SPÖ-Mitgliederbefragung: Frauen sicherten Rendi-Wagner den Parteivorsitz
Da stand sie nun im schwarzen Blazer, die Beine fest am Boden. Mitten in der mächtigen Markthalle zu St. Marx. Die Sitzung des SPÖ-Vorstandes war gerade zu Ende gegangen. Vier Stunden hatte man diskutiert.
Aber Müdigkeit? Nein, die war jetzt kein Thema. Nicht heute, nicht hier. Pamela Rendi-Wagner fühlte sich, wie man so schön sagt, sauwohl. Und das Einzige, wogegen sie an diesem Nachmittag ständig zu kämpfen hatte, war das leichte Schmunzeln, das sich in ihrer Rede immer wieder Platz verschaffte.
Wer Pamela Rendi-Wagner und die SPÖ in den vergangenen Tagen und Wochen beobachtet hat, dem fällt es nicht weiter schwer zu verstehen, woher diese neue Gelöstheit kommt.
„Ich will’s wissen“, hatte sie vor Wochen gesagt – und damit gleich mehrere Tabus gebrochen. Zum einen hatte sie getan, was nie zuvor ein SPÖ-Chef gewagt hatte, nämlich: eine Mitgliederbefragung zur Abstimmung über die Vorsitzende zu machen.
Dem nicht genug, hatte sie den Ratschlag von gewichtigen Genossen wie Michael Ludwig ausgeschlagen. Ein Großteil der Landesparteiobleute hatte es schlicht für unsinnig gehalten, eine gewählte Parteiobfrau noch einmal in einer Umfrage zur Disposition zu stellen.
„Ich will’s wissen“, hatte sie trotzdem ventiliert. Das war ihr Motto, ihr Credo. Und am Mittwoch, als schließlich klar war, dass Pamela Rendi-Wagner gewonnen hatte, fiel eine Last von ihren Schultern.
„Dieses Ergebnis bedeutet Rückhalt, es gibt Stärke“, sagte die SPÖ-Chefin. Vor allem aber habe es ihr eines gezeigt: "Mut zu haben ist immer der richtige Weg, allen Unkenrufen zum Trotz“.
An dieser Stelle sollen die wesentlichen Zahlen noch einmal erwähnt werden: 42,7 Prozent der SPÖ-Mitglieder haben an der Befragung teilgenommen – ein Rekord und fast doppelt so viel wie bei der letzten Befragung 2018.
Die für Rendi-Wagner entscheidende Zahl ist diese: 71,4 Prozent. Oder in Mitgliedern ausgedrückt: 46.579. „Jede einzelne Stimme zählt sehr für mich“, sagte sie.
Frauensolidarität
Die Zahlen aus der Bundesparteizentrale zeigen: Rendi-Wagner konnte insbesondere bei den Genossinnen punkten. So waren von jenen 42 Prozent SPÖ-Mitgliedern, die an der Befragung teilgenommen haben, mehr als die Hälfte weiblich. Das ist insofern auffallend, als nur rund 35 Prozent der SPÖ-Mitglieder tatsächlich Frauen sind.
Unterm Strich bedeutet es: Frauen haben überproportional stark an der Befragung teilgenommen – und somit den Verbleib von Rendi-Wagner gesichert.
Die Reaktionen der Parteigranden waren einhellig: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach von einem „übererfüllten“ Ziel und sieht ein klares Zeichen für eine „lebendige und starke Sozialdemokratie“.
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser erkannte „deutlichen Rückenwind“ für die Bundesparteivorsitzende – wie im Übrigen auch der steirische SPÖ-Vorsitzende Anton Lang oder Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl. Steidl ist nunmehr ganz sicher, dass Rendi-Wagner die Partei und Österreich in eine „gute Zukunft“ führen kann.
Sind das alles Lippenbekenntnisse? Oder ist tatsächlich von einem „Neustart“ auszugehen, wie ihn die Chefin und auch manch Landesparteiobmann in Aussicht gestellt haben?
Führende Funktionäre äußern im Hintergrund eine Hoffnung: Das überraschend positive Ergebnis könnte nun dazu führen, dass Pamela Rendi-Wagner zu einer neuen Gelassenheit und Souveränität findet.
Die ausgebildete Ärztin ist jedenfalls wild entschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Selbiges bewies sie nicht zuletzt am gestrigen Mittwoch gleich nach dem Parteivorstand.
„Impfstoff gegen Armut“
Rendi-Wagner präsentierte ein mehrere Punkte zählendes Arbeitsprogramm, und geht es nach ihr, dann fordert und fördert die SPÖ eine „neue Solidarität“.
„Es kann nicht alles den Kräften des Marktes unterworfen werden“, lautet die von der Vorsitzenden ausgegebene Maxime.
Die neue Solidarität beinhaltet einen noch stärkeren Sozialstaat, „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ und eine „neue Steuergerechtigkeit“.
Im Grunde sind all das Positionen, mit denen selbst Kritiker der SPÖ-Chefin gut leben können. „Der Impfstoff gegen Armut heißt Solidarität“, sagt Rendi-Wagner in ihrer Rede. Es ist eine ernste Stelle, ein Lächeln wäre eine Irritation. Und davon hat die alte neue Parteichefin vorerst einmal genug gehabt.
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