Schellhorns 113 Kieselsteine: Welche Maßnahmen die wichtigsten sind
Josef Schellhorn hat „Kieselsteine“ im Schuh gesucht – und vorerst 113 gefunden. Das ist die Zahl der Maßnahmen des ersten Pakets zur Entbürokratisierung, das der Staatssekretär (Neos) am Mittwoch mit Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) präsentierte. Weitere Steine sollen folgen – sei es im Rahmen der Föderalismusreform oder der Industriestrategie. „Das wird heute nicht das letzte Paket gewesen sein“, verspricht Schellhorn. Wie beurteilen Betroffene und Opposition das Paket?
WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz sieht einen ersten Schritt – pocht aber auf weitere Maßnahmen wie das Ende der Belegausdruckspflicht. Ähnlich bewerten das Industriellenvereinigung und Handelsverband. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz hält das Paket für einen „Bauchfleck“, der Staatssekretär solle zurücktreten.
Zum Inhalt: Die Regierung unterteilt die Maßnahmen in drei Kategorien – je nachdem, ob sie vor allem Bürgern, Betrieben oder bei der Modernisierung der Verwaltung helfen. Einige Punkte, wie die Verlängerung der Pkw-Pickerl-Intervalle, waren bereits bekannt – andere nicht. Die Umsetzung wird größtenteils noch Monate dauern. Offen bleibt, wie viel sie dem angeschlagenen Budget bringen. Anbei ein Überblick über die wichtigsten Maßnahmen.
Bürger
Türkis-Rot-Pink will Bürgerinnen und Bürger Wege vereinfachen oder abkürzen – und zwar vor allem über den Hebel der Digitalisierung.
- Pkw-Pickerl: Derzeit müssen Autolenker nach fünf Jahren regelmäßig – also einmal jährlich – in die Werkstatt. Die Intervalle sollen auf 4-2-2-2-1 Jahre verlängert werden. Hanke geht von einer Umsetzung im nächsten Jahr aus. Gleichzeitig müssen Lenker ihre Pickerl-Gutachten künftig nicht mehr fünf Jahre lang aufbewahren. Wie lange sonst? Die Regierung überlegt noch, was eine praxistaugliche Dauer sein könnte.
- Meldebestätigungen: Für eine Wohnbauförderung muss man historische Meldebestätigungen über frühere Wohnsitze nachweisen – und dieses persönlich bei der Behörde beantragen. Diese Bestätigungen sollen künftig auch via ID Austria verfügbar sein.
- Urkunden: Wer etwa im Ausland heiraten will, muss diverse österreichische Dokumente vorweisen – und benötigt dafür eine offizielle Beglaubigung. Dieser Behördenweg soll künftig auch digital möglich sein. Zweitens: Die Regierung will grundsätzlich die Vorlagepflichten von Urkunden reduzieren. Wer einen Ausweis beantragt muss dann künftig praktischerweise dafür keinen Ausweis mehr vorlegen, weil die Unterlagen ja ohnehin im Register digital gespeichert sein müssen. „Die Behörde soll dann tunlichst selber in das digital verfügbare öffentliche Register schauen und diese Arbeit nicht auf die Bürger abwälzen“, heißt es in der Zusammenfassung der Bundesregierung.
- Digitales Konsulat: Auch die Arbeit von Botschaften soll digitaler werden. Wer im Ausland lebt, muss für eine Passauskunft beispielsweise immer noch persönlich zur Botschaft kommen. Das und andere Wege sollen bald auch online möglich sein.
Einkommensteuer Derzeit müssen Bürger ihre Steuerzahlungen manuell eintippen – sei es der IBAN oder der Betrag. Die Regierung will das mit einem QR-Code vereinfachen.
- Aufenthaltstitel: Wer einen Erstantrag auf einen Aufenthaltstitel in Österreich stellt, soll künftig nicht mehr alle nötigen Dokumente persönlich zum Sachbearbeiter bringen müssen. Türkis-Rot-Pink will dafür sorgen, dass „ausgewählte Verfahrensschritte“ auch „schnell und einfach online“ erledigt werden können. Welche das genau sind, muss noch konkretisiert werden.
Verwaltung
Die Regierung will bekanntlich Verfahren beschleunigen und doppelgleisige Strukturen in der Verwaltung vereinfachen.
- Ozonberichte: Das Umweltbundesamt, aber auch zehn Bundesländer, kontrollieren derzeit täglich die Ozonwerte in Österreich. Die Regierung will das bis Ende 2026 „einfacher“ regeln.
- Beschaffung: Derzeit seien die vergaberechtlichen Vorgaben für öffentliche Auftraggeber zu kompliziert. Eine „innovative öffentliche“ Beschaffung soll umgesetzt werden. Wie? Konkrete Details sind ausständig.
