Feuerwehr statt Rekruten-Heer?
Der frühere FP-Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager ist Proponent des Komitees für eine Profi-Armee. Er hält die Wehrpflicht für sinnlos, weil man in der Ausbildungszeit von sechs Monaten die Rekruten zwar ausbilden, aber anschließend militärisch nicht nutzen könne. Für den früheren niederösterreichischen Militärkommandanten, Generalleutnant Johann Culik, sind die Rekruten hingegen für den Assistenzeinsatz und den Katastrophenschutz unentbehrlich. Im KURIER-Streitgespräch kreuzen sie die Klingen.
KURIER: Herr Dr. Frischenschlager, Herr Generalleutnant Culik, ist die derzeitige Wehrpflicht-Praxis mit sechs Monaten Ausbildung ohne anschließende Milizverwendung nicht reine Zeitverschwendung?
Friedhelm Frischenschlager: Das ist mein Hauptargument gegen die Wehrpflicht. Wenn das Bundesheer vier Monate lang Soldaten ausbildet, dann hab ich sie nur mehr zwei Monate für eine militärische Nutzung, und dann schick ich sie nach Hause auf Nimmerwiedersehen – da kommt nichts heraus.Johann Culik: Ich bin überzeugt bin, dass die Rekruten nicht nur ausgebildet werden, sondern ab dem dritten Monat durchaus für wesentliche Funktionen einsetzbar sind.Wir sind nicht schlechter als die Norweger, die beim letzten Terrorakt ihre Rekruten zum Bewachen von sensiblen Objekten eingesetzt haben. Es wäre der größte ökonomische Unsinn auf 22.000 Grundwehrdiener im Jahr zu verzichten. Denn das sind über 40.000 helfende Hände im Sicherungseinsatz, beim Schutz der 400 sensiblen Objekte und beim Katastropheneinsatz.
KURIER: Herr Frischenschlager, wie viele Objekte kann eine kleine Berufsarmee bei Terrorgefahr sichern?
Frischenschlager: Ich kann mit Kurzzeitsoldaten nicht dem heutigen professionellen Terrorismus entgegentreten. Den Terrorismus bekämpfe ich nur mit höchster Professionalität. Es geht vor allem darum, derartige Zellen vorher durch nachrichtendienstliche und kriminalistische Methoden zu knacken. Wenn die einmal zuschlagen, ist ohnehin alles zuspät. Da sind schon wirklich höchst qualifizierte Armeen gescheitert – das ist eine nicht bewältigbare Sache. Deshalb glaube ich, dass dieses Objektschutzgeschichte, die vom Innenministerium so hochgefahren wird, eine Fata Morgana ist.
Culik: Objektschutz ist notwendig und die Liste der Objekte wird laufend überarbeitet. Wenn es um den Schutz der Infrastruktur geht, werden wir Profis von der Polizei und dem Jagdkommando ergänzen müssen mit einer hohen Mannzahl mit einfacheren militärischen Qualifikationen, um größere Räume zu überwachen.
KURIER: Im Innenministerium spricht man von einem Bedarf von bis zu 5000 Soldaten bei der sicherheitspolizeilichen Assistenz. Wie groß ist der Personalbedarf bei einer Katastrophe?
Culik: Im Jahr 2002 hatten wir über Wochen mehr als 20.000 Soldaten gleichzeitig im Einsatz. 13.700 standen im Hochwassereinsatz, die anderen waren durch die Grenzsicherung, den Auslandseinsätzen und die Luftraumüberwachung gebunden. Diese 20.000 Mann kann ich mir bei einem Berufsheer in der vorgesehenen Konfiguration nicht vorstellen. Da sind nur 8500 Berufssoldaten und 7000 Zeitsoldaten vorgesehen.
Frischenschlager: Man muss den Katastrophenschutz überhaupt überdenken. Er ist nur eine Nebenaufgabe. Es kann nicht Aufgabe des Bundesheeres sein, diese große Zahl der sozusagen helfenden Hände zu stellen. Die helfenden Hände würde ich von den Freiwilligen Feuerwehren holen, unter der Voraussetzung, dass es endlich die Gehaltsfortzahlungen der Helfer gibt. Das Bundesheer könnte die Logistik für Transport, Ausstattung und Verpflegung beisteuern.
