Steuerreform: Bankgeheimnis wird aufgeweicht
Nach der spätnächtlichen Einigung schicken die Regierungsparteien noch heute die Steuerreform endgültig auf den Weg. Für den Abend ist eine Pressekonferenz von Kanzler und Vizekanzler angekündigt. Davor werden die jeweiligen Parteigremien informiert. Die SPÖ-Gewerkschafter stimmten bereits für das Regierungspaket, ebenso das SPÖ-Präsidium. ÖGB-Präsident Erich Foglar sah die Forderungen von Gewerkschaft und Arbeiterkammer erfüllt. Ein Bedauern wegen fehlender Vermögenssteuern gab es nicht. Die Sozialistische Jugend hingegen ortet einen "Umfaller". Rund ein Dutzend SJ-Anhänger versammelte sich ausgerüstet mit einem Galgen, an dem ein Reichensteuer-Sack baumelte.
"Gut gelungen"
SPÖ freut sich über Ende des Bankgeheimnisses
Klar ist nun, dass ein weiterer Schritt zum Ende des Bankgeheimnisses durch die Steuerreform kommen wird. Die Finanzbehörden sollen künftig das Recht haben, bei Abgabenprüfungen auch die Konten der Unternehmen zu prüfen. Derzeit ist dafür ein Gerichtsbeschluss nötig. Die Maßnahme soll (neben der Registrierkassenpflicht) den zweiten großen Brocken in Sachen Betrugsbekämpfung ermöglichen. Aus der SPÖ kommen diesbezüglich Jubelrufe.
Derzeit schützt das Bankgeheimnis Kontoinformationen vor neugierigen Blicken der Behörden. Erst wenn eine Behörde ein Gericht überzeugen kann, dass es gegen den Kontoinhaber einen begründeten Verdacht auf Steuerhinterziehung, Steuerbetrug, Geldwäsche oder andere strafbare Delikte gibt, kann eine Kontoöffnung verfügt werden. Das Prozedere ist aber komplex: Weil ein zentrales Kontenregister fehlt, werden alle heimischen Banken angewiesen, die Konten der verdächtigten Unternehmen oder Personen bekanntzugeben. Diese Konten werden dann per Gerichtsbescheid geöffnet.
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft fordert daher bereits seit Jahren ein zentrales Kontenregister, um zumindest die Anfrage bei den Banken künftig umgehen zu können. Dies ist nun zumindest für Unternehmen (nicht aber für Privatpersonen) geplant. Außerdem sollen die Finanzbehörden die Möglichkeit erhalten, bei Abgabenprüfungen in Unternehmen auch ohne Gerichtsbeschluss in die Konten Einblick zu nehmen.
Zurück zur Steuerreform: Fix ist, dass das Entlastungsvolumen fünf Milliarden Euro ausmachen soll, ein Großteil davon wird ab 2016 in die Lohnsteuersenkung fließen. Der Eingangssteuersatz sinkt auf 25 Prozent, künftig gibt es sechs Steuerstufen, und ab einer Million Euro Jahreseinkommen soll der Spitzensteuersatz 55 Prozent betragen (damit schiebt sich Österreich an die Europaspitze vor). Bei den Gegenfinanzierungsmaßnahmen steht ein bis zu 1,9 Milliarden Euro schweres Betrugsbekämpfungspaket an der Spitze, weiters sollen Steuerausnahmen gestrichen und höhere Steuern auf Kapitalerträge und Grunderwerb eingehoben werden.
Die SPÖ hat auf Millionärs- und klassische Erbschafts- und Schenkungssteuern verzichtet, bekommt aber mit 4,9 Milliarden nahezu das gesamte Entlastungsvolumen für ihr Kernklientel. Die ÖVP hat lediglich 100 Millionen für die Familien heraus geholt – und fast nichts für die Wirtschaft. Zusätzlich zur Steuerreform haben die Koalitionsparteien aber am Freitag noch ein Wirtschaftspaket im Ausmaß von 200 Mio. Euro abgemacht. Darin vorgesehen ist etwa die Ausweitung der steuerlichen Begünstigung der Mitarbeiterbeteiligung auf 3.000 Euro pro Jahr, war am Freitag aus Regierungskreisen zu erfahren. Das 200 Mio. Euro-Paket zur Wirtschaftsbelebung sei bereits länger paktiert gewesen, aber noch nicht kommuniziert worden. Es ist zusätzlich zur Steuerreform vorgesehen und soll zur Attraktivierung des Wirtschaftsstandortes dienen. Die Mittel hierfür stammen aus dem Finanzministerium.
Enthalten sind in dieser Summe ein Finanzierungspaket für kleine und mittlere Unternehmen, die Forschungsprämie wird erhöht von derzeit zehn auf zwölf Prozent und die steuerliche Begünstigung für die Mitarbeiterbeteiligung wird ausgeweitet von 1.460 auf 3.000 Euro jährlich. Die ÖVP hat sich in der Vergangenheit wiederholt für mehr Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmensgewinn ausgesprochen. Die heimische Wirtschaft dürfte damit etwas besänftigt werden. Von der paktierten Tarifentlastung mit dem Volumen von 4,9 Mrd. Euro profitieren die Unternehmer mit mehr als 500 Mio. Euro Einkommenssteuerentlastung, hieß es weiters.
