Aber auch für den friedfertigen Bürgermeister – im Zivilberuf klinischer Psychologe – scheinen militärische Termini ausnahmsweise angebracht. Denn Johann Würzburger hat das Gefühl, sein Heimatort sei besetzt. „Da hat sich jemand unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen eingeschlichen“, sagt er.
Im Herbst kommt ein anderer Stadtchef, Würzburger kandidiert nicht mehr für die Bürgerliste. Aber diesen Kampf will er noch ausfechten: Er stellt sich an die Spitze des Widerstandes. „Man kann diese Menschen nicht verjagen. Aber man kann ihnen zeigen: Euer Weltbild ist bei uns nicht willkommen.“
Die Geschichte bis hierher ist schnell erzählt: Vor Kurzem hat eine alteingesessene Steyreggerin in zentraler Lage ein Haus mit Bierlokal verkauft. Das Haus wurde saniert. Und was der deutsche Besitzer daraus gemacht hat, wurde der Verkäuferin erst später klar: Sympathisanten der rechtsextremen Identitären bauen im Herzen des Ortes eine Zentrale. Im Erdgeschoß entsteht ein Pub. Im hinteren Teil sollen völkische T-Shirts verkauft werden. Und im ersten Stock wartet der Seminarraum.
„Noch ist alles zu, noch gibt’s keinen Schankbetrieb für Laufkundschaft“, sagt der Bürgermeister. Aber das könne sich schnell ändern. Und dann werden die Ideen der Rechten unter die Menschen gebracht.
Neue Apartheid
Was genau ist an dieser Gruppe so problematisch?
Die Identitären sind eine rechtsextreme Jugendorganisation, die rhetorisch und ästhetisch Anleihen am Faschismus nimmt. Ihre Anhänger glauben, die „kulturelle Vermischung“ sei Gift. Rechtsextreme Ideen werden in eine neue Sprache gepackt. Das heißt dann beispielsweise „Ethnopluralismus“, meint im Grunde aber Apartheid.
Mit all dem will Steyregg nichts zu tun haben. Als erste Protest-Maßnahme hat die Gemeinde einen Zebrastreifen in Regenbogenfarben nachgezogen – genau vor dem „Castell“. Nicht allen hat das gefallen. „Aber rechtlich ist das zulässig“, sagt Würzburger. „Wir wollten ein Zeichen setzen. Für Offenheit und Toleranz.“
Und viele beschäftigt die Frage: Was passiert, wenn die Rechtsextremen Schüler und Lehrlinge mit Freibier ködern? Auch Gudrun Blohberger macht sich Gedanken. Vom Steyregger Ortskern braucht man keine Viertelstunde mit dem Auto, dann ist man bei ihr auf dem Hügel, im früheren KZ Mauthausen.
Blohberger ist pädagogische Leiterin der Gedenkstätte. Die Sommerhitze liegt schwer auf Baracken und Wachtürmen, wo einst Hunderttausende gequält und ermordet wurden. „Wir haben uns tatsächlich gefragt, ob man das als Akt der Provokation sehen muss. Dass die Identitären sich genau hier hinsetzen, in unsere Nähe.“
Letztlich habe man nicht glauben wollen, dass so viel Perfidie im Spiel sei.
Die Gedenkstätte betreut auch Jugendliche, die gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben. „Bei vielen sehen wir, dass soziale Zuwendung fehlt.“ Funktionierende Musik- und Sportvereine seien beispielsweise ein Mittel, damit junge Menschen Rechtsextremen nicht auf den Leim gehen. An der großen Herausforderung ändere das nichts. „Wir müssen Empathie fördern und leben. Je kälter eine Gesellschaft, desto anfälliger ist sie für faschistische Tendenzen.“
In Steyregg ist der Bürgermeister derweil im Ort unterwegs. Der KURIER wird Zeuge, wie er erstmals länger mit dem „Castell“-Chef spricht. Der Deutsche geht auf den Stadtchef zu. Er will wissen, ob die Gitter an seiner Fassade ein Problem seien. Er habe dazu nichts in der Bauordnung gefunden. Sein Ton ist sachlich, aber höflich. Mit dem Reporter will er nicht sprechen.
Würzburger bemüht sich, Fassung zu bewahren. Er ist Politiker, Bürger – aber auch Behörde. Er darf sich keine Blöße geben. Die Gitter müssten geprüft werden, sagt er. Es gehe um das Ortsbild.
„Ich bekehre und belästige ja niemanden“, sagt der Deutsche. Und dann kommt ein Satz, der Gänsehaut erzeugt. „Ich bin nicht als Schädling hierher gekommen.“
Menschen als Schädlinge? Hatten wir das nicht schon? Wollen wir das wieder haben?
„Das ist ein Wort, das ich in dem Zusammenhang nicht gebrauche“, sagt der Bürgermeister. Er wünscht einen guten Tag und dreht dem Blonden den Rücken zu. Es gibt jetzt nichts mehr zu sagen. Aber es gibt viel zu tun.
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