Kickl mit 88,24 Prozent zum FPÖ-Obmann gewählt
Die Delegierten des blauen Bundesparteitages haben Herbert Kickl mit 88,24 Prozent der Stimmen als Obmann bestätigt. Das liegt leicht unter den Erwartungen von Partei-Insidern und stark unter den Werten, die Kickls Vorgänger Norbert Hofer und Heinz-Christian Strache (jeweils rund 98 Prozent) erreicht hatten.
Kickl gibt sich zuvor "gerührt" und ist in seinem Element. Nach Stunden der Reden ist der "brillanteste Redner des Parlaments" (Salzburgs FPÖ-Chefin Marlene Svazek) um 13h20 an der Reihe. Ehe er zum 12. FPÖ-Parteiobmann gewählt wird. Er will ein "neues Kapitel der freiheitlichen Erfolgsgeschichte" schreiben. Kritik gehöre dazu. "Wir sind eine lebendige Partei. Ich will ja kein Nachlassverwalter sein. Das werden wir zusammenbringen - vom heutigen Tag an in allen Lebensbereichen des Landes".
"Türkise Wimmerl"
Es gehe um "die innerparteiliche Freiheit", sagt Kickl. Dann dreht er auf. Betreffend Lautstärke und Inhalt. "Ich sehe ihn schon zappeln mit seinen Fusserln, den Wöginger", schreit Kickl förmlich und meint damit ÖVP-Klubchef August Wöginger, den er vor dem Live-Stream des Parteitags wähnt."
Rede von Herbert Kickl
Die Delegierten quittieren es mit tosendem Applaus. Dann schießt sich Herbert Kickl in der Arena Nova gleich im Nationalrat auf die ÖVP ein. Spricht von einem "türkisen Wimmerl". Die SPÖ gebe es nur in der "pannonischen Tiefebene. Es ist sehr vielsagend, wenn man eine Pamela-Joy nimmt, wenn man einen Hans Peter" haben kann - und repliziert damit auf Burgendlands SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil und Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Die SPÖ sei ein "Verein zur Gesellschaftstherapie" geworden.
Rede von Norbert Hofer
Regierungskomplizen SPÖ und VdB
Die SPÖ sei zum Regierungskomplizen geworden. Selbiges gelte, so Kickl, für Alexander Van der Bellen. Die "einzigen öffentlichen Auftritte des Bundespräsidenten sind die Gassigehrunden mit seinem Hund".
Die größte Sternstunde der Partei sei sicher, so Kickl, die Bundespräsidentschaftskandidatur von Norbert Hofer gewesen. Kickl verspricht seinem Vorgänger eine "Ehrerbietung im Finale" zu erweisen. Kickl schickt das voraus, weil er da und dort "mieselsüchtige Schreiber" seitens der Medien vermutet.
Herbert Kickl will ein "primus inter pares" sein, ein "Kapitän. Ich werde führen, weil es notwendig sein wird. Aber führen durch zulassen." Und: "Wenn ich nur halb so bös oder wild wäre, dann wäre meine Frau schon längst davon gelaufen und meine Mitarbeiter in Scharen. Das Gegenteil ist der Fall."
"Einfache Leute sind einfach, aber sie sind nicht dumm"
Dann wird es "persönlich. Ich komme aus kleinen Verhältnissen. Ich bin aufgewachsen in einer Arbeitersiedlung in Radenthein", mimt Herbert Kickl kurz den Erzähler seiner eigenen Lebensgeschichte, um gleich darauf zum Ideologen zu werden. Ein Satz, den sich die Zuhörer merken mögen, lautet: "Einfache Leute sind einfach, aber sie sind nicht dumm. Das hat mich meine Kindheit und Jugend gelehrt."
Das Feindbild ist und bleibt der ehemalige Koalitionspartner. "Hinterfotzig" sei die ÖVP, "eine Bagage", die Chats "abscheulich". Der Weg des derzeitigen Bundeskanzler sei vom "Geilomobil zum Egomobil".
Applaus folgt wieder der Erzähler Kickl. Den Verlust von Arbeit, den kenne er aus den Erfahrungen seiner Kindheit. Das werde als Erinnerung niemals "ausgelöscht". Von den Großeltern habe er gelernt, dass es im Leben um "Zufriedenheit" und um "Bodenhaftung" gehe.
Kickl und seine Großmutter
"Bua, merk Dir eines: Unten am Boden stehen wir alle an. Und oben keiner von uns", zitiert Kickl seine Großmutter. Es gehe um das notwendige Maß und um Demut. "Mir ist Gottvertrauen wert, weil es mir sagt, dass ich selbst nicht die letzte Instanz bin." Der Mensch neige andernfalls, sich einen Freifahrtsschein auszustellen.
