SPÖ-Landeschef Doskozil: "Ich brauche keinen Plan B"

Hans Peter Doskozil
Der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil über das Aus für die Dreierkoalition, das Reden mit Kickl und die bevorstehende Landtagswahl im Burgenland

Hans Peter Doskozil muss am 19. Jänner bei der burgenländischen Landtagswahl für die SPÖ eine absolute Mehrheit verteidigen. Es geht auch um seine Zukunft.

KURIER: Herr Landeshauptmann, starten wir mit der Bundespolitik: Was sagen Sie zum Abbruch der Verhandlungen für eine Dreierkoalition?

Hans Peter Doskozil: Wir haben mehrmals kommuniziert, dass wir nicht begeistert waren, dass die Sozialdemokratie an den Koalitionsgesprächen teilgenommen hat. Meiner Meinung nach konnte das Wahlergebnis nicht als Auftrag zum Mitregieren verstanden werden. Mich hat massiv gestört, dass weder der Bundeskanzler noch das Finanzministerium oder der Finanzminister eine Budgetzahl auf den Tisch legen konnten. Das war für mich schon sehr befremdend.

Erklärt wird das mit den Wirtschaftsprognosen, die sich laufend geändert hätten.

Aber man hat ja ein laufendes Budget, man hat laufend Prognosen, man weiß, wie sich die Ertragsanteile entwickeln. Man muss wissen, was auf einen zukommt und wie viel man ausgegeben hat. Dass man das dann am Ende eines Budgetjahres nicht sagen kann, ist ein Armutszeugnis.

Sie waren nie ein Fan der Dreierkoalition. Was verwundert, weil es eigentlich in der DNA der Sozialdemokratie liegt, dass man mitregiert. Da kann man auch mehr bewegen als in der Opposition.

Diese historische DNA der Sozialdemokratie war auch immer davon gekennzeichnet, dass man Wahlen gewonnen hat. Dieses Mitregieren, dieses Gestalten für die Menschen ist in der Demokratie mit dem entsprechenden Votum seitens der Bevölkerung verbunden. Dieses Ergebnis der Freiheitlichen Partei ist nur dem Umstand geschuldet, dass die arrivierten, die anderen Parteien so schwach sind.

Jetzt hat FPÖ-Chef Herbert Kickl den Regierungsauftrag erhalten. War dieser Schritt von Bundespräsident Alexander Van der Bellen der richtige?

Ja, aber das hätte er schon am Anfang machen müssen. Er hätte gleich nach der Wahl den Regierungsauftrag an die Freiheitlichen geben sollen, das wäre der richtige Weg gewesen.

Eine theoretische Frage: Wenn Sie anstelle von Andreas Babler wären und Kickl Sie und die SPÖ zu Koalitionsgesprächen einladen würde, würden Sie hingehen?

In einer Demokratie muss man Wahlergebnisse akzeptieren, und man darf sich niemals Gesprächen verweigern. Solchen Gesprächen würde ich mich schon stellen, weil man Dinge erst dann beurteilen kann, wenn sie ausdiskutiert sind.

Aber was ist dann mit dem Satz „Niemals mit Herbert Kickl“, der auch in der SPÖ immer wieder gefallen ist?

Ich glaube, man muss vor einer Wahl Ziele formulieren dürfen. Vor einer Wahl muss seitens der Politik auch eine gewisse Verlässlichkeit auf den Tisch gelegt werden. Und bei jedem Wahlergebnis müssen Politiker mit einer gewissen Demut reagieren. Gespräche nicht zu verweigern, auch wenn es noch so unterschiedliche Standpunkte gibt, ist ein Kennzeichen, dass man ein Wahlergebnis annimmt.

Zum ausführlichen Interview mit Landeshauptmann Doskozil

Sie stellen sich im Burgenland am 19. Jänner der Wahl. Im Wahlkampf hat man bei den anderen Parteien den Eindruck, dass das Motto „Alle gegen Doskozil“ ist.

Das ist natürlich dem Umstand geschuldet, dass wir derzeit eine SPÖ-Alleinregierung haben. Dass man da die Regierenden kritisiert, dass man alles nur schlecht macht, dass man so politisches Kapital daraus schlagen will, liegt in der Natur der Sache. Aber ich habe die Hoffnung, dass die Bevölkerung sieht, was gemacht worden ist, dass sie Vertrauen in unsere Arbeit hat.

Sie müssen ja die Absolute wieder schaffen, weil Sie sonst von ÖVP und FPÖ aus der Regierung verdrängt werden. Deren Ziel ist es, den Landeshauptmann zu stürzen.

Das spüre ich auch so. Es ist demokratiepolitisch legitim, dass man eine Wahl gewinnen und Verantwortung übernehmen will. Sollten die Grünen aus dem Landtag rausfallen, was durchaus im Bereich des Möglichen liegt, könnte es zu so einer Mehrheit kommen. ÖVP und FPÖ regieren schon in fünf Bundesländern gemeinsam und verhandeln derzeit auf Bundesebene.

