SPÖ zieht gegen "Gedankenpolizei" ins Feld

SPÖ zieht gegen "Gedankenpolizei" ins Feld
Der VfGH prüft den Bundestrojaner. Dieser verletzt zahlreiche Grundrechte, sagt SPÖ-Justizsprecher Jarolim.

"Bespitzelung, Ausspähung, Gedankenpolizei" – es ist ein düsteres Szenario, das Hannes Jarolim zeichnet. "Tiefe Eingriffe in Persönlichkeitsrechte", ermöglicht durch das Sicherheits- bzw. Überwachungspaket, das die Koalition im vergangenen April beschlossen hat. "Dagegen gilt es anzutreten", sagt der Justizsprecher der SPÖ am Freitag und kündigt für Montag den Gang zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) an.

Konkret geht es um die Online-Überwachung mittels "Bundestrojaner". Mit dieser Spionagesoftware kann auch verschlüsselte Kommunikation überwacht werden. "Das ebnet den Weg in eine Überwachungsgesellschaft", glaubt SPÖ-Bundesrätin Elisabeth Grimling. Die Mandatsstärke im Bundesrat ermöglicht der SPÖ mittels Drittelantrag erst den Prüfantrag an den VfGH.

Fünf Grundrechtsverletzungen

Durch den Einsatz eines Bundestrojaners werden nicht weniger als fünf  Grundrechte verletzt, sagt der von Jarolim beigezogene Rechtsanwalt Ewald Scheucher: Privatsphäre, Datenschutz, Fernmeldegeheimnis, Meinungs- und Informationsfreiheit und Unschuldsvermutung. 

Für Scheucher ist der Bundestrojaner der "Embryo einer Gedankenkontrolle, der Einstieg in die Überwachung 4.0", in der alle privaten Äußerungen ausgelesen und ausgewertet werden könnten.

Einsatz bei Verdacht oder "Verdachtsauffindungstool"?

Und zwar völlig unverhältnismäßig. Denn laut Gesetz braucht es für den Einsatz der Überwachungssoftware einen konkreten Tatverdacht. Dabei wären aus Sicht Scheuchers in einem solchen Fall die klassischen Ermittlungsmethoden – Observation, Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von Computern  – wesentlich effektiver. 
Für den Juristen drängt sich jedoch der Verdacht auf, dass mit dem Bundestrojaner überhaupt erst ein "Verdachtsauffindungstool" geschaffen werden soll. 

Und noch einen Widerspruch zeigen Scheucher und sein Kollege Alexander Czadilek auf: Um eine solche Spionagesoftware überhaupt nutzen zu können, muss die ermittelnde Behörde (das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT) eine kritische Lücke im Sicherheitssystem nutzen. Dabei wäre es gerade auch eine Aufgabe des BVT, solche Lücken zu schließen.

Sicherheitslücken als Einfallstore für Kriminelle

Was passieren, wenn der Staat solche Lücken bewusst offen lässt, zeigte sich 2017 beim Erpressungstrojaner "WannaCry". Dieser drang über eine von der amerikanischen NSA genutzte (und von dieser nicht an Microsoft gemeldete) Sicherheitslücke im Betriebssystem Windows und legte ganze Krankenhäuser und Bahnhöfe lahm.

 

Wenn der Staat nun bewusst solche Sicherheitslücken offen lasse, werde dadurch die gesamte IT-Sicherheit Österreichs unterminiert. "Einfallstore für Kriminielle", heißt es im Antrag an den VfGH. Solche Lücken müssten zudem "am kriminellen Schwarzmarkt" gekauft werden – eine Finanzierung über Steuergeld sei daher "keineswegs zu rechtfertigen".

Nicht zuletzt seien die Anbieter solcher Spionagesoftware "dubiose" Firmen, die vor allem autoritäre Regime in Afrika und Nahost belieferten.

IT-Grundrecht und Sicherheitsenquete

Im Zuge ihres Prüfungsantrags regt die SPÖ die Schaffung zudem eines "IT-Grundrechts" an, das die "Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme" gewährleisten soll.

Aus Sicht Jarolims trifft das Überwachungspaket "alle – außer die Kriminellen und Terroristen", denn diese wüssten, wie sie das System umgehen könnten. Solange Polizei und Justiz "zu Tode gespart werden", brächten mehr Überwachungsmöglichkeiten nichts, sagt er. Außerdem verfügten die Behörden schon jetzt über ausreichend Möglichkeiten.

Für Jarolim geht es dabei um mehr als nur eine Gesetzesprüfung: Für ihn ist die Bekämpfung der ausufernden Überwachung, er spricht von "Überwachungskapitalismus", "die nächste historische Aufgabe der Sozialdemokratie". Daher plant die SPÖ im Frühjahr eine eigene Sicherheitsenquete.

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