Inklusion: "Man muss um alles extra kämpfen"

Wie soll Inklusion in der Bildung aussehen?
Eine Mutter eines behinderten Kindes erzählt von ihren Erfahrungen und den Steinen, die ihr in den Weg gelegt werden.

Sonja Tollinger ist Mutter eines zehnjährigen Sohnes mit Autismus. Sie selbst unterrichtet Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in einer Klasse und engagiert sich im Verein „Integration Tirol“. Mit dem KURIER spricht sie über die größten Herausforderungen im Bereich der Inklusion.

KURIER: Wer entscheidet, ob das Kind mit erhöhtem Förderbedarf eine Sonder- oder eine Regelschule besucht?

Sonja Tollinger: In der Theorie haben die Eltern die Wahlfreiheit. Eigentlich müsste bei uns jede Schule so weit sein, dass sie auf alle Kinder eingestellt wäre. Das sind sie aber de facto nicht. Oft hängt es vom Glück ab, ob man eine Schule erwischt, in der die Lehrer aufgeschlossen sind, die passenden Fortbildungen besuchen, und ob eine Fachkraft zur Verfügung gestellt wird. Es ist klar, dass viele Kollegen davor zurückschrecken, Kinder mit Behinderung zu unterrichten, weil wir viele Aufgaben haben, denen wir uns parallel widmen sollen.

Wo sehen Sie die größten Baustellen?

Es gibt viele verschiedene Probleme. Ganz aktuell ist da die Personalnot: Es braucht mehr Lehrer, Schulsozialarbeiter oder Schulärzte. Angebote wie Therapien in der Schule gibt es gar nicht. Assistenzpersonal für Kinder mit Behinderungen kann immer schwerer gefunden werden.

Leider sind auch Themen wie Platzmangel oder Barrierefreiheit in Schulgebäuden Dauerbrenner. Auch organisatorisch gibt es viele Herausforderungen: zum Beispiel, dass Kinder mit Behinderungen oft nur bis 15 in die Schule gehen dürfen.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen im Alltag Steine in den Weg gelegt werden?

Ja, schon. Man muss um alles extra kämpfen. Ich habe mir da wirklich einen Plan zurechtgelegt, um mit den ganzen Abgaben und Richtlinien nicht in einen Strudel hineinzukommen. Sowohl für Pflegegeld als auch für erhöhte Familienbeihilfe muss zum Beispiel jedes Jahr eine neue Diagnose erstellt werden. Weil die Wartelisten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aber so lange sind, muss ich teilweise bereits ein Jahr im Vorhinein einen Termin ausmachen.

Fühlen Sie sich von der Politik gehört?

Nein. Man hat immer wieder die Gelegenheit mit verantwortlichen Politikern zu sprechen. Das ist toll. Dann macht man noch ein paar schöne Bilder, am besten, wo das Kind auch drauf ist, dann passiert aber einfach nichts. Aber man kämpft – und der Bub und ich, wir machen das schon.

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