"Ewigkeits-Chemikalien" in Österreichs Trinkwasser: Wie gefährlich sie sind
Österreich ist eines der Länder mit der höchsten Trinkwasserqualität – doch auch hierzulande ist die wertvolle Ressource immer mehr mit Schadstoffen und Chemikalien belastet. Die Chemikalie TFA wurde bereits in Flüssen und Seen in Europa nachgewiesen und ist dort der häufigste und größte vom Menschen verursachte Schadstoff. Jetzt wurde die Ewigkeits-Chemikalie auch in vergleichsweisen hohen Mengen im Trinkwasser gefunden.
Intensive Landwirtschaft als Faktor
Am Mittwoch präsentierten Global 2000 und das Pesticide Action Network Europe (PAN) die Ergebnisse eines EU-weiten Trinkwassertests: Dabei wurden Trinkwasserproben und Mineralwässer auf die Belastung durch die Ewigkeits-Chemikalie TFA untersucht, darunter auch österreichisches Leitungswasser aus allen Bundesländern.
In 34 von 36 Leitungswasserproben aus elf EU-Ländern und in 12 von 19 abgefüllten Mineral- und Quellwässern wurde TFA nachgewiesen.
Am stärksten belastet waren Wasserproben aus Oberösterreich, am niedrigsten in Tirol, gefolgt von Wien. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen auch: Es gibt eine Tendenz zu höheren TFA-Belastungen in Regionen mit intensiver Landwirtschaft, die sich in den Trinkwasserproben zu bestätigen scheint.
Der Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden sagt dazu: "Pestizide sind der Hauptgrund für das Eintreten von TFA ins Grundwasser. Und das passt sehr gut zu Zahlen, die es aus Deutschland bereits gibt.
TFA (Trifluoracetat) ist ein Abbauprodukt von Pestiziden der Chemikaliengruppe PFAS (kurz für: Per-und Polyfluorierte Alkylsubstanzen) - chemisch hergestellte Verbindungen mit extrem stabilen Kohlenstoff-Fluor-Bindungen.
Warum Ewigkeits-Chemikalien ein Problem sind
- Als Ewigkeits-Chemikalien werden PFAS bezeichnet, weil sie zu den stabilsten Verbindungen überhaupt gehören: Sie sind nicht biologisch abbaubar, man kann sie weder herausfiltern noch zerstören. Sogar in den entlegensten Regionen der Welt wurden diese Chemikalien bereits nachgewiesen.
- PFAS sind in vielen Konsumgütern enthalten, die wir täglich verwenden: etwa in Antihaftbeschichtungen von Backformen, der Imprägnierung von Outdoor-Bekleidung und in Skiwachs. Aber auch Pestizide, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, enthalten PFAS.
- Die Chemikalien gelangen in Böden, ins Grundwasser und in unsere Nahrung. Mittlerweile gibt es über 10.000 der Substanzen und die Belastung der Umwelt durch die Schadstoffe nimmt immer weiter zu.
- PFAS-Pestizide sind die Hauptquelle für die Kontamination mit TFA im Grund- und Oberflächenwasser, gefolgt von Kühlmitteln (F-Gase).
- Wie PFAS auf unsere Gesundheit wirken, ist nur von einem kleinen Teil der Stoffe bekannt. Bestimmte PFAS können aber die Leber, das Hormon- und Immunsystem und den Fettstoffwechsel stören, die Fruchtbarkeit verringern oder krebserregend sein.
Sicheres Trinkwasser?
Für Verbraucherinnen und Verbraucher stellt sich daher unweigerlich die Frage, wie der Schadstoff TFA auf die menschliche Gesundheit wirkt. Was bedeutet es, dass nicht nur Flüsse und Seen, sondern sogar das Trinkwasser damit belastet sind?
Die Frage ist weder leicht noch eindeutig zu beantworten. Zu den Umweltauswirkungen und zur Toxizität von TFA, also der schädlichen Wirkung auf Organismen, gibt es noch wenig Forschung. Wie groß das tatsächliche Gesundheitsrisiko ist, das von TFA-Belastungen im Trinkwasser ausgeht, lässt sich aktuell also noch schwer abschätzen.
Global 2000 weist darauf hin, dass auch andere Chemikalien zunächst als sicher galten und erst später als gefährlich und gesundheitsschädlich eingestuft wurden – etwa FCKW, das erheblichen Anteil an der Zerstörung der Ozonschicht hatte.
Bei einer von der Industrie durchgeführten Studie zu TFA wurden bei Kaninchen Missbildungen festgestellt. Untersuchungen zeigen ähnliche Auswirkungen von TFA wie bei besser untersuchten PFAS, allerdings bei wesentlich höheren Konzentrationen.
Rechtliche Einstufung ein „politisches Versagen“
Obwohl TFA für die größte Verunreinigung durch menschlich hergestellte Chemikalien verantwortlich ist, wird der Stoff in vielen Ländern der EU nicht oder kaum überwacht. Es gibt in der EU aktuell keinen gesetzlichen Grenzwert für TFA in Oberflächen,- Grund,- oder Trinkwasser. In der Wasserrahmenrichtlinie oder Grundwasserrichtlinie ist es nicht als prioritärer Stoff angeführt. Aus Sicht der EU ist TFA eine „unsichtbare Chemikalie“, heißt es im Bericht von Global 2000 über die europäische Wassergesetzgebung.
Dass TFA in der Pestizidverordnung der EU als „nicht relevanter“ Metabolit eingestuft wird, ist für Global 2000 ein „kollektives politisches Versagen“. 2026 soll aber ein Standardgrenzwert für PFAS insgesamt in Kraft treten. "Momentan wird TFA im Oberflächen- und Grundwasser nicht überwacht. Die EU hat aber aktuell die Chance das zu ändern, indem ein PFAS-Standard eingeführt wird, der TFA auch umfasst", sagt Sara Johansson vom European Environmental Bureau (EEB).
Verbot von PFAS-Pestiziden gefordert
Damit auch noch in fünfzig Jahren das Leitungswasser in Europa ohne Gefahr getrunken werden kann, müsse schnell reagiert werden, fordert Global 2000. Dazu gehöre für die Umweltschutzorganisation unter anderem ein sofortiges Verbot von PFAS-Pestiziden und F-Gasen. Außerdem müsse ein Grenzwert für sicheres Trinkwasser für TFA auf EU-Ebene festgelegt werden.
Landwirte sollten dabei unterstützt werden, PFAS-Pestizide durch andere Formen des Pflanzenschutzes zu ersetzen: "Denn unsere Bauern wissen meist gar nicht, dass sie Ewigkeits-Chemikalien auf ihre Felder sprühen. Das steht ja nicht auf dem Beipackzettel", so Burtscher-Schaden. In Österreich startet die Umweltschutzorganisation eine Petition: "Wir fordern die Landeshauptleute auf, schnell Anwendungsverbote von PFAS-Pestiziden auszusprechen", so der Umweltchemiker.
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