Studie: ÖVP in Medien dominant, aber nicht bevorzugt

Studie: ÖVP in Medien dominant, aber nicht bevorzugt
Die Wirtschaftsuni hat Innenpolitik-Berichte untersucht und konnte das ein oder andere Vorurteil widerlegen. Was aus dem gigantischen Datenpool herauszulesen ist – und was nicht.

Mehr als eine Viertelmillion Artikel – genau 254.359 – aus den Innenpolitik-Ressorts neun österreichischer Tageszeitungen zwischen 2016 und 2022 haben Julia Litofcenko und Michael Meyer von der Wirtschaftsuniversität Wien in einer Studie analysiert.

Ein gigantischer Datenpool, der so manches Vorurteil, das über die österreichische Medienlandschaft kursiert, widerlegt. Etwa, dass der Boulevard am liebsten über „rechte“ Parteien schreibt, der Standard eher über „linke“ oder der KURIER bevorzugt über Türkis.

Anlass für die Studie waren Ermittlungen gegen die Gratiszeitung Heute. Deren Herausgeberin Eva Dichand soll der ÖVP „wohlwollende Berichterstattung“ in Aussicht gestellt haben bzw. soll sie gedroht haben, schlecht über die Türkisen und ihren damaligen Chef Sebastian Kurz zu berichten, wenn das Inseratenvolumen nicht erhöht wird, so die Vorwürfe.

Es ist daher kein Zufall, dass der Verlag, der hinter Heute steht, die Studie mitfinanziert hat – mit 30.000 Euro. Nur dank dieser Summe sei das große Datenvolumen finanzierbar gewesen, sagt Forscherin Litofcenko, die sich aber gegen äußere Einflüsse absichern wollte: Es sei vertraglich fixiert worden, „dass wir vollkommene Freiheit bei der Auswertung, Bewertung und Veröffentlichung der Ergebnisse haben“.

Positive Sprache

Es stellte sich heraus, dass in Heute die SPÖ am positivsten konnotiert war. In allen anderen Medien liegen hingegen die Grünen voran. Die schlechtesten Werte in allen Medien hat die FPÖ.

Das bedarf einer Erklärung: Für die Erhebung wurde ein wissenschaftliches Wörterbuch verwendet, das für 7.000 Wörter der deutschen Sprache sogenannte „Sentiment-Werte“ festlegt. Positive Begriffe sind im Plusbereich, negative im Minus. „Fair“ hat beispielsweise den Wert +0,3218, „dreist“ hat –0,4457.

Es sei logisch, dass die FPÖ, die eher mit negativen Begriffen kommuniziere und viel Kritik übe, eher im niedrigen Bereich liege, und die Grünen, die positiver und konstruktiver formulierten, im hohen, erklärt Forscherin Litofcenko. Aber obwohl die Parteien jeweils auf ihre Art kommunizieren, gibt es Unterschiede von Medium zu Medium (siehe Grafik).

Studie: ÖVP in Medien dominant, aber nicht bevorzugt

Die Unterschiede werden in den einzelnen Legislaturperioden noch einmal deutlicher: So war die SPÖ in der Kronen Zeitung während Türkis-Blau im Plus, legte während der Beamtenregierung zu, stürzte aber bei Türkis-Grün plötzlich ins Minus. 

Beim Standard stieg der Wert ebenfalls erst an, um dann wieder zu fallen – allerdings liegt er immer noch gut im Plus. 

Im KURIER ist die Darstellung der FPÖ während Türkis-Grün in den Minusbereich gerutscht.

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Wahlkampf-Effekt

Die Grünen haben in fast allen Medien während der Beamtenregierung doppelt so hohe Positivwerte als während Türkis-Blau – der Wahlkampf vom Sommer 2019 brachte offenbar einen positiven Schub. Das gilt in den meisten Medien auch für die ÖVP. 

Ein Ausreißer ist die Presse: Hier blieb die Sicht auf die Parteien in diesen beiden Phasen fast gleich.

Stark polarisiert haben auch Bewegungen wie die Flüchtlingshilfe oder Impfgegner – und auch da sind zwischen den Medien Unterschiede zu erkennen (Grafik).

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Doppelt so präsent

Erstaunlich war für die Forscherin auch die Häufigkeit, mit der über die ÖVP berichtet wird (Grafik unten). Besonders stark ausgeprägt ist diese Dominanz ab der Legislaturperiode Kurz II, also während Türkis-Grün.

Die ÖVP wird in etwa doppelt so häufig in Medienberichten erwähnt wie der grüne Koalitionspartner und jede andere Partei. Das dürfte jedoch auf die zahlreichen Affären zurückzuführen sein, die ab Mitte 2019 publik wurden. In dieser Zeit gab es mehr Berichte über die ÖVP, darunter aber viele mit negativen Nachrichten.

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Wenig von der Opposition

Dass Regierungsparteien medial stärker präsent sind, sei dadurch erklärbar, dass sie Projekte umsetzen und über diese auch diskutiert wird, sagt Litofcenko. Es sei aber „demokratiepolitisch problematisch“, wenn die Opposition dann zu kurz komme.

Unterm Strich hat die Forscherin keine bevorzugte Berichterstattung für die ÖVP feststellen können – merkt aber an, dass ihre Methode keinen detaillierten Blick zulässt. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu bestimmten, heiklen Zeitpunkten zu Positiv-Berichten gekommen ist.“ Dazu wäre eine Betrachtung der einzelnen Artikel und Bilder nötig.

Das Boulevardblatt Österreich, das ebenfalls mit Korruptionsermittlungen konfrontiert ist, konnte übrigens nicht untersucht werden. Deren Artikel sind nicht im Archiv der Austria Presse Agentur (APA) hinterlegt.

*** Die Studie der Wirtschaftsuniversität Wien finden Sie hier. ***

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