Triumph für Mikl-Leitner: ÖVP hält die Absolute

Siegerkuss: Johanna Mikl-Leitner schaffte ein Fabel-Ergebnis
Wer Zusammenarbeit will, der wird gewählt. Die Rechnung der Landeshauptfrau ging auf. Die ÖVP holte in ihrem Kernland knapp 50 Prozent der Stimmen.

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt: Der Wahlsonntag in Niederösterreich endete mit einem Triumph von ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Ihre Gegner verfehlten damit ihr gemeinsam gestecktes Wahlziel, diese Mehrheit zu brechen.

Die ÖVP erhielt laut vorläufigen Endergebnis 49,64 Prozent. Das bedeutet eine absolute Mehrheit in Landtagsmandaten (29 von 56) und eine klare Mehrheit in der Landesregierung (6 von 9). Weit dahinter folgt auf Platz zwei die SPÖ (23,9 Prozent), die von ihrem bisher schlechtesten Ergebnis um zwei Prozent zulegen konnte. Die FPÖ (14,8 Prozent) konnte sich von der Mandatszahl auf acht verdoppeln. Doch der erhoffte, große Durchmarsch in Richtung 20 Prozent fand für den umstrittenen freiheitlichen Spitzenkandidaten Udo Landbauer nicht statt.

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Die Grünen haben ihre "Schicksalswahl" in Niederösterreich mit Verlusten beendet. Aber mit 6,4 Prozent konnte der Einzug in den Landtag klar geschafft werden. Erfolgreich gingen laut dem Endergebnis die Neos (5,2 Prozent) durchs Ziel. Sie schafften erstmals den Einzug in das Landesparlament.

Sensation mit FPÖ-Hilfe

Warum der Wahlsonntag ganz anders ausging – die KURIER-OGM-Umfrage sah die ÖVP vor zwei Wochen bei 45 und die FPÖ bei 19 Prozent – begründete OGM-Chef Wolfgang Bachmayer mit der Nazi-Liedbuch-Affäre (siehe auch Seite 4). "Die hat eindeutig zu einer Wählerverschiebung von Blau zu Schwarz geführt", sieht Bachmayer einen Hauptgrund für den Höhenflug Mikl-Leitners. Dabei hatte ihr noch vor Kurzem kaum ein Experte zugetraut, sich mit dem Pröll-Ergebnis von 2013 zu messen.

Triumph für Mikl-Leitner: ÖVP hält die Absolute
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Und Mikl-Leitner selbst war es, die die Erwartungen ihrer Partei ordentlich nach unten geschraubt hatte. "Die Zeiten absoluter Mehrheiten sind vorbei", ließ sie erstmals im KURIER-Interview am 5. Jänner wissen. Das sorgte intern aber nicht für viel Gesprächsstoff. Denn auch Mikl-Leitners Mentor, Erwin Pröll, gelang eine Absolute erst 2003, also im dritten Anlauf.

Für Bachmayer gab es neben der Nazi-Liedbuch-Affäre, wo sich Mikl-Leitner am Tag vor der Wahl mit großer Ablehnung distanzierte, noch andere Erfolgsfaktoren. Da war der "perfekt inszenierte Wahlkampf" ihrer Partei, die die richtige Mischung zwischen einem "weichen und harten Erscheinungsbild" der Spitzenkandidatin gefunden habe, sagt der OGM–Chef.

Weich erschien Mikl-Leitner auf den Plakaten mit Slogans wie "Mutterland" bis zur Ansage, mit allen Parteien "zusammenarbeiten zu wollen". Aber auch ihre helle Garderobe habe dieses Erscheinungsbild verfestigt. Hart blieb sie in der Sache der Flüchtlinge: "Ein Rest-Image der Innenministerin", sagt Bachmayer. Und im Hintergrund spulte die Parteiorganisation der ÖVP einen straffen Wahlkampf ab.

