Im April 2011 wurde Sebastian Kurz, Chef der Jungen ÖVP und Gemeinderat in Wien, von Vizekanzler Michael Spindelegger als Integrationsstaatssekretär installiert.
Anfangs als „Bubi“ und „Grasser-Verschnitt“ (Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser) verhöhnt, sprachen ihm politische Kommentatoren im Innenministerium neben „Hardlinerin“ Johanna Mikl-Leitner bald eine ausgleichende Rolle zu.
Zum Thema Asyl äußerte sich der 24-Jährige explizit nicht – sein Thema war Integration. Und da hat er schon in seinem ersten halben Jahr im Amt einiges aufgeboten: Es gab 143 Integrationsprojekte; Kurz legte den Schwerpunkt auf Sprachförderung. Deutsch sei der Schlüssel zur Integration, so seine Überzeugung.
Zudem war Kurz schon als 24-Jähriger ein Meister der Inszenierung – im positiven Sinne (ein Interview mit dem Migrantenmagazin Das Biber am Kebabstand sei nur nebenbei erwähnt). Kurz schickte so genannte „Integrationsbotschafter“ in Schulen, darunter Promis wie Arabella Kiesbauer. Er wollte „motivieren und Vorurteile abbauen“. Vereine und Zivilgesellschaft hatten für ihn einen hohen Stellenwert.
Der junge Staatssekretär wollte verbinden – entsprechend sanft war sein Ton: In Interviews meinte er, dass Migranten zu ihrer Herkunft stehen, aber „im Herzen Österreicher“ sein sollten. Von schärferen Gesetzen hielt er nicht viel. Es gehe „um fördern, nicht um fordern“; auch die Mehrheitsbevölkerung habe Pflichten.
"Integration durch Leistung"
Der Ton mag anders gewesen sein, auf eines pochte er damals wie heute: Leistung. Nicht nur im Integrations-, sondern auch im sozialpolitischen Bereich. Als JVP-Chef fand Kurz es inakzeptabel, dass die Lehrlingsentschädigung im ersten Jahr teils niedriger war als die Mindestsicherung und forderte einen Mindestlohn. Den Standpunkt „wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein“ behielt er bei.
Eine Kehrtwende gab es doch: Als Integrationsstaatssekretär hatte Kurz „kein Problem mit Kopftüchern“ – in Österreich gelte schließlich Religionsfreiheit. Die damals von der FPÖ betriebene Debatte über ein Kopftuch- bzw. Burka-Verbot bezeichnete er als „populistisch“ – „in der Sache gewinnt man wenig“, sagte er im Mai 2011.
Im Mai 2019 setzte die ÖVP mit der FPÖ ein Kopftuchverbot an Volksschulen um – beide wollten dieses Verbot noch auf die Unterstufe und Lehrerinnen ausweiten.
Grüne, die heute behaupten, Kurz habe sich zu Koalitionszeiten bei diesen Themen „in Geiselhaft der Blauen“ befunden, machen es sich freilich zu einfach.
Mit 27 Jahren wurde er Außenminister, rühmte sich nach der Migrationskrise 2016 damit, die Balkanroute geschlossen zu haben, sprach von „NGO-Wahnsinn“ und kritisierte „Zuwanderung ins Sozialsystem“. 2017 entriss der inzwischen türkise Kanzler-Anwärter der FPÖ im Wahlkampf das Migrationsthema.
Auch dafür finden Grüne eine Erklärung: Kurz sei kein rechter Ideologe – er wisse schlicht, was angesagt ist: damals Migration, heute Klimaschutz und – als neues Trend-Thema – der drohende Wirtschaftsabschwung.
Der Vorarlberger Grünen-Chef Johannes Rauch drückte es kürzlich in einem KURIER-Interview so aus: „Kurz überlegt sich genau, was er für seine politische Karriere braucht. Deshalb halte ich ihn inhaltlich für relativ beweglich.“
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