Wohin soll es gehen mit der SPÖ: Weiter nach links, weiter nach rechts? Oder ist eigentlich eh alles gut? Dahingehend können rund 148.000 rote Mitglieder ab morgen, Montag, bei der SPÖ-Mitgliederbefragung ihren "Willen bekunden". Die Befragung läuft bis 10. Mai.
Am digitalen und analogen Stimmzettel stehen zur Wahl: Die amtierende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler und „keiner der Genannten“. Ob dann einer oder keiner die SPÖ bei der kommenden Nationalratswahl anführt, beschließen die Funktionäre am 3. Juni beim Sonderparteitag.
Die Standpunkte der Kandidaten ähneln einander teilweise. Doskozil weicht etwas ab, forderte zuletzt die Abschaffung der Wahlärzte, einen vergleichsweise härteren Migrationskurs und tritt für einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Sehr unterschiedlich sind die Strategien, mit denen die Kandidaten Mitglieder mobilisieren wollen. Babler setzt auf eine Social-Media-Kampagne sowie eine Tour: Auf Fotos in Menschenmengen – wie zuletzt in einem Gemeindebau in Wien-Landstraße. Viele jener 9.000 Neumitglieder, die für die Abstimmung der SPÖ beigetreten sind, dürften eher mit ihm sympathisieren.
Österreich Tourneen und Alt-Kanzler
Doskozil tourt ebenfalls durch Österreich. Seine Unterstützer gehen quer durch die Partei, den meisten Rückhalt hat er an der Basis. Dieses Feld scheint auch sehr männlich dominiert zu sein.
Apropos Basis: Parteichefin Rendi-Wagner tourt nicht. Sie setzt bisher vor allem auf den Promi-Bonus. Seien es die Unterstützungserklärungen von 100 bekannten SPÖ-Frauen oder von allen lebenden SPÖ-Altkanzlern – Christian Kern ausgenommen.
Neue für Babler, Frauen für Rendi-Wagner, Männer für Doskozil? Belastbare Umfragedaten gibt es zu all diesen Annahmen nicht.
Der KURIER hat mit drei einfachen Mitgliedern aus den drei SPÖ-geführten Bundesländern gesprochen, warum sie wen unterstützen werden.
Peter Gratzer ist SPÖ-Mitglied in Kärnten und will eine Alternative zu ÖVP und FPÖ.
"Rot ist mehr als eine Farbe"
Seit zehn Jahren ist Peter Gratzer aus der Stadt Gmünd im Liesertal Mitglied der SPÖ. Damals hatte er es als richtig empfunden, dass er sich angesichts der turbulenten politischen Lage zur SPÖ bekennt. Seither ist der 34-Jährige den Roten treu geblieben, auch wenn bei seinem Engagement für die Partei nicht immer alles nach seinen Wünschen gelaufen ist.
Jetzt ist Gratzer, der in seiner Freizeit ehrenamtlich als Bergretter tätig ist, froh, dass die Mitglieder zur Führung in der Partei befragt werden. Gratzer: "Ich hoffe, dass jedes Mitglied auch von dieser Wahlmöglichkeit Gebrauch macht." Es gehe um ein starkes Zeichen für die Sozialdemokratie.
Diese habe weiterhin eine wichtige Position in der Demokratie. "Die SPÖ ist der einzige Gegenpart zum kapitalistischen System, das ohnehin bereits im Abklingen ist. Sie ist die einzige Kraft links der Mitte."
Zum derzeitigen Zustand der Sozialdemokratie in Österreich will Gratzer nicht viel sagen. Er sei nur froh, dass man sich jetzt zu einer Basisentscheidung durchgerungen hat. "Solche Mitgliederbefragungen sollten in Zukunft öfter passieren, bei allen wichtigen Entscheidungen in der SPÖ."
Wenn es um seine Mitgliedschaft geht, zitiert Peter Gratzer gerne die derzeitige Bundesvorsitzende Pamela Rendi-Wagner. Besonders ihr Satz "Rot ist keine Farbe, Rot ist eine Haltung“ hat es ihm angetan. Dennoch wird er ihr bei der Befragung nicht seine Stimmegeben. Er hat sich für den Traiskirchner Andreas Babler entschieden. Warum? "Das ist ein richtiger Sozialist, so etwas brauchen wir jetzt." Babler hat in Kärnten grundsätzlich einen guten Stand. Beim Landesparteitag hatte ihn Landeshauptmann Peter Kaiser im Vorjahr sogar als Hauptredner auftreten lassen.
