Sozialsystem: Gibt Österreich zu viel für Luxuspensionisten aus?

Sozialsystem: Gibt Österreich zu viel für Luxuspensionisten aus?
Wiener Ökonom plädiert nach Studie für höhere Sozialleistungen für Geringverdiener. Das Pensionssystem soll dafür umgebaut werden.

Sozialausgaben unterstützen in Österreich einkommensschwache Personen, spendieren Gutverdienern aber auch großzügige Pensionszahlungen, so der Wiener Bevölkerungsökonom Bernhard Binder-Hammer. Damit kombiniert das Land Eigenheiten aus Nord- und Süd-Europa: Im Norden fördert fiskalische Umverteilung vorwiegend Finanzschwache, im Mittelmeerraum gestattet sie Wohlhabenden generöse Ruhegelder, wie das Forscherteam in einer Studie im Journal of the Economics of Ageing zeigt.

Das Team um Bernhard Binder-Hammer vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien analysierte die staatliche Umverteilung in den Ländern der EU und deren Exmitglied Großbritannien. Die Forscher verglichen dazu die Geldflüsse aus den 28 europäischen Staatskassen zu Haushalten mit geringem oder hohem Einkommen bei Erwerbsfähigen und Menschen im Pensionsalter.

Norden unterstützt Arme, Süden Reiche

"Staatliche Umverteilung wird oft mit Absicherung für Einkommensschwache gleichgesetzt", erklärte Binder-Hammer in einer Aussendung der ÖAW. Doch auch Pensionszahlungen spielten hier eine wesentliche Rolle, weil Netto-Leistungen für Haushalte mit hohem Einkommen vor allem aus Ruhegenuss-Geldern bestünden. "In den Ländern mit der höchsten Netto-Umverteilung sind die Transfers zur Bevölkerung mit den höchsten Einkommen besonders hoch, jene zu einkommensschwachen Haushalten aber besonders gering", berichtet er.

"Während in nordischen Ländern die Umverteilung als Unterstützung einkommensschwacher Gruppen wirkt, dient sie in südeuropäischen Ländern zum großen Teil der Einkommenssicherung Gutverdienender", sagt Binder-Hammer. In Italien, Spanien und Portugal gäbe es "sehr generöse Pensionen" für den wohlhabenden Teil der älteren Bevölkerung, es würde aber relativ wenig von staatlicher Seite unternommen, um einkommensschwache Haushalte zu unterstützen, so der Forscher: "Umgekehrt profitieren in Ländern wie Dänemark oder den Niederlanden vor allem die einkommensschwächsten Haushalte, dort gibt es so gut wie keine Netto-Umverteilung zu den einkommensstärksten Haushalten."

Und Österreich? Liegt in der Mitte

Österreich liegt nicht nur geografisch in der Mitte Europas, sondern auch bei den Sozialleistungen: Gemeinsam mit Deutschland und Frankreich zähle man zu den Ländern mit großzügigem Pensionssystem, kombiniere dies aber mit Unterstützung für Familien und Arbeitslose, berichtet der Ökonom. Die Umverteilung zum einkommensschwächsten Viertel der Bevölkerung beträgt hierzulande sieben Prozent des verfügbaren Einkommens. Damit läge man europaweit "im oberen Mittelfeld".

Der Studie zufolge gibt es vor allem bei der Umverteilung zum einkommensstärksten Viertel der Bevölkerung "Anpassungspotenzial", meint der Experte. "Unsere Analyse zeigt, dass Länder mit einer gedeckelten, staatlichen Basispension und einer zusätzlichen kapitalgedeckten Vorsorge wie Dänemark und die Niederlande staatliche Umverteilung zur Bevölkerung im Ruhestand in Grenzen halten können, gleichzeitig mehr für Einkommensschwache ausgeben können, und daher geringe Armutsquoten in allen Bevölkerungsschichten haben", erklärte er der APA.

Basisvorsorge für alle

"Auch in Österreich sollte man die kapitalgedeckte Säule für die Einkommenssicherung von Gutverdienenden ausbauen und über das Umlagesystem nur eine Basisvorsorge für alle anbieten", so der Bevölkerungsökonom. Dies würde das Sozialsystem und zukünftige Generationen enorm entlasten, und sei "angesichts der Bevölkerungsalterung eine Notwendigkeit".

"Auch aus Gerechtigkeitsaspekten wären Einschnitte bei existierenden Luxus- und sehr hohen Pensionen geboten", so Binder-Hammer: "Sie über ein Umlagesystem zu finanzieren, widerspricht der Generationengerechtigkeit sowie Fairness, und ist ein maßgeblicher Faktor bei den Finanzierungsproblemen". Wenn jene Generation, die Pensionsversprechen erteilt hat, für diese Aufwendungen zahlen hätte müssen, "wäre es gar nicht zu den aufgeblähten Ansprüchen gekommen", meint der Bevölkerungsökonom.

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