"Zugekiffte Grüne" und "Lüstlinge der Macht"
"Teflon gehört in die Bratpfanne und nicht ins Bundeskanzleramt", wird Kickl nicht müde, der ÖVP eine Breitseite nach der anderen zu verpassen. Ibiza nennt er nicht beim Namen, sondern "einen Betriebsunfall", die FPÖ müsse ein Gegenmodell werden zur ÖVP, "den Lüstlingen der Macht".
Die Grünen seien "zugekifft und zugedröhnt", weil sie an der Macht geschuppert haben. Sie seien "so zugedröhnt, dass sie nicht wissen, dass man ihnen das Rückgrat entfernt hat". Er spricht von einer "grünen Tuchent von türkisen Schweinereien". Macht sei ein Mittel, um unsere Heimat zu bewahren, Sicherheit zu erhalten, Arbeit zu schaffen.
Strenger Lehrmeister Haider - "bel etage" statt "die da oben"
Nach dem Skandieren wechselt Kickl wieder den Ton und die Tonalität. Er sei fast 25 Jahre in der Politik, habe früher Zetteln verteilt, dann geschrieben. Erst Reden geschrieben, sie dann später selbst gehalten. Dann erwähnt Kickl seinen "sehr strenger Lehrmeister. Ein gewisser Jörg Haider". Unendlich dankbar sei er für die "Lehrjahre bei Jörg Haider. Er hat immer ein paar Grundsätze formuliert, die ich Euch nicht vorenthalten lassen will.: Je schlechter die Medien und die Presse berichten, umso besser ist die Politik, die wir machen."
Für Herbert Kickl kann der Wind, den er vom Bergsteigen kennt, nicht stark genug sein. Dann sei die Stimmung am schönsten. Die FPÖ müsse sich nicht neu erfinden.
"Ich bin ein ideologischer Parteiobmann, gerne auch rechts"
Rechts sei "normal", skandiert Kickl. "Wir führen einen Kampf der Worte. Wir lassen uns nicht den Mund verbieten", spricht Kickl auf politisch korrekte Sprache an und verwehrt sich dieser. Die FPÖ sei das "letzte Bollwerk" und "einem Gralshüter gleich", wenn es um die Freiheit gehe. "1848 ist hier und heute", sagt Kickl und erntet dafür Applaus.
"Liebe Freunde, wenn wir nicht gegen Entrechtung, Entwürdigung und Entmenschlichung antreten, und gegen die Übergriffe des sich totalitär gebärdenden Staates" vorgehen, dann werde es im Herbst zu neuen Maßnahmen kommen, so Kickl.
"Gesundheitskommunismus folgt Ökokommunismus"
Dem "Gesundheitskommunismus" folge der "Ökokommunismus", ist er sich sicher. Dagegen müsse die FPÖ vorgehen. Dem "Corona-Wahnsinn" müsse Einhalt geboten werden. Er sei auch bereit, wieder bei einer Corona-Demo mitzugehen; es müsse aber nicht jeden Tag sein. "Lassen wir uns nicht einreden, dass ein Ausnahmezustand als normal dargestellt wird."
Aus 3-G (geimpft, getestet, genesen) muss ein G werden, so Kickl, nämlich: "gestrichen. Einen Sommer wie damals gibt es nur bei Radelberger." Dann folgt ein Zitat dem nächsten. "Für mich ist der grüne Pass wie eine elektronische Fußfessel."
Was Kickl mit Kanzler Kurz gemein hat
Eine Gemeinsamkeit macht Kickl zwischen sich und Bundeskanzler Sebastian Kurz aus. Beide haben ein abgebrochenes Studium. Kickl habe aus dem Philosophie-Studium die Liebe zur Freiheit mitgenommen, Sebastian Kurz aus seinem Jus-Studium den Hass auf die Justiz.
Er will einer freiheitlichen Partei vorstehen, die "ein Schutzpatron der Österreicher" ist. Er will "eine Heimat haben, wo wir uns nicht erklären müssen, wo wir uns nicht rechtfertigen müssen, was wir tun, Sitten und Gebräuche sind. Heimatrecht ist Bürgerrecht. Asyl ist eine Bringschuld."
Nach knapp einer Stunde spricht Herbert Kickl von einem "Bollwerk" der Gerechtigkeit. "Auch der Leistungsgerechtigkeit und der Staat gefälligst seine Griffel herausnimmt, um nicht Arbeiter zu bestrafen, wenn sie fleißig und tüchtig sind."