Das kommt bei der Reform raus
Familien: Die 100 Millionen Euro für die Familien sollen in einen höheren Kinderfreibetrag fließen – er wird von 220 Euro auf 440 Euro verdoppelt: Ein Elternteil kann pro Jahr über die Arbeitnehmer-Veranlagung 440 Euro absetzen. Wenn sich Eltern den Freibetrag teilen, sind es je 264 Euro für Mutter und Vater.
Neue Tarife: Kern der Entlastung sind die neuen Tarifstufen – beginnend mit 25 Prozent für Jahreseinkommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro. Bis 31.000 Euro zahlt man 35 Prozent und so weiter. Der bisherige Spitzensteuersatz von 50 Prozent greift ab 90.000 Euro (bisher 60.000), dafür gibt es eine neue Höchststufe mit 55 Prozent für Einkommen jenseits von einer Million (mehr dazu lesen Sie hier).
Spannend ist, wie sich die Regierung die Gegenfinanzierung vorstellt:
Kampf dem Steuerbetrug: 1,9 Milliarden sollen die – von SPÖ-Staatssekretärin Sonja Steßl – geforderte Registrierkassenpflicht und Maßnahmen gegen Steuer- und Sozialbetrug bringen (Stichwort: Kampf gegen Scheinfirmen und Umsatzsteuerbetrug).
Höhere Steuern: Unter dem Titel „Steuer-Einnahmen“ sollen 1,25 Milliarden hereingespielt werden: 900 Millionen durch die Beschneidung von Steuer-Privilegien (Abschreibung für Gebäude, private Nutzung von Dienstautos etc.). 350 Millionen sind via Steuererhöhungen eingepreist. Am meisten soll die höhere Grunderwerbsteuer (Erben/Schenken) bringen, die künftig nach dem Verkehrswert (derzeit Einheitswert) bemessen wird. Auch die Kapitalertragsteuer auf Dividenden (von 25 auf 27,5 Prozent), die Immobilienertragsteuer auf Zweit- und Drittwohnsitze sowie die Aktienkursgewinnsteuer (je 30 Prozent) werden angehoben.
Verwaltung/Bildung: Eine Milliarde soll durch Einsparungen aufgestellt werden. Eine Bund-Länder-Kommission soll Details erarbeiten.
Konjunktur: Zu guter Letzt geht die Regierung davon aus, dass durch verstärkten Konsum 850 Millionen in Form von höherer Mehrwertsteuer in die Staatskassa kommen.
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl hat sich mit dem Ergebnis der Steuerreform-Verhandlungen zufrieden gezeigt. "Ich trage das mit", sagte er. Doch: Die ÖVP "hat die Millionäre geschützt" (mehr dazu siehe hier). Auch der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky begrüßt die Steuerreformpläne. "Die Entlastung der niedrigen Einkommen ist natürlich zu begrüßen". Auch die knappen fünf Mrd. Euro für die Tarifsenkung seien in Ordnung. Der Regierung empfiehlt er jedoch, rasch an Reformen im Förderalismus- und Bildungsbereich weiterzuarbeiten.
Kritik
Die Oppositionsparteien haben mehr an der Einigung auszusetzen: Vehemente Kritik üben FPÖ und Team Stronach. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache nannte am Freitag das von der Regierung geplante Vorhaben ein "kümmerliches Paketchen" und hielt der Regierung vor, sich nicht dem Ausgabenproblem zu widmen. Für Team Stronach Klubobfrau Waltraud Dietrich ist die Reform eine "bloße Geld-Umverteilaktion", die nur "Wohlfühlzahlen" verwende.
Zustimmung zur KESt offen
Auch die Grünen üben scharfe Kritik an der Steuerreform. Klubobfrau Eva Glawischnig und Budgetsprecher Bruno Rossmann sprachen bei einer Pressekonferenz am Freitag lediglich von einer "Tarifanpassung", von der vor allem Spitzenverdiener profitieren würden. Ob sie der Regierung die nötige Zweidrittelmehrheit für eine Erhöhung der Kapitalertragssteuer (KESt) liefern werden, halten sie sich noch offen.
Leitl hätte sich mehr gewünscht
Auch Wirtschaftsbundobmann und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hätte sich "mehr gewünscht" von der Steuerreform. Zugestimmt hat er im ÖVP-Vorstand aber doch, erklärte er im Anschluss gegenüber der APA. Er hofft noch auf etwaige Änderungen im parlamentarischen Prozess. Betreffend Bankgeheimnis pocht er darauf, dass die Offenlegung künftig nur "bei begründetem Verdacht" erfolgen soll.
Kritik kommt auch vom Präsidenten des Katholischen Familienverbands, Alfred Trendl. Er betonte, dass die Politik die Familien mit der Reform "für dumm verkaufen" wolle und ihnen besonders durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer schade. Nicht vereinbar sei für Trendl die Steuerreform mit der Ansage, Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas zu machen. Einen "Skandal" sieht er darin, dass "Mehrkindfamilien durch die Steuer armutsgefährdet werden".
"Betonklotz"
"Die Steuerreform darf nicht zu einem zusätzlichen Betonklotz werden": Kritisch äußerte sich im Ö1-Morgenjournal auch Günter Stummvoll von der Initiative "Der Mittelstand". Die Reform reiche nicht aus, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, es brauche zusätzliche Maßnahmen.
Kommentare