der Stichwahl am 22. Mai, waren es nur noch 31.026 Stimmen – jedoch lag der Ex-Chef der Grünen vorne.

Vergleichbarkeit eingeschränkt

Dieser Stand ist nahezu unverändert, sagt Günther Ogris von Sora. Er wagt derzeit ebenso keine Prognose über den nächsten Bundespräsidenten. Fast scheint es so, als ob die Experten ihren eigenen Modellen nicht mehr trauen. Eines steht für Filzmaier fest: "Auch wenn jetzt angeblich der Rückenwind aus den USA – entweder für VdB oder für Hofer – bläst, die Vergleichbarkeit ist doch sehr eingeschränkt. Der Herr Professor kann nicht Clinton sein wollen und Hofer ist das genaue Gegenteil vom Anti-Politik- und Anti-Partei-Kandidaten Trump."

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