"Wir werden die Pläne der Regierung durchkreuzen"
Wer wird die Krise bezahlen, fragt Kickl sich selbst und in die Arena Nova. "Es wird die Kleinen, den Mittelstand treffen und aufs Eigentum gehen." Es sei geboten, so der künftige FPÖ-Chef, die Pläne der Regierung zu durchkreuzen. Es gehe um gerechte Standortpolitik, "runter mit den Kosten auf den Faktor" Arbeit".
Gen Ende seiner über einstündigen Rede beginnt Herbert Kickl wieder von seinem Vorgänger zu sprechen. Norbert Hofer hat "großartige Arbeit als Fachminister" geleistet. Weder er noch Hofer seien der Grund gewesen, warum die FPÖ nicht mehr in der Regierung ist. "Ibiza" oder "Strache" bleiben ungenannt. Kickl schwört seinen Vorgänger auf die Hofburg-Wahl ein. Dem Dank folge also eine Bitte: "Ob es nicht vielleicht doch gescheit wäre, wenn wir gemeinsam den Blinker raushauen und auf die Überholspur kommen, damit endlich ein gescheiter Präsident in die Hofburg einzieht".
Kurz nach halb drei Uhr nachmittags sagt Herbert Kickl: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" und er geht von einer Gleichung aus. "Wer etwas Großes will, der muss Großes geben". Er will seine "Leidenschaft, seine Energie, seine Erfahrung" geben. "Das ist mein Angebot, das liegt in Euren Händen."
"Das Große, was wir wollen: Heimat, Sicherheit, Gerechtigkeit", steckt Kickl seine Ziele ab.
Er beteuert, dass Manfred Haimbuchner schon im September die ersten Erfolge der FPÖ ernten werde können. "Jetzt liegt es in Euren Händen. Glück auf der FPÖ, es lebe die Republik Österreich", endet Herbert Kickl unter stehenden Ovationen der Delegierten nach 70 Minuten seine Rede.
“Frei sein” statt “Immer wieder Österreich” als Musik. Alle FPÖ-Chefs mit Masken, statt wie im Parlament teils ohne. Statt Norbert Hofer Herbert Kickl als Erster auf dem Podium. Als Erster am Wort ist Harald Stefan, der nach dem Rücktritt von Norbert Hofer die Führung der Partei übernommen hat. Außergewöhnlich ist am Samstag in Wiener Neustadt nicht nur der Parteitag der Blauen.
Wie die Stimmung in der Parteiführung ist, das zeigen die Begrüßungsworte von Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer. Für Norbert Hofer, dem Ex-Frontmann, gibt es erst nach einigem Zögern Standing Ovations. Manfred Haimbuchner, Chef der mächtigen FP-Oberösterreich, zollt Hofer als Erster Respekt und steht auf. Wenige Namensnennungen später ist Herbert Kickl an der Reihe. Wieder stehen die Delegierten klatschend auf. Diesmal ist Haimbuchner der Letzte, der für Kickl applaudiert – Hofer der Erste.
Ex-Chef und "ewiger Bundespräsident der Herzen"
Dann findet Harald Stefan ehrende wie vielsagende Worte für den scheidenden Norbert Hofer. "Du hast Dich im Wahlkampf brutal verausgabt", so Stefan. "Du bist heute ganz sicher der Bundespräsident der Herzen" und: "Wir werden Dich ganz sicher noch brauchen." Auf den designierten FPÖ-Chef Herbert Kickl ist laut Harald Stefan gar ein biblischer Vergleich anzuwenden. "Ich liebe die Warmen und die Kalten, die Lauen aber speie ich aus."
Dann ist Norbert Hofer am Wort. Er dankt den Funktionären, seiner Frau und skizziert die letzten Monate. "Meine Aufgabe war es, das Schiff in einen sicheren Hafen zu bringen. Ich glaube das ist gelungen, das Schiff ist wieder flott", sagt Hofer. "Heute wählen wir einen neuen Kapitän, der das Schiff aus diesem Hafen hinaus führen wird in eine gute Zukunft."
Seinem Nachfolger Kickl verspricht Hofer seine Unterstützung. Denn eines habe ihn an der FPÖ immer gestört, erzählt Hofer. Während andere Parteien Bilder ihrer ehemaligen Obleute aufhängen, "sind bei uns die Obleute immer gegangen oder wurden hinausgeworfen. Das hat sich diesmal geändert. Wir übergeben die Obmannschaft in Freundschaft, Einigkeit und Stärke", lässt Norbert Hofer die Delegierten, aber vor allem die Öffentlichkeit, wissen.
