Zaun-Streit: Mikl-Leitner rüstet für den Alleingang

(Symbolbild)
Die ÖVP-Innenministerin will in jedem Fall am Freitag eine Entscheidung fällen.

„Wir haben nichts bekommen, gar nichts. Es wurden keine Details vorgelegt, was ein Grenzzaun kosten würde; auch wurde uns nicht vorgerechnet, wie viele Grundstückseigentümer von einer solchen Maßnahme betroffen wären. Als wir gefragt haben, hieß es bei der ÖVP nur: Das sind gute Fragen, die können wir derzeit nicht beantworten.“

Ratlos und zornig, so könnte man die Gemütslage jener Verhandler beschreiben, die unter der Ägide von SPÖ-Kanzleramtsminister Josef Ostermayer mit der ÖVP seit Tagen um eine Einigung im „Zaun-Streit“ ringen.

Freitag wird eine Entscheidung fallen, und das Irritierende ist: Auf der anderen Seite, nämlich in den Reihen der ÖVP, ist der Frust mindestens ebenso groß wie bei den Roten. Laut ÖVP wird „seit mehr als einer Woche“ auf Ebene der zuständigen Ministerien (Inneres- und Verteidigung) über eine „Zweier-Variante“ – NATO-Stacheldraht plus vorgelagerter Maschendrahtzaun (siehe unten) – gesprochen. „Die ursprüngliche Idee, die Grenze mit NATO-Zaun zu sichern, kam sogar aus dem Verteidigungsministerium“, sagt ein ÖVP-Stratege. „Dieses Ressort hat einfach die meiste Expertise mit derartigen Materialien.“

Wem also glauben? Die Vorgeschichte ist fast schon irrelevant, denn die Positionen sind bezogen, und sie sind nahezu unversöhnlich. Auf der einen Seite steht die SPÖ unter Kanzler Werner Faymann. Und sie ist – zumindest an der Spitze – überzeugt, dass ein massiver Stacheldraht-Zaun erst gar nicht nötig ist.
Ein SPÖ-Verhandler erklärt die Überlegungen: „Wir können die grüne Grenze mit verstärkten Militär- und Polizeistreifen sichern, weil die Flüchtlinge alle ein Interesse haben, genau dort über die Grenze zu gehen, wo sie mit Lebensmitteln und medizinisch versorgt werden und Busse auf sie warten.“

Auf der anderen Seite steht die ÖVP, die sich auf die Sicherheitsexperten des Innenressorts beruft. Und diese sagen: Man müsse immer mit Flüchtlingen rechnen, die – egal, aus welchen Motiven – nicht lange an der Grenze warten wollten und deshalb – mitunter zu Hunderten – ausweichen. Diese Menschen halte, wenn überhaupt, nur ein „Zweier-Zaun“ ab, sprich: Ein NATO-Zaun, der durch einen vorgelagerten Maschendraht-Zaun gesichert wird (soll verhindern, dass Flüchtlinge nachts oder irrtümlich in den rasierklingenscharfen NATO-Zaun geraten).
G7-Zaun als Kompromiss Gestern wurde auf Beamten-Ebene zwar weiterverhandelt. Doch angesichts der extrem unterschiedlichen Sicht des Problems scheint es heute eher unwahrscheinlich, dass sich SPÖ und ÖVP noch auf ein gemeinsames Konzept einigen.
Die SPÖ will – quasi als letztes Angebot – einen „G7-Zaun“ vorschlagen. Dieser nach dem G7-Gipfel benannte Maschendraht-Zaun würde rund 5,5 Millionen Euro kosten, hätte aber keine Stacheldraht-Elemente.
Und das wiederum entspricht laut KURIER-Recherchen einfach nicht dem, was das Innenministerium bei derartigen Menschenmassen für sicher und gut befindet.

Am wahrscheinlichsten ist daher, dass Innenministerin Johanna Mikl-Leitner heute einen Doppel-Zaun beschließt – und zwar im Alleingang.
Rein formal kann und darf sie das. Die Verhandlungen mit der SPÖ waren lediglich dem Versuch geschuldet, für eine extrem fordernde politische Herausforderung eine gemeinsame Lösung zu finden.

Die ursprüngliche Idee war, die Lösung für Spielfeld gemeinsam zu präsentieren, um Geschlossenheit in der Regierung zu signalisieren. Aus dieser Hoffnung wird offenbar nichts. „Es ist“, sagt ein resignierender Verhandler, „mittlerweile fast überflüssig“.

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