SP & VP testen Zumutbarkeit
Sie negieren es wenig überraschend: Es sei kein Sand im Koalitionsgetriebe, beschwichtigten der rote Kanzler und sein schwarzer Vize nach dem Ministerrat. Fakt ist freilich, dass den Regierenden ein rauer Konjunkturwind um die Ohren bläst, der die Arbeitslosenzahlen in die Höhe treibt – und die Koalitionäre massiv unter Druck setzt. Und Fakt ist auch, dass SPÖ-Chef Werner Faymann und ÖVP-Boss Reinhold Mitterlehner wichtige Parteitage vor sich haben und daher gegenwärtig ihre jeweiligen Positionen schärfen.
So dozierte Mitterlehner etwa, dass die hohe Arbeitslosigkeit nicht allein auf die schwächelnde Konjunktur zurückgeführt werden dürfe, wenn andere europäische Länder eine Trendumkehr schafften. Der Wirtschaftsminister will daher, dass "alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente durchforstet werden", zum Beispiel "die Zumutbarkeitsbestimmungen". Heißt übersetzt: Es soll etwa geprüft werden, ob man Arbeitslosen längere Distanzen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz zumuten kann. Derzeit sind maximal zwei Stunden für Hin- und Rückfahrt zulässig. Ist ein potenzieller Arbeitsplatz weiter entfernt, muss der Betroffene den Job nicht annehmen. Faymann hat zwar nichts dagegen, dass die "Arbeitsmarktinstrumente" überprüft werden, stellte aber schon gestern klar, dass dass er strengeren Zumutbarkeitsregeln nicht zustimmen wird. Auch SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagt: "Verschärfen hilft nicht."
Negativsteuer strittig
Konträr sind die Standpunkte auch in Sachen Negativsteuer. Diese Steuergutschrift steht auf der Wunschliste von ÖGB und AK – und damit auch auf jener der SPÖ. Konkret wollen die Roten, dass auch jene 2,4 Millionen Arbeitnehmer, die keine Lohnsteuer zahlen, von der Steuerreform profitieren – und nicht nur jene Arbeitnehmer, die Lohnsteuer zahlen. Die Negativsteuer muss jährlich beim Finanzamt beantragt werden – und macht maximal 110 Euro pro Jahr aus. Die Sozialdemokraten wollen, dass es künftig 450 Euro für Personen mit geringen Einkommen gibt. Faymann: "Das sind jene Menschen, die besonders wenig verdienen, aber trotzdem hart arbeiten." Auch Pensionisten sollen in den Genuss einer Negativsteuer kommen (110 Euro/Jahr). Gesamtkosten: 500 Millionen Euro. Nach SPÖ-Lesart würde das Geld von den Betroffenen sofort wieder ausgegeben, was die Kaufkraft ankurbeln würde.
Mitterlehner lehnt das Ansinnen dennoch ab: "So gut geht es uns nicht, dass wir uns dieses Füllhorn leisten können." Nachsatz: "Das heißt aber noch lange nicht, dass wir dadurch die Steuerreform gefährden."
Es ist soll ja nicht der Eindruck entstehen, dass da Sand im Getriebe wäre.
Die Aussichten für Europas Wirtschaft verdüstern sich zusehends. Deutschland schlittert nach der Herbstprognose der EU-Kommission in diesem Jahr am Rande der Rezession entlang. In den 18 Euro-Ländern insgesamt wird das Wachstum deutlich schlechter ausfallen als bisher erwartet. Für das laufende Jahr rechnet Brüssel für die Eurozone mit nur noch 0,8 Prozent Plus statt der prognostizierten 1,2 Prozent, für die EU insgesamt werden 1,3 Prozent angenommen.
In Österreich liegt man mit 0,7 Prozent besonders stark unter den Erwartungen, war die Kommission im Frühjahr doch noch von einem Plus von 1,6 Prozent ausgegangen.
Auch im kommenden Jahr soll die Eurozone nur mehr um 1,1 Prozent wachsen - nach einer Prognose von 1,7 Prozent im Frühjahr. Positiver fällt der Blick auf 2016 aus. Die Eurozone soll dann 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum aufweisen, die EU 2 Prozent. Österreich kann mit einem Plus von 1,5 Prozent rechnen.
Bei der Inflation ist in der Eurozone 2014 mit 0,5 Prozent ein Tiefpunkt erreicht worden, ebenso für die EU mit 0,6 Prozent. Österreichs Teuerungsrate lag mit 1,5 Prozent gemeinsam mit Großbritannien am höchsten unter den 28 EU-Staaten.
Defizite nicht im Griff
Die Konjunkturflaute belastet die Haushalte vieler Staaten. So wird Frankreich ungeachtet eines milliardenschweren Sparpakets sein ausgeufertes Defizit auch auf längere Sicht nicht in den Griff bekommen.
Auch Deutschland kann seine Rolle als Konjunkturlokomotive Europas wohl nicht mehr erfüllen. Die deutsche Wirtschaft wird laut EU-Kommission nach dem negativen Frühlingsquartal auch im dritten Quartal mit null Prozent stagnieren. Sinkt die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge, sprechen Volkswirte gemeinhin von einer Rezession.
Um den Aufschwung anzukurbeln, will die EU-Kommission noch vor Weihnachten ein 300 Milliarden Euro schweres Investitionspaket vorstellen (mehr dazu hier). Wie es finanziert werden soll, ist allerdings noch unklar.
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