Der Fall zeigt, vor welch großen Herausforderungen Familien mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen auch heute noch stehen. „Ich verstehe, dass Eltern von Kindern mit Behinderung verzweifelt sind und nicht wissen, wo sie in den Ferien ihre Kinder unterbringen sollen“, sagt Martina Künsberg Sarre, Bildungssprecherin der Neos. „Wir sind weit entfernt von einem inklusiven Bildungssystem, andere Länder sind uns Jahre voraus. Hier muss die türkis-grüne Regierung Meter machen.“
Genau das ist im Regierungsprogramm grundsätzlich auch vorgesehen. Bildungsminister Martin Polaschek bekräftigt auf KURIER-Anfrage: „Wir entwickeln das inklusive Bildungsangebot laufend weiter, um die Talente und Begabungen von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen zu fördern und ihnen die bestmöglichen Bildungs- und Ausbildungschancen zu eröffnen.“
Um in Situationen wie jener der Familie Marsalek zu helfen, will das Bildungsministerium gemeinsam mit den Ländern einen Etappenplan zu einem inklusiven Schulsystem erarbeiten. Auch die ländlichen Regionen sollen besser integriert sein. Einen „sehr wichtigen Beitrag“ sieht Polaschek bei sonderpädagogischen Kompetenzen an den Sonderschulen.
Dabei ist gerade die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Sonderschulen eine oft debattierte. Rot-Schwarz wollte Sonderschulen „langsam zur Ausnahme werden lassen“, im türkis-blauen Regierungsprogramm war dann allerdings der Erhalt und die Stärkung des Sonderschulwesens enthalten.
„Eigentlich wollen wir hin zu inklusiven Klassen“, sagt Robert Öllinger, Consultant bei myAbility, ein Social Enterprise, das sich für eine chancengerechte und barrierefreie Gesellschaft einsetzt. Medizinisch gesehen gilt er selbst als taub-blind, auch sein jüngster Sohn geht in eine inklusive Klasse. Davon gebe es aber (noch) viel zu wenige. Das liege nicht nur an den teils knappen finanziellen Ressourcen, sondern vor allem am großen Lehrkräftemangel. Besonders schlimm sei das am Land, aber auch in den Städten werde das Angebot spätestens nach der Pflichtschulzeit immer dünner.
„Auch der Umstieg ins Arbeitsleben ist immer noch ein großes Manko“, sagt Öllinger. Zwar seien einige wichtige Schritte gesetzt worden, etwa mit der teilqualifizierten Lehre, grundsätzlich gebe es aber noch immer zu wenig Angebote. „Es mangelt auch oft am Zutrauen, was ein Mensch mit Behinderung leisten kann.“ Zum Glück würden aber immer mehr Unternehmer die Potenziale erkennen.
Marion Marsalek und ihrem Sohn hilft das alles freilich im Moment nur wenig. Bis Juli 2023 braucht die Mutter eine Lösung. „Die Mitarbeiterinnen im Kindergarten wären bereit, im Sommer zu arbeiten, aber das geht formal nicht“, sagt sie. „Kinder mit Behinderung werden immer noch vergessen.“
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