Die Spitzenkandidaten von ÖVP und FPÖ, Christian Sagartz und Norbert Hofer, haben erklärt, dass sie mit Ihnen nur koalieren, wenn Sie Ihren Wirtschaftskurs ändern.

Wohin soll ich wirtschaftspolitisch den Kurs ändern? Da bin ich überfragt.

Kritisiert wird, dass das Land in zu viele Bereiche eingreift. Beim Wohnen, bei den Verkehrslinien, bei bestimmten Firmen, denen geholfen werden muss etc.

Das ist doch ein skurriles Bild, wenn heute eine Wirtschaftspartei wie die ÖVP uns plötzlich vorwirft, dass wir Firmen unterstützen, damit Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten bleiben, damit diese Firmen am Leben erhalten werden, damit Neugründungen möglich sind. Auf der anderen Seite müssen wir schon offen darüber diskutieren, wenn es um die Daseinsvorsorge geht. Das reicht von der Pflege bis zum öffentlichen Verkehr. Ich bin ein erklärter Gegner davon, dass Dritte wie im Fall der Vamed, die jetzt einem französischen Konzern gehört, mit unseren Sozialversicherungsgeldern Gewinne machen wollen.

Das geht ins Geld. Die ÖVP hat sogar eine Broschüre im ganzen Burgenland an alle Haushalte versandt, wo auf mehreren Seiten aufgelistet wird, wo überall Geld im Budget fehlt.

Da wird mit Halb- und Unwahrheiten agiert. Das ist aus meiner Sicht nicht okay. Wir haben in den vergangenen Jahren bei den Investitionen und bei den Krisen, die zu bewältigen waren, ein stabiles Budget mit einem stabilen Rating von Standard & Poor’s beibehalten. Wir mussten 2024 kein Darlehen aufnehmen und werden 2025 nur 50 Millionen aufnehmen, weil wir in eine Gesellschaft zum Ausbau der Erneuerbaren Energie einsteigen. Wir haben in Oberwart eine Klinik um 180 Millionen Euro gebaut, die zum Zeitpunkt der Eröffnung bereits aus dem Budget bezahlt war, ohne Fremdfinanzierung. Welches andere Bundesland schafft das? Über die Finanzsituation des Bundes wissen wir jetzt ohnehin Bescheid.

Beim Wahlkampfauftakt haben Sie auch gesagt, dass der Mindestlohn im Burgenland bleiben wird.

Der Mindestlohn ist mittlerweile gesetzlich verankert. Die Mitarbeiter haben einen Rechtsanspruch darauf. Das kann gesetzlich nicht mehr zurückgedreht werden. Ich würde jedem empfehlen, der diesen Lohn von inzwischen 2.300 Euro netto in Misskredit zieht, ein paar Monate mit einem Einkommen von nur 1.500 Euro netto zu leben. Und dann reden wir nochmals darüber.

Hans Peter Doskozil zu Gast in der KURIER TV-Sendung "Bei Gebhart"

Noch einmal zur Landtagswahl: Haben Sie schon einen Plan B, falls es mit der absoluten Mehrheit nicht klappt und Sie vielleicht sogar nicht mehr zum Landeshauptmann gewählt werden?

Ich bin ein positiv denkender Mensch und brauche keinen Plan B. Wenn man schon einen Plan B hat, dann macht man schlechte Politik und einen schlechten Wahlkampf. Es kommt im Leben immer so, wie es kommen muss. Und im Leben gehen immer wieder Türen auf, wenn sich andere Türen schließen.

Was müsste eigentlich passieren, dass Sie sich wieder in die SPÖ-Bundespartei einbringen?

Das wird nicht passieren. Das hat sehr viel mit Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit zu tun. Auf der einen Seite fühle ich mich dem Burgenland verpflichtet und will dort auch gewählt werden. Auf der anderen Seite habe ich gewisse Mechanismen, gewisse Kreise in der Sozialdemokratie in ihrer Art und Weise, wie sie Politik machen, unterschätzt. Diesen Dingen will ich mich nimmer aussetzen.

FAKTEN

Hans Peter Doskozil
Der 54-jährige Burgenländer Hans Peter Doskozil war Landespolizeidirektor, ehe er 2016 als SPÖ-Verteidigungsminister in die Bundesregierung von Kanzler Werner Faymann geholt wurde. Davor war er durch das Krisenmanagement bei der Flüchtlingswelle 2015/’16 besonders aufgefallen. 2019 löste er Hans Niessl als Landeshauptmann  ab, 2020 holte er bei der Landtagswahl für die SPÖ die absolute Mehrheit

Landtagswahl
Am 19. Jänner wird im Burgenland ein neuer Landtag gewählt

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