"Raus aus Papierzeitalter": Wie Hattmannsdorfer Bürokratie abbauen will

SOMMERMINISTERRAT: PRESSEFOYER - SCHELLHORN/HATTMANNSDORFER/HANKE
Türkis-Rot-Pink präsentiert heute sein Paket zur Deregulierung. Welche Schwerpunkte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) setzt.

Österreichs Verwaltung soll schlanker werden – und heute Vormittag fällt dafür der Startschuss: Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) und Josef Schellhorn, Neos-Staatssekretär für Deregulierung, präsentieren, welche Vorschriften Türkis-Rot-Pink nun abschaffen will.

Von rund 100 Punkten sprach Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) zuletzt. Die Verhandlungen über das finale Paket würden noch bis spät in die Nacht dauern, heißt es am Dienstag aus Verhandlerkreisen zum KURIER. Diverse Vorschläge kursieren medial bereits seit Wochen. Zum Beispiel sollen die Intervalle, in denen Pkw-Besitzer ein neues Pickerl machen müssen, von einem auf zwei Jahre verlängert, zahlreiche Dokumentationspflichten abgeschafft oder das Abfallwirtschaftsgesetz vereinfacht werden. Geht es noch konkreter?

Hattmannsdorfer will "5.000" Kontrollwege sparen

Dem KURIER liegen zwei Maßnahmen Hattmannsdorfers vor, die es ins Paket geschafft haben. Die erste ist nicht neu: Genehmigungsverfahren sollen künftig nach dem One-Stop-Shop-Prinzip abgewickelt werden: Es gibt nur ein Verfahren und einen Bescheid. Regeln will Hattmannsdorfer das über das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz – die finale Version fehlt noch.

Zweitens: Derzeit müssen Gewerbetreibende Überprüfungsbefunde über ihre Betriebsanlagen – zum Beispiel Gasinstallationen – aufbewahren. Künftig sollen sie diese direkt digital an Behörden übermitteln können. „Das spart 5.000 Kontrollwege im Jahr und bringt uns raus aus dem Papierzeitalter und rein in eine moderne Verwaltung“, sagt Hattmannsdorfer.

Kritik an EU-Vorgaben

Dass Österreichs Verwaltung schneller sein könnte, zeigt ein Beispiel der World Bank Group von 2020: Während die Verwaltungsschritte für den Bau einer Lagerhalle in Wien 222 Tage dauern, sind es in Kopenhagen nur 65. Ökonom Jan Kluge vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria findet es „gut, dass die Regierung 100 Regeln abschaffen will. Aber den Unternehmen bringt die Reform des Pkw-Pickerls eher wenig.“

Was sonst? Erstens, so Kluge: Der Abbau von EU-Berichtspflichten – ob Lieferketten-Richtlinie, Lohntransparenz-Richtlinie oder Entwaldungsverordnung. Diese wurden teilweise schon aufgeschoben oder zurückgenommen, sorgen laut Kluge aber weiterhin für Rechtsunsicherheit bei Betrieben: „Es ist eine Mischung aus Bürokratie und Regulierung, die – und das ist neu – mit enormen Strafandrohungen der EU versehen sind.“ Österreich solle zumindest aufhören „Gold-Plating“ zu betreiben – also die EU-Vorgaben zu übererfüllen.

Zweitens pocht auch Kluge auf schnellere Genehmigungsverfahren. Das EABG sei ein guter Schritt, aber es gehe noch viel mehr: „Jedes Bundesland hat immer noch eine eigene Bauordnung.“ Kluge glaubt nicht an den großen Wurf: „Wenn 100 Regeln abgeschafft werden, kommen in kürzester Zeit 100 neue.“ Zudem müssten nicht nur Regeln, sondern auch Verwaltungspersonal abgebaut werden: „Aber hier passiert gar nichts, im Gegenteil: Österreichs Verwaltung wächst.“

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