SOS-Kinderdorf-Skandal: "Bisher hat man nur zugegeben, was man zugeben musste“

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Salzburgs Landesrat Wolfgang Fürweger fordert volle Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe und kritisiert bisheriges Vorgehen. Immerhin bezahlen die Länder SOS-Kinderdorf für die Betreuung von Schutzlosen.

Der Missbrauchsskandal um SOS-Kinderdorf hat diese Woche eine neue Dimension erreicht: Nach ersten Medienberichten über Misshandlungen Mitte September gab die Organisation am Donnerstag selbst bekannt, dass ihr Gründer Hermann Gmeiner mindestens acht Buben sexuell missbraucht haben soll. Am Freitag wurde SOS-Kinderdorf Österreich vom internationalen Dachverband suspendiert.

Welche Folgen das für den Landesverein hat, ist noch unklar. Eine Sprecherin betont auf KURIER-Nachfrage aber, dass die Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt sei. Die Betreuung der aktuell rund 1.800 Kinder und Jugendlichen an den Standorten in Österreich sei sichergestellt.

Gutes Stichwort. Bezahlt wird die Betreuung nämlich von den Ländern, zugewiesen werden die Schützlinge von der jeweiligen Kinder- und Jugendhilfe. 

Im Vorjahr hat SOS-Kinderdorf laut Finanzbericht aus öffentlichen Mitteln rund 126,4 Millionen Euro in Form von Tagsätzen und Refundierungen erhalten. Hinzu kamen Subventionen und Zuschüsse in Höhe von 5,3 Millionen Euro. Rund ein Viertel der Einnahmen (46,5 Millionen Euro) stammten 2024 aus Spenden. 

Bis dato blieb die Politik in dieser sensiblen Causa sehr zurückhaltend. Jetzt aber spricht Salzburgs FPÖ-Landesrat Wolfgang Fürweger, der seit drei Wochen im Amt und aktuell auch Sprecher der Kinder- und Jugendlandesräte ist, Klartext.  

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Wolfgang Fürweger,  Landesrat für Soziales, Kinder- und Jugendhilfe in Salzburg (FPÖ).

KURIER: Wie haben Sie die Enthüllungen in der Causa SOS-Kinderdorf erlebt?

Wolfgang Fürweger: Es ist eine riesengroße Sauerei. Die Organisation weiß seit 2013, dass ihr großer Gründer ein Pädophiler war, aber niemand – auch nicht Geschäftsführerin Annemarie Schlack, die seit drei Jahren im Amt ist – verliert je darüber ein Wort. Und jetzt, im Zuge der Aufarbeitung, gibt man es über eine Medienaussendung bekannt. Ohne vorher mit der Stelle zu reden, die den Betrieb finanziert: die öffentliche Hand. Ich habe auf orf.at davon erfahren.

Warum wurde das so lange verschwiegen?

Ich verstehe, dass man Angst hatte, die Organisation zu blamieren oder gar zu ruinieren. Aber beim Thema Missbrauch gibt es aus meiner Sicht null Toleranz. Das muss schonungslos aufgeklärt werden.

Es gab einen Fall im SOS-Kinderdorf in Seekirchen (mehr dazu hier).

Ja, und da ist alles ordnungsgemäß abgelaufen: Der Mitarbeiter wurde 2019 angezeigt und suspendiert, dann hat man das Dienstverhältnis beendet. Weitere Vorwürfe gegen ihn werden jetzt geprüft.

Aufgekommen ist das alles, weil der "Falter" über eine interne Studie zu Missständen in Moosburg, Kärnten, aus dem Jahr 2020 berichtet hat. Gibt es so eine Studie auch für Salzburg?

Es gibt interne Berichte, die – wie erwähnt – auch strafrechtliche Konsequenzen für den Täter hatten. Darüber hinaus ist mir nichts bekannt.

Die Länder weisen dem SOS-Kinderdorf ja Kinder zu und bezahlen für die Betreuung. Bleibt es dabei?

In Salzburg gibt es fünf Einrichtungen mit 70 Kindern und Jugendlichen – über die aktuelle Arbeit können wir nichts Negatives sagen, es ist alles in Ordnung. Die Stellen sind in ständigem Kontakt. Mein nächster Termin ist Mitte November.

Haben Sie mittlerweile mit Frau Schlack gesprochen?

Ja, denn es geht überhaupt nicht, dass hier der Eindruck entsteht, es wird gemauert. Es muss alles aufgeklärt werden, nichts darf offen bleiben. Bisher hat man ja nur das zugegeben, was man zugeben musste.

Wie groß ist Ihr Vertrauen?

Das Vertrauen ist schwer beschädigt, aber vorerst habe ich keinen Grund, nicht daran zu glauben, dass es eine volle Aufklärung geben wird. Als zuständiger Landesrat will ich einen klaren Zeitplan haben, wann die Neuaufstellung abgewickelt sein wird. Bis Ende nächsten Jahres sollte es so weit sein. Früher geht es nicht, weil die Untersuchungskommission von Irmgard Griss mindestens bis zum Sommer arbeiten will.

Welche Elemente sollte diese Neuaufstellung haben?

Wir brauchen ein pädagogisches Konzept auf Höhe der Zeit. Auch diese Kinderdörfer, die abseits von allen Siedlungen gelegen sind, eignen sich zu gut dafür, Dinge unter den Teppich zu kehren. Das bessere Konzept sind Wohngruppen, die jetzt eh schon den größten Teil ausmachen. Und wir werden uns darauf einigen müssen, wie die Länder und ihre Kinder- und Jugendanwaltschaften ihre Kontrolle in Zukunft noch engmaschiger ausüben.

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