Culik: Der Katastropheneinsatz ist das Mindeste, das ein Heer leisten muss. Mir haben die Feuerwehrleute erzählt, dass sie, wenn sie länger im Einsatz bleiben sollten, ein massives Problem trotz Lohnfortzahlung bekommen. Weil ihre Unternehmer mit ihren Aufträgen fertig werden müssen. Es gibt vermehrt Meldungen von Feuerwehrleuten, die schon beim Einstellungsgespräch für einen Job gefragt werden, ob sie bei der Feuerwehr sind. Da sind wir mit einer Wehrpflichtigenarmee und der hohen Anzahl ständig vorhandener Rekruten sicher besser aufgestellt.
Die Sprachlosigkeit der ÖVP ist unüberhörbar, wenn es um die Frage nach einem Alternativmodell zu dem von Minister Darabos präferierten Berufsheer geht. Die Strategen im Personenkomitee des Veit Sorger für die Wehrpflicht haben aber ein Konzept liegen. Das Ziel: Eine Ausbildungs- und Einsatzorganisation auf der Basis von sechs Monaten Wehrpflicht.
Das Konzept geht von der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses aus. Und diese Szenarien wurden in den letzten Wochen vom Innenministerium formuliert. Die klassische Landesverteidigung rangiert weit hinten. Es könnte aber wegen der Eskalation an der türkisch-griechischen Grenze der Schengen-Vertrag vorübergehend aufgekündigt werden. Dann braucht das Innenministerium 5000 Soldaten für die Grenzsicherung.
Antiterroreinsatz
Auch ein Terroranschlag wie in Norwegen wird nicht für unwahrscheinlich gehalten. In Norwegen waren bereits zwei Stunden nach den Anschlägen des Anders Behring Breivik Rekruten im Einsatz, um das Parlament, die Regierungsgebäude und die Anschlagsstellen abzusichern.
Hier setzen Sorgers Militärstrategen an: Durch eine Schwergewichtsverschiebung bei der Ausbildung Richtung Wach- und Sicherungsdienst könnten die Rekruten drei Monate nach dem Einrücken fit sein für den Einsatz. Damit hätte das Heer nicht nur jene 5000 Soldaten aus dem Präsenzstand zur Verfügung, die das Innenministerium fordert, sondern auch gleich genügend Wehrmänner für deren Ablöse.
Der Vorteil: Durch die dreimonatige Nutzungsphase könnte man die Einrückungsturnusse von derzeit sechs auf vier pro Jahr reduzieren, und damit auch eine hohe Zahl der sogenannten „Systemerhalter“ abbauen.
Durch eine nicht nur einsatz- sondern auch erlebnisorientierte Ausbildung versprechen sich die Militärs darüber hinaus eine höhere Anzahl von Freiwilligenmeldungen für die Miliz. Denn durch Geldprämien sind nicht viele junge Menschen zu locken, wie die jüngsten Pilotversuche zeigten.
Vorbild Feuerwehr
Man müsse es, so die Wehrpflichtbefürworter, über die Emotion versuchen – etwa wie bei den Feuerwehren. Die haben auch keine Rekrutierungsprobleme. Hier setzt auch die Psychotherapeutin und Publizistin Rotraut Perner an. Sie ist Mitglied des Sorger-Komitees für die Wehrpflicht und forderte in Diskussionen die Einrichtung eines Personenkomitees für die Verbesserung der Grundausbildung. Das sollte rasch nach der Volksbefragung geschehen, denn sonst bestehe die Gefahr, dass das Thema wieder vergessen werde. Für Perner ist Landesverteidigung nicht nur Nothilfe sondern solidarisches Mitdenken und Mittun von allen. Ihr Ziel: „Es sollte die bestehende Einrichtung erweitert und verbessert, nicht aufgegeben werden.“
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