Leonore Gewessler: Was stimmt ist, dass unser Ziel, bis 2030 nur mehr Strom aus erneuerbaren Ressourcen zu generieren, sehr ehrgeizig ist. Wir wollen dieses Gesetz bis zum Sommer in die Begutachtung bringen und dann umsetzen, und dabei die bisherigen Hemmschuhe aus dem Weg räumen. Das ist aber eine große Chance zur Modernisierung und Ökologisierung Österreichs und ein großer Schritt Richtung Klimaneutralität.
Was waren denn die bisherigen Hemmschuhe?
Gewessler: Zum Beispiel, dass es für die E-Branche nur sehr kurzfristige Ziele und Perspektiven gab. Damit war eine durchgängige Planungssicherheit nicht gegeben. Das ist für Investitionen bis hin zu Ausbildungsprogrammen problematisch. Diese Planbarkeit und Planungssicherheit wird es künftig geben.
Leonhard Schitter: Klar ist, es geht hier um das größte Infrastrukturprojekt seit vielen Jahrzehnten. Energiewende bedeutet ja nicht nur Transformation des Strombereiches, wir reden von einem gesamthaften Systemwandel, von einer Mobilitätswende, wenn derzeit 30 Prozent unseres CO2-Ausstoßes von Pkw und Lkw kommen, und von einer Wärmewende. Wir können nur CO2-neutral werden, wenn wir auch das verändern. Das ist eine Herkulesaufgabe, der wir uns stellen. Wir haben ohnehin keine andere Wahl.
Was meinen Sie mit Herkulesaufgabe?
Schitter: Bis 2030 den Strom nur aus Erneuerbaren zu erzeugen, ist extrem ambitioniert, weil wir die riesige Menge von 27 Terawattstunden produzieren müssen. Das heißt, dass wir alle drei Minuten eine Fotovoltaik-Anlage fertigstellen müssen, alle vier Tage eine neue Windkraftanlage, und alle zweieinhalb Jahre eine Wasserkraftanlage bauen.
Aber ist das machbar?
Gewessler: Politik ist dazu da, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass diese Entwicklung möglich wird.
Schitter: Es geht schon, wir müssen halt die bisherigen Anstrengungen verdoppeln, und dafür brauchen wir vor allem die rechtlichen Rahmenbedingungen.
Zudem soll es „Energiegemeinschaften“ geben, was soll das sein?
Gewessler: Menschen, die in räumlicher Nähe leben, können gemeinsam, etwa mit Fotovoltaik, Strom produzieren und konsumieren. Das ist derzeit nicht möglich, aber ein zentraler Baustein der Energiewende. Es wird viel Akzeptanz für die Energiewende generiert, wenn die Menschen selbst Teil der Wende sind.
Und solche Modelle freuen die E-Wirtschaft?
Schitter: Ein spannendes Thema. Diese Genossenschaften helfen uns, die Klimaziele zu erreichen. Und die Frage bleibt, wer dann diese Gemeinschaften betreut und managt. Dazu braucht es Experten und Unternehmen, die das können. Und es wird Backup-Systeme brauchen, denn eine völlige Energieautarkie ist zwar ein schöner Gedanke, es braucht aber eine Versicherung, wenn zu wenig Strom da ist, und damit gibt es für uns neue Möglichkeiten.
Was wird das alles kosten?
Gewessler: Ausgemacht ist, dass es eine Milliarde pro Jahr Fördervolumen geben wird. Ich würde aber den Fokus verschieben, es sind ja keine reinen Kosten, sondern Investitionen in unsere Zukunft, in heimische Wertschöpfung und Industrie. Und wir geben am Ende um 10 Milliarden Euro weniger für Energieimporte aus. Das Teuerste im Klimaschutz ist nämlich nichts zu tun!
Schitter: Außerdem werden wir uns mögliche Strafzahlungen ersparen, die könnten sechs, sieben Milliarden Euro ausmachen.
Bisher hakte es beim Ausbau der Hochspannungsnetze. Was wollen Sie da ändern?
Gewessler: Wir schauen ja immer nur auf die schwierigen Fälle. Wir könnten aber auch auf den Leitungsausbau schauen, der völlig unproblematisch abläuft, etwa im Weinviertel. Als Grüne und Bürgerin sage ich aber, ein Ausbau kann nicht auf Kosten der Bürgerbeteiligung gehen. Wir müssen die Menschen mitnehmen, wir wollen eine breite Akzeptanz haben.
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