Dann ging einer, der immer klar auf der Seite Hofers gestanden war und als Kickls größter interner Kritiker gilt, zum Rednerpult. Was Manfred Haimbuchner, Landesparteiobmann in Oberösterreich, dann sagte, klang versöhnlich. Das ist wenig überraschend, in Oberösterreich wird im September gewählt, eine Personaldebatte ist das letzte, was Haimbuchner im Wahlkampf braucht. Zwar werde er weiterhin seine Meinung in den Gremien sagen, dennoch werde auch Oberösterreich Kickl unterstützen. "Lieber Herbert, den Zusammenhalt wirst du spüren. Du wirst auch die Kraft meiner Landesgruppe spüren", sagte er. Politik solle sich mit dem beschäftigen, was die Menschen beschäftigt, nicht mit sich selbst.
Obwohl man also sichtlich darum bemüht war, Einigkeit zu demonstrieren, gab es dann doch vereinzelt offenen Protest gegen Kickls Obmannschaft. So meldete sich Karl Wurzer, stellvertretender Landesparteiobmann in Niederösterreich, zu Wort und erklärte, gegen die neue Führung zu stimmen. Dafür erntete er Buhrufe.
Heinz-Christian Strache wird mit keinem Wort erwähnt, nur Anspielungen an Ibiza und deren Folgen werden gemacht. Doch es gibt einen Mann, der allgegenwärtig ist, wenn auch nicht namentlich erwähnt. Jörg Haider.
Er prangt vom Cover des "Zur Zeit"-Magazins in Schwarz-Weiß. Links davon, der erste FPÖ-Parteichef Anton Reinthaler, davor und in Farbe: Herbert Kickl und die Worte "Kontinuität & Neubeginn". Und auch ein Blick aufs Podium zeigt, welche Tradition Herbert Kickl verfolgen respektive fortsetzen wird. Schrieb Jörg Haider dereinst das Buch "Freiheit, die ich meine", verschreibt sich die FPÖ nun dem Credo "Die Freiheit, die wir meinen".
Das Votum für Kickl, das sagen Parteimitglieder auf KURIER-Nachfrage, wird ein "hohes sein". Landbauer geht von "98, 93 oder 90 Prozent Zustimmung aus", wie er das Ö1-Journal Stunden zuvor wissen lässt. Kickl will einen "Neubeginn" und seine Vorgänger so macht es den Anschein vergessen machen.
Das Votum für Kickl, das sagen Parteimitglieder auf KURIER-Nachfrage, wird ein "hohes sein". Landbauer geht von "98, 93 oder 90 Prozent Zustimmung aus", wie er das Ö1-Journal Stunden zuvor wissen lässt. Kickl will einen "Neubeginn" und seine Vorgänger so macht es den Anschein vergessen machen.
Erst wer registriert und sich die FFP2-Maske aufgesetzt hat, dem wird Einlass gewährt, um bei der 12. Obmann-Wahl dabei zu sein. Man weiß um die Macht der Bilder. Ärztliche Atteste über eine Maskenbefreiung werden allerdings einige vorgezeigt.
Vor den Türen herrscht Volksfeststimmung, zur Musik der Trachtenkapelle gibt es schon vor dem offiziellen Start des Parteitages Bier und Schnitzelsemmeln.
“Freund und Feind der FPÖ wissen, dass Kickl für den Oppositionskurs, den die Freiheitlichen zumindest mittelfristig einschlagen müssen, der beste Mann ist.”
Zumindest gewinnt man den Eindruck, wenn man die aktuelle Ausgabe von "Zur Zeit" sieht, die den Medienvertretern und Delegierten am Vormittag vor der Halle in die Hand gedrückt wird. Das Cover zeigt den ersten FPÖ-Chef Anton Reinthaler und Ex-FPÖ-Chef Jörg Haider in schwarz-weiß, davor Herbert Kickl - lachend und in Farbe. Darunter "Kontinuität & Neubeginn".
"Jedenfalls über 90 Prozent"
2017 bekommt Heinz-Christian Strache 98,7 Prozent der Delegiertenstimmen, zwei Jahre und ein Video später sind es 98,3 Prozent für Norbert Hofer. Kickls Votum werde alle Kritiker überraschen.
Von "jedenfalls über 90 Prozent" ist offiziell die Rede. Selbst die gewichtige und kritische Landesgruppe aus Oberösterreich, die im Herbst eine Landtagswahl zu schlagen hat, sei teilweise zumindest auf Kickl-Kurs gebracht.
Selbst wenn Oberösterreich, Vorarlberg und Teile der Steiermark gegen Kickl stimmen oder sich der Stimme enthalten sollten, müssten "sich über 80 Prozent ausgehen", so Kritiker. Und FPÖ-Chef Herbert Kickl werde dies, so die blaue Erzählweise, zum Ansporn nehmen, diese im Laufe der Jahre zu überzeugen - oder aber das Votum als "Vielfalt innerhalb der freiheitlichen Familie" verkaufen.
Dieser Artikel wird laufend aktualisiert.
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