Das Vertuschen muss vorbei sein
Hermann Gmeiner-Büste in dem nach ihm benannten Park in Wien
Die SOS-Kinderdörfer sind ein Teil der österreichischen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach ihrem Gründer Hermann Gmeiner wurden Straßen und Parks benannt. Er erhielt seine eigenen Denkmäler. Die Intention, verlassenen und verwaisten Kindern ein Heim zu schaffen, wurde weltweit übernommen. „In Not geratenen Kindern eine Familie zu geben“, ist in den Satzungen zu finden. Die Menschen spendeten, um diesen Kindern ein behütetes Aufwachsen zu ermöglichen. Und jetzt das. Seit Wochen versinken die österreichischen SOS-Kinderdörfer in Missbrauchsvorwürfen. Diese betreffen auch Hermann Gmeiner, der 1986 verstorben ist. Dass das Justizministerium die Causa mittlerweile an sich gezogen hat, unterstreicht die Brisanz.
Die Gesellschaft muss diese Entwicklung rund um die Kinderdörfer ins Herz treffen. Mehr als so manch anderer Skandal, der derzeit für Schlagzeilen sorgt. Es geht um Kinder, es geht um Schicksale, es geht um das Bild der Hoffnung, das diese Einrichtungen bisher vermittelt haben und das nun zerbröckelt, weil zu wenig kontrolliert wurde, weil der Vertuschung gegenüber der Transparenz der Vorzug gegeben worden ist. Und weil nach dem Aufkommen der Vorwürfe die Aufklärung vorerst mehr behindert als unterstützt worden ist. Deswegen ist es auch gut, dass nun eine Untersuchungskommission unter der Führung von Irmgard Griss das Heft in die Hand hat.
Das alles erinnert an den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Da gab es auch innerkirchliche Stimmen, die die Vorwürfe mit einem Mantel des Schweigens zudecken wollten. Da gab es aber zum Glück Kardinal Christoph Schönborn, der sich dem Problem gestellt und den Weg der vollen Transparenz gewählt hat. Er hatte vor 15 Jahren die Opferschutzkommission mit der ehemaligen steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic an der Spitze eingerichtet und alle Fälle aufarbeiten lassen. Das bescherte der katholischen Kirche zwar viele Kirchenaustritte, allerdings kann sie seither freier atmen. In Rom wurde der Weg von Schönborn damals übrigens nicht wirklich goutiert. Dass erst vor wenigen Tagen öffentlich geworden ist, dass sich die italienische Kirche mit 4.000 mutmaßlichen Missbrauchsfällen befassen muss, unterstreicht, dass der Kardinals richtig gehandelt hat.
Ohne volle Transparenz und Aufarbeitung wird es für die SOS-Kinderdörfer keine Zukunft geben. Da geht es nicht nur um mögliche Täter, sondern auch um diejenigen, die vertuscht haben. Das ist man in erster Linie den Kindern, das ist man aber auch den Spendern schuldig. Und nicht zuletzt jenen, die sich als Betreuerinnen und Betreuer für diese Kinder ehrlich und aufrichtig aufgeopfert haben und nun unter einem Generalverdacht stehen.
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