Gibt Faymann bei der Erbschaftssteuer nach?
Dass die SPÖ in den vergangenen Tagen versucht hat, in Sachen Steuerreform zunehmend Druck auf die ÖVP auszuüben, ärgert die Schwarzen merkbar.
Fast täglich haben Kanzler Werner Faymann & Co medial diverse Ideen zur Finanzierung der Steuerreform propagiert (z. B. höhere KESt) – und signalisiert, der Koalitionspartner müsse nun endlich sagen, was er wolle.
ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner denkt aber nicht daran. „Ich halte es nicht für zielführend, dass jeder in der Öffentlichkeit seine Vorschläge abgibt. Antworten sind auf dem Spielfeld zu geben. Das Spielfeld sind die Verhandlungen“, grantelte der Parteichef gestern nach der Ministerratssitzung.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos konterte, um „das Eckige ins Runde zu bringen“, müssten sich alle Spieler am Spiel beteiligen. „Wenn ein Teil der Mannschaft nur herumsteht, schießen wir uns bestenfalls ein Eigentor.“
Mitterlehner ätzte, er wüsste von den Vorschlägen der SPÖ nichts, „wenn ich nicht Zeitung lesen würde“.
Kapitalertragssteuer Wie die Volkspartei eine höhere Kapitalertragssteuer (KESt) inhaltlich beurteilt, ließ der Parteichef weiter offen. Die Roten treten dafür ein, Kapitalerträge auf Dividenden stärker zu besteuern. Experten sagen, das sei technisch komplex – und müsse auch von Teilen der Opposition gutgeheißen werden (Zweidrittelmehrheit). ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling erklärte, seine Experten würden die KESt-Erhöhung derzeit prüfen.
Erbschaftssteuer Nicht prüfen wollen die Schwarzen Erbschafts- und Schenkungssteuer. Schelling: „Keine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Dabei bleibe ich.“
Faymann konterte, Deutschland sei an dieser Steuer „auch nicht zugrunde gegangen“. Mitterlehner erwiderte, es gebe in der Bevölkerung großen Widerstand gegen eine solche Steuer. „Wir werden uns etwas anderes einfallen lassen müssen.“
Sind Erbschafts -und Schenkungssteuer für Faymann überhaupt ein Muss?
Der Kanzler antwortet ausweichend: Ein Teil der Bevölkerung, „der es sich leisten kann“, müsse „einen Beitrag“ zur Finanzierung der Steuerreform leisten. Das werde die SPÖ mit der ÖVP verhandeln. Nachsatz: „Sie sehen, wir sind bereit, die Diskussion offen zu führen.“ Das deutet wohl darauf hin, dass der SPÖ-Chef nicht auf Erbschafts- und Schenkungssteuer beharrt – sollte es Alternativen geben, die man als „Beitrag der Reichen“ titulieren könnte.
Solidarbeitrag Als solcher gilt etwa der Solidarbeitrag für Spitzenverdiener. Dieser könnte ausgeweitet werden, meinen Insider. Derzeit wird er erst ab einem Einkommen von 185.000 Euro (brutto/Jahr) fällig. „Diese Grenze könnte man niedriger ansetzen. Zum Beispiel bei 90.000 oder 100.000 Euro“, sagt ein Steuer-Experte. Im Gegensatz zur KESt-Erhöung wäre das technisch und politisch leicht umsetzbar.
Auch die Erbschaftssteuer ist in Deutschland so kompliziert geregelt wie fast alle anderen Steuersachen.
Prinzipiell richtet sie sich nach der Höhe des ererbten Vermögens und Steuerklasse des Erben. Dabei ist sie extrem weit gestaffelt: Von sieben Prozent im besten Fall für ein kleines Erbe (siehe Grafik) bis zu 50 Prozent bei größeren Vermögen. Korrigiert wird dieser Tarif durch gestaffelte Freibeträge, die Verheiratete und Alleinerziehende gegenüber Singles bevorzugen. Die Regelung ist jedoch so kompliziert, dass auch das Berliner Finanzministerium keine leicht verständliche Gebrauchsanleitung anbieten kann.
Völlige Verschonung vor der Erbschaftssteuer können sich Eheleute bis 500.000, Verwandte ersten Grades bei Beträgen unter 400.000 Euro und bei einer Wohnimmobilie bis 200 Quadratmeter erhoffen. Aber auch nur dann, wenn sie diese selbst mindestens zehn Jahre lang danach bewohnen. Für alle Zwischenlösungen gibt es wieder Regelungen, die vor allem die Steuerberater erfreuen.
Ansonsten gibt es nur eine Erben-Gruppe, die auch keine bis wenig Erbschaftsssteuer zahlt: Das sind Unternehmens-Erben in enger Verwandtschaft mit dem Erblasser, wenn sie die Firma mindestens sieben Jahre mit konstanter Lohnsumme fortführen.
Das soll die Arbeitsplätze sichern, die bei einem Zwangsverkauf zur Zahlung der Erbschaftssteuern sonst gefährdet sein könnten.
Verfassungsgericht
Genau das aber hat das Verfassungsgericht in Karlsruhe im Dezember beanstandet. Weil offenbar zu viele Firmenerben auch Privatvermögen als Unternehmensbestandteil deklariert hatten, sah es hier ein zu großes Potenzial für Steuerungerechtigkeit gegenüber normalen Erben.
Weil viele Firmenerben schon vorher damit gerechnet hatten, gab es 2014 einen Vorzieheffekt bei Unternehmensvererbungen. Damit erhöhten sich die Erbschafts-steuereinnahmen des Fiskus auf 5,5 Milliarden Euro.
Ohne diesen Vorzieheffekt lagen die Einnahmen in den fünf Jahren zuvor regelmäßig bei 4,5 Milliarden Euro, das ist deutlich weniger als ein Prozent der gesamten Steuereinnahmen von Bund und Ländern. Die Erbschaftssteuer steht als eine der wenigen zur Gänze den deutschen Bundesländern zu.
Die Wirtschaft versucht nun, Verschärfungen für ihre Firmenerben zu bremsen. Sie hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf ihrer Seite: "Wir machen nur das Minimum, das das Gericht verlangt", dämpfte er nach dem Urteil triumphale Töne aus dem linken Lager. Dabei hilft ihm der Koalitionsvertrag von Union und SPD, der jede, auch versteckte Steuererhöhungen verbietet. Das war das wichtigste Wahlversprechen von CDU-Kanzlerin Merkel.
Heute, Mittwoch, will Schäuble den Koalitionsfraktionen seine Korrektur der Firmenerben-Bewertung vorlegen. Wie die Resonanz darauf ausfällt, darauf ist man im Finanzministerium ebenso gespannt wie in der Wirtschaft. Der Wirtschaftsflügel der CDU warnt jedenfalls. Ob die Abwanderung deutscher Großunternehmer ins bisherige Erbschaftssteuer-Paradies Österreich dann noch attraktiver wird, hängt nun auch von Österreichs künftiger Regelung ab.
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