Soldaten im Dauereinsatz: Ein Heer für alle Fälle
Nur wenige Stunden nachdem die Altstadt von Hallein am vergangenen Wochenende überflutet worden war, waren sie da – die ersten Soldaten des Bundesheeres. Und nicht nur dort, sondern in nahezu jedem vom Hochwasser betroffenen Ort in Österreich. Insgesamt 316 Soldaten unterstützten die Bevölkerung nach dem Hochwasser.
Und dabei ist das Bundesheer seit Ausbruch der Coronakrise gefordert wie noch nie. Im vergangenen Jahr leisteten die Soldaten eine Gesamtzahl von 250.000 Arbeitsstunden. Zum Vergleich: 2019 waren es rund 50.000. Knapp 660 verschiedene Einsätze wurden insgesamt absolviert – darunter die Übernahme eines Pflegeheims oder die Unterstützung von Lebensmittelhändlern, Post oder Pharmakonzernen. 470 der Unterstützungsleistungen – oder 180.000 Arbeitsstunden – entstanden im Zusammenhang mit der Pandemie.
Die starke Präsenz des Heeres in Krisenfällen – und derer gab es in den vergangenen Monaten viele – hat Eindruck in der Bevölkerung hinterlassen. Einer Umfrage zufolge vertrauen 90 Prozent der Befragten dem Bundesheer, 42 Prozent "voll und ganz".
Zeitweise waren mehr als 8.000 Soldaten im Einsatz, das Heer stieß an seine Grenzen, schaffte es aber immer, seine Aufträge zu erfüllen. Wie sollte bei einer dermaßen hohen Belastung noch Zeit für Ausbildung und den Zweck der militärischen Landesverteidigung bleiben?
Grundwehrdienst "Plus"
"Wer verteidigen kann, der kann auch helfen. Wer nur helfen kann, kann nicht verteidigen", sagt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner stets darauf. Den Worten sind Taten gefolgt – seit einigen Monaten können Grundwehrdiener nach ihren sechs Monaten drei Monate "dranhängen" und für 3.000 Euro netto im Monat in den Assistenzeinsatz an die Grenze gehen. Dadurch wird mehr Zeit für die Ausbildung von Grundwehrdienern frei, die ihre sechs Monate noch ableisten müssen. Auch im Bereich der Ausrüstung geht einiges weiter.
Es ist klar, dass der massive Investitionsrückstau der vergangenen Jahrzehnte damit noch lange nicht behoben ist und noch viel mehr Mittel notwendig wären. Seit Ende des Kalten Krieges wurden etwa die schweren Waffensysteme im Bundesheer um 62 Prozent reduziert, derzeit gibt es noch ein Panzerbataillon.
Für viele Generäle das absolute Minimum. Würde man auch dieses auflösen, gingen Fähigkeiten verloren, deren Wiedererlangung Jahre benötigen würde. 72 Prozent der Bevölkerung sehen die "Abwehr eines militärischen Angriffs auf Österreich" als wichtige Aufgabe des Bundesheeres. Innerhalb der Truppe ist man bezüglich der militärischen Landesverteidigung skeptisch – zumindest laut einer heeresinternen Umfrage: Nur 26 Prozent der etwa 1.600 befragten Soldaten sind der Meinung, das Bundesheer könne diese Aufgabe "sehr gut" bis "befriedigend“ bewältigen. "Sehr gut" glaubt nur ein Prozent der Befragten. 26 Prozent sind der Meinung, es könne es "gar nicht".
Diese Umfrage stammt aus den Jahren 2018 bis 2020 – und gibt zu denken. Dennoch können sich die Investitionen der vergangenen Monate sehen lassen: Zum ersten Mal seit den Neunzigerjahren werden Panzer wie der "Leopard" 2A4 modernisiert, Helikopter um 300 Millionen Euro werden angeschafft. Die Truppe bekommt Hunderte Funktionsfahrzeuge und vor allem die Miliz muss nicht mehr fürchten, vollends immobil zu werden.
Fortschritte
Einen wichtigen Anteil an diesen Verbesserungen hat Verteidigungsministerin Tanner. Seit dem gescheiterten Versuch einer Heeresreform und einem missglückten ZiB2-Interview vor etwas mehr als einem Jahr hat sie viel dazugelernt und wählt ihre Worte bedachter. Bei Truppenbesuchen sucht sie das Gespräch mit den Soldaten – und scheint anzukommen. Die studierte Juristin hat sich in die Materie des Bundesheeres konsequent eingearbeitet und auch in der internen Kommunikation bedächtig gehandelt. Dass bei einer Reform wie jener der Zentralstelle so wenig Widerspruch gibt, kommt äußerst selten vor.
Ihre nächste Aufgabe wird es sein, die Kasernen im Land wieder autark zu machen, damit das Bundesheer auch im Falle eines wahrscheinlichen Blackouts sofort zur Stelle sein kann.
Unterstützungsleistungen des Bundesheeres sind kostenpflichtige Leistungen, die für Dritte erbracht werden. Sie dienen entweder der Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten, sind zur Aufrechterhaltung von kritischer Infrastruktur notwendig oder haben einen wehrpolitischen Nutzen. Sie sind mittels Erlass, der im Zuge der Pandemie angepasst wurde, geregelt.
Assistenzeinsätze sind gesetzliche verpflichtende Aufgaben, die das Heer auf Anforderung von Behörden auszuführen hat. Etwa die Bewachung von Botschaften in Wien – eine Aufgabe, die das Bundesheer derzeit für die Polizei übernimmt.
250.000 Arbeitsstunden leistete das Bundesheer im Jahr 2020 in knapp 660 verschiedenen Einsätzen. Einer Umfrage zufolge vertrauen 90 Prozent der Befragten dem Bundesheer, 42 Prozent "voll und ganz".
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