Fünf weitere magere Jahre in der Opposition: Darauf hatten sich bereits viele Genossen nach dem unrühmlichen Ende der Ampel-Koalitionsverhandlungen Anfang Jänner eingestellt.
Jetzt, angesichts des drohenden nicht minder kläglichen Aus für Blau-Türkis, könnte die SPÖ unverhofft wieder aufs Spielfeld zurückfinden. Mit der Betonung auf unverhofft. Denn wirklich vorbereitet wirken die Roten auf die Option, wieder um die Regierung zu verhandeln, dieser Stunden nicht. Vielmehr scheint die SPÖ auch in dieser heiklen Situation nicht in der Lage zu sein, mit einer Stimme zu sprechen.
Da wäre zunächst Parteichef Andreas Babler, der am Sonntag einen ORF-Auftritt dazu nutzte, um einmal mehr in Richtung ÖVP zu betonten: „Unsere Hand ist ausgestreckt“. Nur um fast im selben Atemzug mit jenen Kräften innerhalb der Türkisen abzurechnen, die in seinen Augen für das Scheitern der Dreier-Verhandlungen verantwortlich seien.
„Babler streckt die Hand aus und macht sie gleichzeitig zur Faust“, formuliert es ein SPÖ-Funktionär gegenüber dem KURIER. Das sei wenig zielführend, wolle man ernsthaft die Verhandlungen mit der ÖVP wiederaufnahmen.
Etwas diplomatischer als Babler umwirbt ein weiterer SPÖ-Grande die ÖVP, der sich zuletzt mehrfach zu den Vorgängen im Bund zu Wort gemeldet hatte: Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der in dieser „historischen Situation“ an die Türkisen appelliert. Schon vor wenigen Tagen war er für einen SPÖ-Politiker ungewöhnlich lautstark gegen das von der FPÖ geforderte Aus für die Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags aufgetreten.
Spielt also der mächtigste rote Landeschef mit besten Kontakten in den ÖVP-Wirtschaftsflügel den Türöffner für erneute türkis-rote Gespräche? Zunächst müsste ein großer Stein aus dem Weg geräumt werden: Die ÖVP hatte unmissverständlich klar gemacht, keinesfalls ein zweites Mal mit der Person Babler verhandeln zu wollen. Zu unverlässlich, zu ideologisch getrieben sei der SPÖ-Chef in den ersten Gesprächen aufgetreten.
Chefverhandler
Somit müsste Babler beiseitetreten und jemand anderem die Verhandlungsführung überlassen. Glaubt man Wiener Genossen, werden solche Überlegungen in der Landespartei bereits angestellt. Allzu groß sei die Zahl möglicher Kandidaten für einen Chefverhandler jedoch nicht, gibt man zu bedenken.
Ludwig selbst werde nicht in Verhandlungen gehen. Er sei als Bürgermeister ausgelastet, heißt es in seinem Umfeld. Seine enge Vertraute, die dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures wolle nicht, den auch bei der ÖVP geachteten Finanzstadtrat Peter Hanke wolle man nicht hergeben. Denn es gehe darum, dass der Chef-Verhandler den Vizekanzler-Posten übernehme. Babler würde in diesem Modell Parteichef und Klubobmann bleiben.
Personalnot
Auch aus dem Parlamentsklub und den aktuell zum großen Teil in Neuaufstellung befindlichen anderen Landesparteien dränge sich kein Genosse auf. Und so kommt einmal mehr der Name des Ex-ORF-Generals Alexander Wrabetz ins Spiel. Der Vertraute vom Ludwig, sei auch bei der ÖVP hoch angesehen, ist ein Wiener Funktionär überzeugt. Weniger gute Karten soll hingegen Ex-Parteichef Christian Kern haben, dem viele noch seinen überstürzten Abgang 2018 übel nehmen würden.
Um solche Pläne gegenüber Babler und den Parteigremien durchzusetzen, bräuchten die Wiener Genossen freilich viel Überzeugungskraft. Favorisieren doch andere Granden einen anderen Ansatz: Für Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ist die Unterstützung einer Expertenregierung vorstellbar, wie er am Dienstag via X betonte. Für Babler wäre dies, wie berichtet, nur die zweite Option, sollte die ÖVP das Angebot zu erneuten Verhandlungen ausschlagen.
Bleibt mit Eisenstadt die dritte rote Hochburg: Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hatte sich zuletzt im ORF einmal mehr für eine Expertenregierung zur Überbrückung der Übergangszeit zu Neuwahlen ausgesprochen. Die SPÖ hingegen sei derzeit nicht reif, in eine Regierung einzutreten.
Innerhalb der burgenländischen Roten wird indes eine weitere Variante ventiliert: Sollte die SPÖ in die Position kommen, Verhandlungen zu führen, sollten diese von den drei roten Landeshauptleuten geleitet werden.
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