Harald Mahrer: "SPÖ wird zur Nicht-Arbeit-Bewegung“
Der Präsident der Wirtschaftskammer über KV-Verhandlungen, Ultra-Populisten und Sonntagsreden in Energiefragen.
KURIER: Wann haben Sie vor, in Pension zu gehen?
Harald Mahrer: Für einen Selbstständigen stellt sich die Frage anders. Davon unabhängig: Wenn es Spaß macht, ich gesundheitlich die Fertigkeiten habe, werde ich sehr lange aktiv sein.
Die ÖVP will Anreize schaffen, damit Menschen länger arbeiten. Experten sagen, dass diese nicht reichen werden, um das Pensionsproblem zu lösen.
Selbstverständlich wird es das Problem nicht alleine lösen, aber es ist ein erster Schritt – vor allem, um die notwendige Debatte voranzutreiben. Das Pensionssystem wird nicht funktionieren, wenn wir alle früher in Pension gehen, nur 32 Stunden pro Woche arbeiten und davon ausgehen, dass Maschinen medizinisches Personal in Teilbereichen ersetzen.
Was tut die Wirtschaft konkret, damit Menschen länger arbeiten?
Der Vorwurf, die Wirtschaft treibe die Menschen in die Frühpension, mag früher vereinzelt gestimmt haben, weil jüngere Arbeitskräfte günstiger waren als ältere, doch diese Situation gibt es wegen des demografischen Wandels nicht mehr. Wir brauchen eine Debatte frei nach Kennedy: Was kann ich beitragen zur Gesellschaft – nicht, was kann ich abheben.
In welchen Branchen arbeiten Menschen schon länger als noch vor Jahren?
Im produzierenden Sektor gibt es viele, die nach körperlich schweren Arbeiten nun leichtere Tätigkeiten verrichten, ihr Know-how weitergeben. Es ist ein Vorurteil zu glauben, dass Menschen nicht länger arbeiten wollen. Die Menschen können aber auch rechnen und wollen dafür nicht finanziell bestraft werden. Ich verstehe jeden, der eine Güterabwägung trifft. Deshalb bin ich der Meinung, dass Anreize geschaffen werden sollen.
Das Anreizprinzip gilt auch für Teil- und Vollzeitarbeitende?
Menschen, die Vollzeit arbeiten, dürfen steuerlich nicht schlechter gestellt sein als Menschen, die Teilzeit arbeiten wollen. Ich weiß aus einer Universitätsklinik : Die Personalnot dort ließe sich beheben, würden Menschen, die Teilzeit arbeiten, nur ein bisschen mehr arbeiten.
Quantifizieren Sie „ein bisschen“?
Ein bis zwei Stunden pro Woche.
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Warum reden wir dann über die 32-Stunden-Woche?
Darüber reden Traumtänzer und Ultra-Populisten, die verweigern zu sehen, wie die Situation ist. Ich sehe im neuen Papier der SPÖ keinen Realitätsbezug, die Arbeiterbewegung wird zur Nicht-Arbeit-Bewegung.
Gehört „leistbares Leben“, wie von der SPÖ gefordert, in die Verfassung?
Ideen, die in Grimms Märchen passen würden, gehören nicht in die Verfassung. In die Verfassung gehört weniger hinein – nicht mehr.
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Derzeit wird der Metaller-KV verhandelt. Unternehmen wie die ÖBB sind gleichsam fein raus, weil der KV auf zwei Jahre abgeschlossen wurde. Sollte das Schule machen?
Es wird das ganze Jahr zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in unterschiedlichen Branchen verhandelt. Es ist gute sozialpartnerschaftliche Tradition, Konflikte am Verhandlungstisch auszutragen und nicht auf der Straße. Es wundert mich, dass sich manche Teile der Gewerkschaftsbewegungen auf das Niveau der Klimakleber, das der Straße begeben – auch, was die Ausdrucksweise betrifft. Wir sollten wieder an den Verhandlungstisch und dort durchaus über kreative Lösungen nachdenken.
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Was soll eine kreative Lösung sein? Das Ende der Benya-Formel?
Nichts im Leben ist in Stein gemeißelt. Doch dafür gibt es ja Branchenverhandlungen. Es ist in dieser schwierigen Verhandlungssituation Kreativität und Flexibilität gefragt und nicht Sturheit und Blockade. Die Fragestellung muss aber generell eine andere sein: Wie können wir als Standort wettbewerbsfähig sein? Wir betreiben alle eine Nabelschau, glauben, wir können es uns in Österreich richten und sind „nur“ abhängig von Deutschland.
Brauchen wir wie in Deutschland einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde?
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