Faymann kämpft weiter um sein politisches Überleben
Bei einem Zusammentreffen zwischen Wiens Landeshauptmann Michael Häupl und seinem burgenländischen Pendant Hans Niessl könnte heute das politische Überleben von Bundeskanzler Werner Faymann besiegelt werden. Der hingegen unternimmt weiterhin Bemühungen, die Wogen in der eigenen Partei zu glätten und eine Revolte zu verhindern.
Ein politischer Überlebenskünstler
Wohl noch nie musste Werner Faymann seinem Ruf als politischer Überlebenskünstler gerechter werden als in diesen Tagen. Von der Wahlschlappe des roten Hofburg-Kandidaten Rudolf Hundstorfer und einem Pfeifkonzert am 1. Mai angeschlagen läuft der SPÖ-Chef derzeit um seine Ämter. Der Grund, auf dem Faymann steht, ist wackelig.
Besonders beliebt war der Kanzler genau genommen nie. Schon in der Kommunalpolitik, die ihn als langjährigen Wohnbau-Stadtrat groß machte, hatte der vormalige Chef der Sozialistischen Jugend Wien nur ein Grüpplein an Vertrauten, auch in den Boulevard-Medien, mit deren Hilfe er nach oben kletterte. Das hat sich seit Faymanns Ankunft im Bund nicht geändert. Nur jene, denen er bedingungslos vertraut und dabei an erster Stelle Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Nationalratspräsidentin Doris Bures, dürfen mitreden. Kritische Geister sind in Faymanns Umfeld nicht erwünscht sondern allenfalls, wenn nicht zu vermeiden, geduldet.
Möglichst nirgendwo anecken
Dass er sich dennoch zwölf Jahre in der Wiener Stadtregierung hielt und seit einem Jahrzehnt in der Bundesregierung verweilt, hat mit des Kanzlers taktischem Geschick zu tun. Im persönlichen Umgang ist er stets freundlich und aufmerksam, eckt möglichst nirgendwo an und ging so über viele Jahre als kleinster gemeinsamer Nenner durch. Dazu kam, dass die SPÖ zwar unter seinem Vorsitz Wahlniederlage an Wahlniederlage reihte, doch gelang es ihm dort, wo er selbst antrat, nämlich bei den Nationalratswahlen, Platz eins und in Folge die Kanzlerschaft zu retten.
Damit lieferte der gerade 56 Jahre alt gewordene Wiener nie einen unmittelbaren Anlass, ihn aus dem Amt zu jagen. Dass er nicht Parteichef der Herzen ist, machte die Basis anderweitig klar. Seine letzten beiden Parteitagsergebnisse waren mit 83 bzw. 84 Prozent alles andere als berauschend.
Kein großer Redner
Dies hängt ein wenig auch damit zusammen, dass Faymann kein großer einnehmender Redner ist. Schlechte Stimmung mit berauschenden Parteitagsansprachen aufzuhellen ist seine Gabe nicht. Auch gibt es inhaltlich keinen Kurs, den man Faymann wirklich zuschreiben würde. Vielmehr fährt er seit jeher jene Agenda, die parteitaktisch gerade opportun zu sein scheint. Vor allem das Wort der Gewerkschaft, ohne die in der SPÖ bis heute wenig geht, findet bei Faymann so gut wie immer Gehör.
Seine Flexibilität bewies der Kanzler erst jüngst in der Flüchtlingsfrage. Ließ er sich zu Anfang des Stroms im September noch bei einem kleinen Parteitag als "Kommandozentrale der Menschlichkeit" feiern und bildete eine Allianz mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, ist er seit jüngerem zum strengen Kontrollor und Gegner der Berliner Politik der offenen Grenzen mutiert.
Zwar ist diese Position nun eine, die dem Großteil der Bevölkerung und auch der eigenen Partei gar nicht schlecht gefällt, doch brachte sie ihm beim Mai-Aufmarsch gellende Pfiffe des ohnehin Faymann-kritischen linken Parteiflügels ein und befeuerte somit die Debatte, ob mit dem Kanzler als SPÖ-Chef noch ein Staat zu machen ist. Da nützt es Faymann wenig, dass er sich seit Amtsantritt als Bollwerk gegen Rot-Blau inszeniert, umso mehr als er die Doktrin - siehe Burgenland - in der eigenen Partei ohnehin nicht durchsetzen kann.
Mobilisiert sogar den Bundespräsidenten
So schlecht war die Stimmung jedenfalls nicht mehr seit den letzten Tagen von Alfred Gusenbauer an der SPÖ-Spitze im Jahr 2008, als Faymann schon in den Startlöchern scharrte. Damals stellte er sich übrigens mit einem EU-kritischen Leserbrief an die Krone ein, eine längst vergangene Position. Heute ist Faymann glaubwürdig begeisterter Europäer und verbringt seine Zeit wohl lieber im Brüsseler Rat als in den eigenen Parteigremien.
Abschreiben sollte man den Vater von zwei Töchtern und Ehemann der Wiener Gemeinderätin Martina Faymann-Ludwig dennoch nicht. Gemeinsam mit seinen Vertrauten mobilisiert er aktuell alles erdenkliche bis hin zur Hofburg, um seine Ämter zu retten. Profitieren könnte er, unter dem die Parteistrukturen nach und nach erodierten, von der Unentschlossenheit seiner Kontrahenten. So bleibt es durchaus möglich, dass Faymann wieder einmal aufkeimenden Widerstand geduldig ausgesessen hat.
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