Statistik-Austria-Chef will Aufsicht durch Nationalrat

Statistik-Austria-Chef will Aufsicht durch Nationalrat
Nach Wirbel um Einflussnahme meldet sich Generaldirektor zu Wort. Regierung weist Eingriff in Unabhängigkeit derweil zurück.

In der Debatte um die Zukunft der Statistik Austria meldet sich nun Generaldirektor Konrad Pesendorfer zu Wort: Um die Unabhängigkeit zu wahren, fordert er, dass sie unmittelbar dem Nationalrat unterstellt wird. An der Spitze soll ein Präsident stehen, der im Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt wird, schlägt Pesendorfer in einem Brief an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und den Nationalrat vor, der der APA vorliegt.

Zuletzt wurde kolportiert, dass das Kanzleramt die Statistik Austria massiv umbauen will. Die Statistik Austria wurde 2000 ausgegliedert und agiert derzeit weitgehend unabhängig. Ihre Kommunikation soll aber künftig vom Kanzleramt aus koordiniert werden, berichtete der Standard, weiters ist die Rede von einer Verkleinerung der Presseabteilung und einer Auflösung der Abteilung für Analyse. Pesendorfer, der ehemalige wirtschaftspolitische Berater von Kanzler Werner Faymann (SPÖ), ist nicht Mitglied der Reformgruppe, sein Vertrag, der Ende 2019 ausläuft, soll angeblich nicht verlängert werden.

Die Opposition reagierte empört und sieht die Unabhängigkeit gefährdet. Kanzler Kurz meinte am Mittwoch lediglich: "Das kann sein. Wir nehmen immer wieder Veränderungen vor, aber von meiner Seite ist nichts Konkretes geplant."

Pesendorfer geht in Offensive

Pesendorfer ging nun jedenfalls in die Offensive und schrieb einen Offenen Brief an den Kanzler und die Präsidiale des Nationalrates, bestätigte er auf Nachfrage der APA. Der Statistik-Direktor verweist darin auf die EU-Statistikverordnung, die etwa die Grundsätze "Fachliche Unabhängigkeit", "Unparteilichkeit", "Objektivität" und "Zuverlässigkeit" vorgebe. Er teile die Einschätzung des Bundeskanzleramts, dass 19 Jahre nach der Ausgliederung "Reformüberlegungen sinnvoll und legitim" seien - diese müssten aber im Einklang mit den Grundsätzen der EU stehen, zudem sei "die Stärkung der Unabhängigkeit der Statistikerstellung und -verbreitung in Österreich im allgemeinen Interesse".

Der Generaldirektor schlägt deshalb vor, dass die Statistik Austria in Analogie zum Rechnungshof "unmittelbar dem Nationalrat unterstellt und ihre Unabhängigkeit verfassungsrechtlich verankert" werden sollte. Um die Überparteilichkeit der Statistik Austria sicherzustellen, solle es einen Präsidenten oder eine Präsidentin "mit vollinhaltlicher und budgetärer Verantwortung" geben, und zwar für eine fixe Funktionsperiode. Die Auswahl soll transparent ablaufen, die Wahl mittels Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erfolgen.

Weiters solle dieser Präsident dann dem Nationalrat rechenschaftspflichtig sein, findet Pesendorfer. Einmal im Jahr soll ein Statistikprogramm erstellt werden, "das alle wesentlichen Bereiche und Phänomene des Landes statistisch abdecken soll" und vom Nationalrat genehmigt wird. Dafür soll die Statistik Austria als Statistikbehörde der Republik für das Erlassen von Verordnungen zur Durchführung statistischer Erhebungen, die Produktion, die Verbreitung und die Kommunikation von Statistiken verantwortlich sein, fordert Pesendorfer. Alle Ergebnisse sollten einfach elektronisch und zeitnah für alle zugänglich sein. Das Parlament könnte eine Statistische Beratungsstelle bekommen. Zu guter Letzt pocht Pesendorfer auf eine "ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung". Er stehe jederzeit für Gespräche bereit, betonte Pesendorfer.

Unterdessen hat die Regierung den Vorwurf zurückgewiesen, in die Unabhängigkeit der Statistik Austria eingreifen zu wollen. Dazu veröffentlichte das Kanzleramt am Donnerstag Unterlagen einer Arbeitsgruppe zur "Optimierung der Organisation der Statistik Austria". Den Vorstoß von Generaldirektor Konrad Pesendorfer, die Statistik Austria dem Parlament zu unterstellen, wollte das Kanzleramt nicht kommentieren.

Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal betonte am Donnerstag, "dass keine Ansiedelung der Pressearbeit ins Kanzleramt geplant ist". Zum Beleg veröffentlichte das Kanzleramt den Projektauftrag und eine Zwischenbilanz einer im September 2018 eingesetzten Arbeitsgruppe zur "Optimierung der Organisation der Statistik Austria". Darin wird die Verkleinerung der Öffentlichkeitsarbeit von acht auf zwei Personen damit begründet, dass Aufgaben wie das Erstellen von Infografiken, die Betreuung der Website und die Organisation von Veranstaltungen in andere fachlich zuständige Bereiche verlagert werden sollen. Die Pressestelle soll sich demnach auf die reine Medienarbeit konzentrieren.

Auflösung "Stabstelle Analyse"

Die Auflösung der 2011 eingerichteten "Stabsstelle Analyse" wird damit begründet, dass das ursprüngliche Konzept "gescheitert" sei. Demnach war geplant, "durch aktive Akquisition externer Analyseaufträge umsatzsteigernd zum betriebswirtschaftlichen Ergebnis beizutragen". Tatsächlich habe die Abteilung aber durchschnittlich 191.000 Euro Verlust pro Jahr gemacht und vorwiegend unentgeltliche Projekte betreut. Daher wurde beschlossen, die Stabsstelle Anfang 2019 aufzulösen.

Auch eine komplette Eingliederung der 2000 ausgelagerten Bundesanstalt werde es nicht geben. "Die Statistik Austria soll unabhängig sein. Es gab seit Regierungsantritt im Dezember 2017 keinen Eingriff des Bundeskanzleramts in die operative Arbeit der Statistik Austria", so Launsky-Tieffenthal.

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