- Gebührenreform: Eine standesamtliche Trauung kostet 5,45 Euro, ein Personalausweis 2,10 Euro: In der Bundesverwaltungsabgabenverordnung gibt es derzeit rund 450 unterschiedliche Tarifposten. Die Regierung will dieses System nachvollziehbarer machen. Heißt: Es vor allem durch pauschale Gebührensätze vereinheitlichen. Das soll es erstens transparenter machen, aber auch die Arbeit der Administration vereinfachen.
- UVP-Prüfungen: Aus Sicht der Regierung dauern Umweltverträglichkeitsprüfungen derzeit zu lange. Dass Hattmannsdorfer Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen will, ist nicht neu. Das UVP-Gesetz soll dafür grundlegend überarbeitet werden.
- Brandmelder: Unternehmen müssen jedes Jahr ihre Brandmelder vom Fachmann warten lassen – und bekommen dennoch einen zusätzlichen Besuch vom Kontrolleur. „Wir schaffen diese überflüssige zusätzliche Prüfung ab, damit KMUs entlastet und Behörden nicht unnötig gebunden werden“, heißt es. Denn auch Verwaltungsbeamte wollten sinnstiftende Arbeit machen und nicht Kontrollen kontrollieren.
- Anti-Doping-Gesetz: Das Bundesgesetz soll die Gesundheit von Sportlern schützen und die Fairness im Sport gewährleisten. Der Verwaltung erleichtert es den Alltag aber nicht wirklich, denn sie muss pro Quartal einen Bericht vorlegen. Aus Sicht der Regierung reicht auch der jährliche Tätigkeitsbericht als Informationsgrundlage aus.
- Sachverständige: Antragsteller müssen oft lange auf Fachgutachten warten – weil es an Sachverständigen mangelt. Die Regierung empfiehlt den Bundesländern deshalb, Sachverständigenpools zu bilden – und Fachleute über die Landesgrenzen hinweg auszutauschen.
Unternehmen
Das Gewerberecht soll grundsätzlich vereinfacht, Dokumentationspflichten sollen zurückgefahren und vieles digitalisiert werden.
- Aufbewahrung: Viele Betriebe müssen Rechnungen oder Lieferscheine lange aufbewahren. Die Regierung will die Erfüllung sogenannter „Aufbewahrungspflichten“ für sämtliche Dokumente auch in digitaler Form ermöglichen.
- Buchführungsgrenzen: Dass viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu einer doppelten Buchhaltung gezwungen sind, ist aus Sicht von Türkis-Rot-Pink nicht mehr zeitgemäß. Deshalb will sie die Schwellenwerte für die Buchführungspflicht verändern – etwa die Umsatzgrenzen von einer Million Euro auf 1,5 Millionen anheben.
- Abfallwirtschaftsgesetz: Dieser Punkt wurde schon vor rund einem Monat publik: Aus Sicht der Regierung müssen KMUs zu viele Nachweise – wie ein Abfallwirtschaftskonzept oder Abfallbilanzen – vorlegen. Die Regierung will eine effizientere Ausgestaltung des Gesetzes 2026 finalisieren.
- Nebenerwerb: Wer etwa neben dem Hauptjob an einer Fachhochschule unterrichtet, muss diesen Nebenverdienst melden, sobald gewisse Schwellenwerte überschritten sind. Diese Schwellenwerte seien seit 2001 nicht mehr angepasst worden, weshalb sie die Regierung erhöhen will.
- Dokumente: Internationale KMUs dürfen künftig auch englischsprachige Dokumente bei Behörden vorlegen. Bisher mussten sie diese übersetzen lassen.
- Wasser-Wasser-Wärmepumpen: Ersetzt ein Unternehmer seine Gasheizung durch eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe, muss er dafür wasserrechtliche Verfahren durchlaufen. Aus Sicht der Regierung dauern diese zu lange – selbiges gelte für Kleinkläranlagen.
- Seilbahnen: Derzeit müssen Betreiber für jede Seilbahn einen Betriebsleiter bestellen. Und: Die Behörde muss jeden Betriebsleiter genehmigen. Künftig soll ein Betriebsleiter nicht nur eine, sondern alle vergleichbaren Seilbahnen bedienen dürfen.
- Jahresabschluss: Große Aktiengesellschaften müssen ihren Jahresabschluss nicht nur an das Firmenbuchgericht schicken, sondern ihn auch im „Amtsblatt der Wiener Zeitung“ veröffentlichen. Die Regierung streicht diese Pflicht laut eigenen Angaben, da „der Veröffentlichung in der Wiener Zeitung kein relevanter öffentlichkeitswirksamer Nutzen mehr zukommt“.
Kommentare