Missbrauchs-Skandal: Dachorganisation suspendiert SOS-Kinderdorf Österreich

Drei Personen sitzen vor einem SOS-Kinderdorf Banner an einem Tisch.
Aufgrund vieler offener Fragen im Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen gegen Hermann Gmeiner.

Zusammenfassung

  • SOS-Kinderdorf Österreich wurde wegen offener Fragen im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen gegen Gründer Hermann Gmeiner von der internationalen Föderation suspendiert.
  • Die Dachorganisation fordert vollständige Aufklärung, da viele Missbrauchsfälle und deren späte Kommunikation weiterhin ungeklärt sind.
  • Ein älterer Missbrauchsfall eines Großspenders rückt erneut ins Licht, wird aber vorerst nicht von der Reformkommission behandelt.

Die Föderation der SOS-Kinderdörfer hat am Donnerstag "per Entscheid des internationalen Aufsichtsrats mit sofortiger Wirkung" beschlossen, den Länderverein SOS-Kinderdorf Österreich zu suspendieren. Das vermeldet "SOS-Kinderdörfer weltweit" Freitagnachmittag. SOS-Kinderdorf Österreich bestätigt die ausgesprochene vorläufige Suspendierung aus der Föderation gegenüber der APA.

Der Dachverband reagiere mit der Suspendierung Österreichs auf die schwerwiegenden Missbrauchsvorwürfe gegen Hermann Gmeiner, Gründer der weltweiten Föderation der SOS-Kinderdörfer, heißt es. Demnach seien viele Fragen im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen und dem Umgang damit offen, die Dachorganisation fordere "vollständige Aufklärung" durch SOS-Kinderdorf Österreich, heißt es. Gmeiner soll zumindest acht Burschen sexuell missbraucht haben, das Ausmaß der Taten ist indes noch offen. 

Woran sich die Dachorganisation, die eigentlich genauso wenig von Gmeiner zu trennen ist wie Österreich, besonders stößt: Dass die Vorwürfe gegen Gmeiner zwar im Rahmen des Opferschutzverfahrens von 2013 bis 2023 bekannt, aber erst jetzt kommuniziert werden. "Im Licht weiterer Missbrauchsfälle an österreichischen Standorten, die in den letzten Wochen an die Öffentlichkeit gekommen und ebenfalls erst jetzt vom Länderverein bekanntgemacht wurden, bleiben viele Fragen offen." Von 2013 bis 2023 gingen bei der Opferschutzkommission rund 200 Meldungen ein.

Auftrag an Österreich gelte unverändert

 "Unsere schwerwiegenden und bedeutsamen Entscheidungen spiegeln das unerschütterliche Engagement des Vorstands wider, keinerlei Form von Missbrauch oder Intransparenz innerhalb unserer Föderation zu dulden", wird Domenico Parisi, der Vorstandsvorsitzende von SOS-Kinderdorf International, zitiert. "Wir respektieren diesen Beschluss und kooperieren vollumfänglich mit allen zuständigen Gremien. Das ist eine statutenkonforme Maßnahme, wenn in Mitgliedsvereinen Fehlverhalten oder Missstände auftreten, die näher geprüft werden müssen", hieß es in dem entsprechenden Statement. Es gelte unverändert der Auftrag in Österreich: "Konsequent aufzuarbeiten und die Neuaufstellung der Organisation umzusetzen, bleibt bestehen. Daran ändert die Suspendierung nichts.

Man verpflichte sich zu umfassender Aufarbeitung der Vergangenheit, die Suspendierung des Ländervereins SOS-Kinderdorf Österreich sei auch für die Organisation eine große Bewährungsprobe.

Neues Licht auf alten Einzelfall

Auch ein älterer Fall rückt nun erneut ins Schlaglicht: 2022 wurde bekannt, dass ein österreichischer Großspender im Verdacht stand, bei seinen Besuchen in einem südostasiatischen Land acht Burschen sexuell missbraucht zu haben, die unter Betreuung von SOS-Kinderdorf standen.

Der Mann, der inzwischen verstorben ist, reiste in den Jahren 2010 bis 2014 immer wieder dorthin. Erst nach einer Beschwerde der Einrichtung, denen die Handlungen aufgefallen waren, wurden die Besuche gestoppt. Der Fall wurde als "Einzelfall" ad acta gelegt.

Der Reformkommission ist dieser Fall bekannt. Man habe aber beschlossen, sich vorerst auf die Vorfälle und Strukturen in Österreich zu beschränken und etwaige Verflechtungen ins Ausland außen vor zu lassen.

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