Sondersitzung: Opposition scheiterte, Grüne bleiben auf Kurs
Eine Gruppe Besucher steht schon am Vormittag am Josefsplatz vorm Parlament. "Kommt’s um 12 wieder, dann kocht’s da drinnen", sagt ihnen der Herr beim Einlass.
Er hat zu viel versprochen.
Für die Sondersitzung zu den ÖVP-Korruptionsvorwürfen hatte sich die Opposition zwar mit Anträgen aufmunitioniert, letztlich waren sich SPÖ, FPÖ und Neos aber nicht einmal untereinander einig – und scheiterten allesamt.
Die türkis-grüne Regierung mit Bundeskanzler Karl Nehammer steht noch, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ist auch noch im Amt und für Anti-Korruptionsmaßnahmen heißt es weiterhin: bitte warten.
Die FPÖ hatte einen Misstrauensantrag eingebracht, blieb damit aber allein auf weiter Flur. SPÖ und Neos störten sich weniger am Zweck als am Inhalt: Die Blauen hatten ihre Positionen zu Corona, Asyl und Russland-Sanktionen hineingepackt. Da wollten Rot und Pink nicht anstreifen.
"Moral und Anstand"
Die SPÖ unternahm einen eigenen Versuch, die Regierung zu stürzen – und zwar mit einem Neuwahl-Antrag. Vize-Klubchef Jörg Leichtfried begründete das in seiner Rede mit "Moral und Anstand", die er bei der Kanzlerpartei vermisse.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sprach von einer "noch nie da gewesenen politischen Schamlosigkeit" und "Unanständigkeit" der ÖVP. Die Regierung sei handlungsunfähig. "Klammern Sie sich nicht länger an Ihre Regierungsfunktionen!", rief sie den Türkisen – und auch den Grünen – zu.
Die SPÖ hoffte bei ihrem Neuwahl-Antrag auf abtrünnige Grüne, die die Korruptionsskandale ihres Koalitionspartners satthaben. Der Versuch wurde dort aber eher belächelt.
Neuwahlen? Daran könne kein vernünftig denkender Grüner ein Interesse haben, heißt es. Deren Credo: Lieber mit einer geschwächten ÖVP regieren und eigene Projekte durchdrücken, als das Risiko einzugehen, bald gar nicht mehr zu regieren.
Misstrauen
Die FPÖ wollte die gesamte Regierung mittels Misstrauensantrag absetzen – blieb mit ihrem Antrag aber allein
Neuwahlen
Ein Antrag "zur vorzeitigen Beendigung der Gesetzgebungsperiode" der SPÖ wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen. Es ist aber nicht zu erwarten, dass er dort eine Mehrheit bekommt. Die FPÖ scheiterte unterdessen mit ihrem Antrag auf Fristsetzung für ihren Neuwahlantrag, den sie bereits im Juni eingebracht hatte
Verfassungsänderung
Die FPÖ will, dass auch Nationalratspräsidenten – wie Regierungsmitglieder – per Misstrauensantrag abgesetzt werden können. Der Antrag wurde ebenfalls dem Verfassungsausschuss zugewiesen, und auch hier sind die Erfolgsaussichten bescheiden
Anti-Korruptionspakete
SPÖ, FPÖ und Neos brachten Vorschläge ein, aber auch diese blieben in der Minderheit
Der SPÖ unterstellt man mit ihrem Vorstoß "Heuchelei": Sie wollten die Grünen nur deshalb dazu zwingen, die Koalition zu sprengen, damit sie nach der Wahl selber eine mit der ÖVP bilden können.
Nicht wirklich ernst genommen wurden auch die Anti-Korruptionspakete der Opposition. Zu jenem der FPÖ sagte die Grüne Justizsprecherin Agnes Sirkka-Prammer im Plenum: "Das ist wie eines dieser riesigen Packln unterm Christbaum im Einkaufszentrum. Schaut gut aus, aber wenn man es hochhebt, stellt man fest: Da ist nix drinnen."
Die SPÖ musste sich von der Grünen Klubchefin Sigrid Maurer vorhalten lassen, dass sie selbst während ihrer Kanzlerschaft kein Transparenzgesetz zusammengebracht habe. Den Versuch der jetzigen türkis-grünen Regierung, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, würden rote Bürgermeister und Landeshauptleute blockieren, kritisierte Maurer.
Allerdings räumte sie ein: Die Entwicklungen der vergangenen Wochen – Stichwort Thomas Schmids Aussage bei der WKStA – hätten ein "schauderliches Bild" der Politik abgeliefert. Die ÖVP müsse nun "in ihren eigenen Reihen für Ordnung sorgen". Und auch, was die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts betrifft, brauche es jetzt "Tempo".
Wie "Ceaușescu in der Endphase"
Einen gewissen Unterhaltungswert hatte die Sondersitzung aber durchaus. Auftritt Herbert Kickl: Zu Kanzler Nehammer, der vor ihm gesprochen hatte, sagte der FPÖ-Chef: "Heute hätte Ihr großer Tag werden können, aber Sie haben’s vergeigt." Nehammer hätte sich "vom niederösterreichischen Parteisekretär zum Staatsmann" entwickeln und erklären können, dass sich die ÖVP mit ihm als Chef nun radikal erneuern werde. "Oder sie hätten tätige Reue zeigen und zurücktreten können", sagte Kickl zum Kanzler. "Alles wäre besser gewesen als dieses Süßholz-Gerasple." Diese "Realitätsverweigerung" erinnere ihn "an einen Ceaușescu (letztlich hingerichteter rumänischer Diktator; Anm.) in der Endphase".
Der Ceaușescu-Vergleich blieb vorerst ohne Konsequenzen, Kickl durfte am Podium weiterpoltern. Kernproblem der ÖVP sei eine "hochgradige moralische Verwahrlosung", befand er – und deutete auf den Herrn hinter sich: Nationalratspräsident Sobotka. Ihm warf Ex-Finanz-General Schmid in seinem Geständnis bei der WKStA vor, wegen einer Steuerprüfung bei ihm interveniert zu haben. Sobotka bestreitet das.
Die FPÖ brachte einen Antrag für eine Verfassungsänderung ein, damit man den Nationalratspräsidenten in Zukunft – wie ein Regierungsmitglied – per Misstrauensantrag absetzen kann.
Symbolisch hielt Kickl eine rote Karte in die Höhe. Und er riet Sobotka, sich doch einen neuen Job zu suchen. "Zum Beispiel Vorsitzender des Ethik-Rats der ÖVP." Der Schmäh brachte den FPÖ-Chef ein paar Lacher ein – nicht nur aus den eigenen Reihen.
22 Sondersitzungen
Mit einem tiefen Seufzer trat dann Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger ans Podium. "Ich habe überhaupt keine Lust, heute hier zu reden", sagte sie. Denn: "Wir drehen uns seit Jahren im Kreis."
Die pinke Chefin hat mitgezählt: In der aktuellen Legislaturperiode habe es bereits 22 Sondersitzungen gegeben, sieben davon wegen diverser Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP. Geändert habe sich nichts.
Dass Nehammer und Maurer sich für das Bild entschuldigt haben, das "die Politik" derzeit abgebe, wollte Meinl-Reisinger so nicht stehen lassen: "Nicht die Politik hat das Vertrauen der Bevölkerung beschädigt – die ÖVP hat das angerichtet, und sie reißt uns alle mit in den Abgrund." Auch der Neos-Antrag zur Korruptionsbekämpfung blieb in der Minderheit.
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