Rote Steuer-Revolte: "Wir haben es so satt"
Die Stimmung unter Österreichs Arbeitnehmern ist im Keller wie selten zuvor. Den Frust in den Belegschaften bekommen die Betriebsräte ab. Dort kommt alles zusammen: Der Ärger über die vielen Steuerzahler-Milliarden für die Hypo. Die Tatsache, sich trotz guter Lohnabschlüsse immer weniger leisten zu können. Der Ärger über die ungerecht verteilte Steuerlast. Und zuletzt noch die Angst vor dem geplanten 12-Stunden-Tag.
Andreas Martiner, Betriebsrat für 1700 Mitarbeiter beim Maschinenbauer Andritz, schildert die Ursachen für den "großen Unmut" unter seinen Kollegen fast wortident. Sein Beispiel: Bei einem Metall-Facharbeiter aus einer mittleren Gehaltsstufe machten die 2,8 Prozent Lohnerhöhung aus dem Herbst 64 Euro aus, davon bleiben netto 33 Euro über. "Das löst bescheidene Freude aus, weil für andere Dinge sind Milliarden vorhanden. Aber nach dem Hypo-Skandal jetzt auch noch den 12-Stunden-Tag zu bringen, ist nicht nur vom Timing her ein Wahnsinn. Da geht es schön langsam auch um die Glaubwürdigkeit der eigenen Partei (SPÖ). Es wird für uns immer schwieriger, das zu argumentieren."
Wegen der Steuerlast von mittlerweile 45 Prozent begehren auch mehr und mehr Unternehmer auf. "Da ist wirklich enormer Frust zu spüren", sagt Steuerberater-Präsident Klaus Hübner. Ein genereller Steuerstreik würde das "System zum Kippen" bringen, warnt der Interessensvertreter. Aber "den Einzelfall kann man durchaus nachvollziehen."
"Leute drehen durch"
"Wir sind in einem Konkurrenzkampf, der Druck am Arbeitsplatz steigt, das Leben wird immer teurer, und die Banken versemmeln das ganze Geld." So beschreibt Günter Blumenthal die Stimmung unter der Belegschaft, die er vertritt. Das sind 16.000 Mitarbeiter bei der ÖBB-Infrastruktur, wo er Zentralbetriebsratsobmann ist, und 40.000 im Gesamtkonzern, wo er Betriebsrats-Vizechef ist.
"Wenn man sich die Reallohneinbußen ansieht, müsste man ja 15 Prozent Gehaltserhöhung fordern. Aber das wollen die Arbeiter gar nicht. Sie sind tief in ihrem Unternehmen verwurzelt, machen sich Sorgen um ihren Betrieb und sind sehr bescheiden. Die Manager hingegen haben Fünf-Jahres-Verträge und sind dann wieder weg. Die haben keine Skrupel, aus den Unternehmen Geld abzuziehen", schildert Blumenthal die Stimmung.
Die Hypo sei ein Ventil, an dem sich der Unmut entlädt. "Wenn von uns einer sein Haus nicht abzahlen kann, kommt niemand und sagt: ’Ich zahl’s für dich, ich erlass’ dir die Schulden.’ Aber den Banken und den Managern, die das alles versemmeln, wird noch Geld nachgeworfen. Da wird einem Arbeitnehmer schlecht dabei. Kein Wunder, dass die Leute durchdrehen." Es sei furchtbar, mitanzusehen, wenn sich alleinerziehende Mütter genieren, weil sie ihren Kindern keine neuen Hosen kaufen können. "Das ist kein Schreckensbild von mir. Das ist die Realität." Auch wenn beide Elternteile arbeiten, gehe es sich oft nur "mit dem letzten Cent" aus. Blumenthal: "Der Schulschikurs ist oft schon zu teuer."
Man kennt Erich Foglar als sachlich-nüchternen Gewerkschafter, zurückhaltend in Sprache und Argumentation.