Der Mikl-Leitner-Faktor war an diesem Tag ein wesentliches Wahlmotiv. Laut der ATV-Wahltagsbefragung machten immerhin 37 Prozent wegen der Landeshauptfrau ihr Kreuzerl bei der ÖVP.

>>Niederösterreich hat gewählt: Die Ergebnisse

Die Partei dürfte dies rechtzeitig erkannt haben. Vor gut einem halben Jahr wurde in der ÖVP noch überlegt, den Wahlkampf nicht so sehr auf die Landeshauptfrau zuzuspitzen. Doch mit jedem Monat stiegen die Persönlichkeitswerte der früheren Innenministerin, die den Imagewandel zur Landesmutter geschafft hat.

Auch gelang es Mikl-Leitner, politisch unfallfrei durch die Vorwahlkampfphase zu kommen. Und schließlich war es auch ein Wahlkampf, in dem der Schatten Erwin Prölls abgelegt wurde. ÖVP-Strategie war es, möglichst wenig Anknüpfungspunkte zum einst übermächtigen Alt-Landeschef zuzulassen. Mögliche Fallstricke für Mikl-Leitner, wie die Debatte um die Pröll-Stiftung, wurden rasch beseitigt.

Der Plan ging auf. Laut einer Wahltagsbefragung vermissten am Sonntag nur noch elf Prozent den einstigen Dominator der Landespolitik sehr.

Ausgestreckte Hand

Zur Landesmutter, die sich um Niederösterreich kümmert, wurde Mikl-Leitner mit einem ungewöhnlichen Wahlkampf-Coup. Sie strecke die Hand zur Zusammenarbeit aus, überraschte sie Freund und Feind. Ihren Gegnern nahm sie damit viel Wind aus den Segeln. Erst als die Affäre um das Nazi-Liedbuch der Germania von Udo Landbauer dem Höhepunkt zusteuerte, wich die ÖVP–Chefin von ihrer Linie ab. Wer Niederösterreich schadet, mit dem könne sie nicht zusammenarbeiten, sagte sie am Samstag. Das könnten die letzten Stimmen für die absolute Mehrheit gewesen sein, glauben Insider.

Auch am Wahlsonntag streckte sie ihre Hand nicht in Richtung Landbauer aus. Mit dem Wahlergebnis im Rücken fiel das Mikl-Leitner nicht so schwer.

Auch wenn laut Wahltagsbefragungen eine Mehrheit für eine schwarz-blaue Zusammenarbeit ist, ist Mikl-Leitner nicht mehr darauf angewiesen. Wie sie jetzt ihren Plan der Zusammenarbeit umsetzen will, ist ebenfalls noch unklar. Offen war am Sonntag auch, ob die FPÖ Landbauer in die nö. Landesregierung entsendet.

Für OGM-Chef Bachmayer ist die Nazi-Liedbuch-Affäre nicht beendet. Türkis-Blau müssten im Hinblick auf die nächsten Landtagswahlen an einer klaren Lösung interessiert sein, sagt er.

Das ÖVP-Lager feierte den Erfolg euphorisch. Zu den ersten Gratulanten gehörte ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er war nach St. Pölten geeilt, um mit der Landeschefin auf die erste Hochrechnung zu warten. Danach sagte er: "Ich gratuliere Hanni Mikl-Leitner von Herzen. Es ist unglaublich, was ihr gelungen ist. Ich wünsche alles Gute für die weitere Arbeit in Niederösterreich." Lob für die Wahlsiegerin kam von ihrem Mentor Erwin Pröll: "Es war ein bravouröser, fehlerfreier Wahlkampf."

Verhaltener fiel die Freude bei den anderen Parteien aus. Die SPÖ hatte sich insgeheim ein deutlicheres Plus erwartet, das galt ebenso für die Freiheitlichen. Laut OGM-Chef Bachmayer werden sich beide Parteien jetzt hinter verschlossenen Türen die Frage stellen, ob nicht mehr drinnen gewesen wäre.

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