SPÖ-Mitglied Selma Nalić lebt in Wien und ist wegen Andreas Babler der Partei beigetreten.
"Babler steht für echte Sozialdemokratie"
9.000 Menschen sind der SPÖ beigetreten, um an der Mitgliederbefragung teilzunehmen. Zum Beispiel die Wiener Volksschullehrerin Selma Nalić: "Es war eine ziemlich spontane Entscheidung“, sagt die 27-Jährige. Wie viele andere Neue unterstützt sie Andreas Babler. Warum? "Es geht mir auf die Nerven, dass andauernd Politik von oben nach unten gemacht wird, das gehört umgedreht. Dagegen hilft kein Mitte-Links-Getöse, sondern nur eine echte Sozialdemokratie, die alle Menschen abholt“, sagt Nalić. Dafür stehe Babler, er mache Politik für alle Generationen."
Nalić plädiert für feministische und sozial gerechte Politik. "Es geht darum, dass wir fair entlohnt werden, dass wir nicht in Altersarmut landen, nur weil wir uns um die Kinder gekümmert haben", sagt sie. Ebenso wichtig sei die Bekämpfung des "eklatanten Lehrermangels“ und eine generelle Arbeitszeitverkürzung. Die Politik müsse endlich auf jene Leute hören, "die jeden Tag hackeln gehen".
Pamela Rendi-Wagner hätte "viel Zeit gehabt, die Leute aber nicht abgeholt", meint Nalić. Und Hans Peter Doskozil? "Er nervt mich ehrlich gesagt mit seinem Ausländer-Gerede." Nalić war bisher nicht in der SPÖ tätig, ist aber "mit sozialdemokratischem Gedankengut großgeworden", erzählt sie. Ihre Eltern kamen während des Bosnienkrieges als Flüchtlinge aus der bosnischen Stadt Srebrenica nach Österreich.
Bleibt sie auch SPÖ-Mitglied, falls Babler nicht gewinnt? Eher schon: "Es ist trotzdem wichtig, dass wir die Sozialdemokratie unterstützen. Ich sehe keine andere Partei, die ich wählen würde."
Christian Resch ist SPÖ-Mitglied im Burgenland und wird für den Landeshauptmann stimmen.
"Bei der Bundes-SPÖ ist einiges schief gelaufen"
Christian Resch bezeichnet sich als "erzrot", der SPÖ beigetreten ist der 51-jährige Baggerfahrer aus der nordburgenländischen Weinbaugemeinde Gols aber erst "vor fünf oder sechs Jahren", erzählt er dem KURIER. Fast ebenso lang bestimmt Hans Peter Doskozil die Politik – erst als Landesrat, seit 2019 als Landeshauptmann. Resch hat nach einer Lehre als Radio- und Fernsehmechaniker fast 20 Jahre am Bau gearbeitet, dann bei der Windrad-Firma Enercon, ehe er nach deren Aus im Burgenland beim Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland einen Job fand. Seine Frau arbeitet in einem Gemüsebetrieb, die drei erwachsenen Kinder haben nach der Matura gleich zu arbeiten begonnen.
Während das Gros der Arbeiter bei Bundeswahlen längst die FPÖ wählt, eroberte die "Liste Doskozil" bei den Landtagswahlen 2020 auch bei ihrer Kernklientel die absolute Mehrheit. Warum schafft das die SPÖ im Bund nicht mehr? Da sei "einiges schiefgelaufen", sagt Resch.
Wenn sich "einfache Leute überfordert fühlen" – von ausländischer Konkurrenz am Arbeitsmarkt oder vielen Flüchtlingen – "stellt man sie gleich ins rechte Eck". Da sei es dann kein Wunder, wenn diese Menschen zur Sozialdemokratie sagen, "wenn ihr uns eh nicht wollt, dann wählen wir euch auch nicht mehr".
Resch selbst hat "kein Problem mit Arbeitskräften aus Ungarn", die hierzulande Jobs annehmen, "weil sie nach mehr streben". Aber "das Regelwerk muss eingehalten werden", Ausländerbeschäftigung dürfe nicht zum Lohndruck auf heimische Arbeitskräfte führen. Ach ja, eins fehlt noch: Wem Resch bei der SPÖ-Mitgliederbefragung seine Stimme gibt? "Dem Dosko, daraus mache ich kein Geheimnis."
(kurier.at, haj)
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Aktualisiert am 23.04.2023, 10:03
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