Aber der ÖGB-Präsident kann auch anders. Er ist von einem heiligen Zorn über die Regierung erfasst. "Wir haben es so satt", lässt er im KURIER-Gespräch seinen Unmut vom Stapel. "Ich weigere mich, weiterhin Lohnerhöhungen nur für den Finanzminister zu verhandeln", sagt Foglar mit Verweis auf die jüngste Wifo-Studie, wonach sich die guten Lohnerhöhungen, die die Gewerkschaften heraus verhandeln, wegen der hohen Steuern und Abgaben ständig in Reallohnverluste verwandeln. "Bei den Bruttolöhnen erreichen wir in den Kollektivvertragsverhandlungen stets ein Plus über der Inflationsrate. Aber sobald die Abgaben und Steuern abgezogen werden, wird daraus ein reales Minus", wettert der Arbeitnehmer-Boss.
Wenn die Regierung nicht "sofort" eine Arbeitsgruppe für eine neue Lohnsteuerstruktur einsetzt, "dann fordere ich, die Lohnsteuern auf dem Niveau von 2010 einzufrieren. Dann gibt es eben auch bei der Lohnsteuer einen Stopp."
Dass nun selbst der ÖGB-Boss zum Steuerrebellen wird, darf sich die Regierung zugute halten. Sie hat ins Vorblatt zum neuen Grunderwerbs-Steuergesetz geschrieben: "Ziel des Gesetzes ist, dass es zu keinen signifikanten Änderungen des Steueraufkommens führt." Foglar: "Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist Klientelpolitik der übelsten Sorte. Die Lohnsteuer steigt jedes Jahr: 2010 betrug sie 21,6 Milliarden, 2013 23,9 Milliarden und 2017 will die Regierung laut ihrem Finanzrahmen 30 Milliarden Lohnsteuer einnehmen. Und bei den Grundbesitzern wird das Steueraufkommen eingefroren. Das ist schlicht inakzeptabel. Wir sind nicht mehr bereit, alles zu zahlen und nur noch für den Finanzminister Lohnerhöhungen zu verhandeln. Soll die Regierung doch bei den Lohnsteuern einmal hineinschreiben, dass das Aufkommen nicht signifikant steigen darf!"
Foglar fordert: Deutliche Senkung des Eingangssteuersatzes von derzeit 36,5 Prozent. Eine flachere Steuerprogression, "denn sonst ist der Effekt nach zwei Lohnerhöhungen wieder weg." Bis Jahresende müsse das neue Steuerkonzept "mit Hochdruck" erarbeitet werden. Im Lauf des nächsten Jahres – "auf ein halbes Jahr auf oder ab kommt es nicht an, der Inhalt ist wichtig" – müsse die Steuersenkung in Kraft treten. Foglar droht: "Mit einer kosmetischen Korrektur werden wir uns nicht zufrieden geben. Die niedrigen und die mittleren Einkommen müssen nachhaltig entlastet werden."
Gerhard Höller, Trafikant aus Wagrain, hat damit begonnen. Wolfgang Reichl, Veranstalter von Führungskräfte-Seminaren aus Mattsee, tut es ihm gleich. Und zahlreiche Unterstützer oder gar Nachahmer dürften folgen. Zumindest wenn die Resonanz im Internet auf ihren Steuerstreik als Gradmesser taugt.
Höller und Reichl führen aus Protest gegen die "Verschwendung des Steuergeldes" die Umsatzsteuer nicht ab, bekommen Versäumniszuschläge aufgebrummt, riskieren Strafen. "Aber das ist mir die Aktion wert", sagt Höller zum KURIER. Auslöser war für den rebellischen Trafikanten der Hypo-Skandal, "sauer bin ich aber schon seit dem Eurofighter-Kauf." Höller: "Ich will ein Zeichen setzen, damit ein Umdenken stattfindet. Damit mit unserem Geld sorgsamer umgegangen wird und nicht nur mehr Banken gerettet werden und Roulette gespielt wird."
Auch für Wolfgang Reichl hat das Hypo-Debakel das "Fass zum Überlaufen" gebracht. Reichl hat die Finanz aufgefordert, ihm ein Treuhandkonto zu nennen, auf das er seine Umsatzsteuer einzahlt. Er schreibt in einem Protestbrief an Finanzminister Michael Spindelegger: "Nachdem das Vertrauen in die Finanzregierung wieder (von Ihnen) hergestellt wurde, können Sie gerne über dieses Treuhandkonto verfügen." Unternehmer Reichl sagt zu seiner Protest-Motivation: "Leistung lohnt sich nicht mehr in Österreich. Bei uns heißt es ’work like hell’: 12, 14 Stunden am Tag. Aber es bleibt einfach zu wenig übrig."
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