SPÖ-Frauen fordern Orientierung an anderen Ländern beim Gewaltschutz
Schon 30 Frauenmorde und mehr als 50 Mordversuche an Frauen seit Jahresbeginn - damit habe Österreich "ein trauriges Alleinstellungsmerkmal": Als "einziges EU-Land, wo mehr Frauen als Männer einem Mord zu Opfer fallen", kritisierte SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner am Donnerstag bei einem Online-Pressetermin. Andere EU-Staaten könnten mit Erfolgsmodellen neue Wege weisen, so Evelyn Regner, Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte im Europaparlament.
Österreich verfehle in wichtigen Bereichen die Vorgaben der Istanbul-Konvention, das Übereinkommen mit dem Europarat zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Als Beispiel nannte Holzleitner die Anzahl der Plätze in Frauenhäusern. 885 wären demnach nötig, die 29 heimischen Frauenhäuser verfügten aber aktuell nur über 791 Plätze für Frauen und Kinder in Not. "Fast 100 Plätze fehlen", meinte die Vorsitzende im Gleichbehandlungsausschuss im Parlament. Nur einige Bundesländer, Holzleitner nannte als Beispiele Burgenland, Kärnten und Wien, würden die Quote erfüllen.
Dabei habe die Coronakrise das Gewaltproblem verstärkt, die Anzahl von Hilfesuchenden bei der Frauenhelpline sei enorm gestiegen. Diese Einrichtung brauche, wie auch die anderen Stellen im Gewaltschutz, dringend mehr Mittel. "Rasche Hilfe rettet Leben", betonte Holzleitner. Die regionale Erreichbarkeit sei immens wichtig. Weiters würden die sicherheitspolizeilichen Hochrisikofallkonferenzen in viel zu geringem Ausmaß stattfinden. Innenminister Karl Nehammer und Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) müssten bei diesen aktuellen Problemen "endlich den Turbo zünden", so Holzleitner: "Andere EU-Länder machen es besser."
Die Abgeordnete des EU-Parlaments Regner berichtete von einem - bisher unbeantwortet gebliebenen - Brief an Raab, in dem sie auf Erfolgsmodelle aufmerksam gemacht habe. Als Beispiel führte sie Rumänien an, das mit EU-Hilfe dabei sei, bis 2023 in jedem Bezirk Frauenhäuser, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen zu schaffen. In Finnland wurde eine spezielle Datenbank für Tötungsdelikte eingeführt, um Alarmzeichen für Gewalt und Muster besser zu erkennen. Kroatien setze mit einer Schulkampagne vor allem bei der Erziehung von Buben und jungen Männern an.
Die SPÖ-Frauen fordern eine unabhängige staatliche Koordinierung im Gewaltschutz. Derzeit würden die Maßnahmen von denselben Stellen umgesetzt und evaluiert. Lediglich "2,5 Personen" seien dafür im Einsatz, sagte Petra Bayr, SPÖ-Sprecherin für Globale Entwicklung und Vorsitzende des Gleichbehandlungsausschusses im Europarat. Sie verwies auf Spanien, das eine Koordinierungsstelle mit 40 Beschäftigten geschaffen habe, die Lücken in der Umsetzung der Istanbul Konvention identifizieren und Ministerien anweisen könne, was zu tun ist.
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