Sobotka: "Kern möchte die ÖVP sekkieren"

Innenminister Wolfgang Sobotka
ÖVP-Innenminister legt nach Eklat im Ministerrat nach. Er fühlt sich vom SPÖ-Chef provoziert.

KURIER: Herr Sobotka, jeden Tag der Streit um die Mindestsicherung, dann der Eklat im Ministerrat. Ist das nicht ein desaströser Befund für die Koalition?
Wolfgang Sobotka: Vizekanzler Mitterlehner ist ein toleranter Mensch, und ich bewundere ihn in seiner Haltung. Er hat einmal zum Ausdruck bringen müssen, dass es nicht die feine englische Art ist, jemanden wortlos 45 Minuten warten zu lassen. Dann hat Sozialminister Stöger im Ministerrat kritisiert, dass ich als Innenminister meine Stimme zur Mindestsicherung erhebe. Mitterlehner hat meine Wortmeldung mit meiner Position als gewählter ÖAAB-Obmann von Niederösterreich gerechtfertigt. Wir haben drei Jahre an der Mindestsicherungsreform gearbeitet. Wenn ich nichts sagen würde, fragen sich meine Mitglieder, ob ich den Keuschheitsgürtel trage. Aber im gleichen Atemzug schickt der Sozialminister ein Asylgesetz aus, wo er in meiner Gesetzesmaterie herumfuhrwerkt. Das ist ja grotesk.

Sind 45 Minuten Wartezeit ein Zeichen von zu wenig Respekt?
Es ist ein Bild, das sich hier zeigt: Der Herr Bundeskanzler, der sich so gerne als Schiedsrichter geriert, möchte durch seine Adlaten die ÖVP so lange sekkieren, bis sie uns aus der Reserve locken.

Mit welchem Ziel?
Bis ein Crash kommt und wir sagen, wir können nicht mehr.

Wie bei der Koalition unter Gusenbauer und Molterer? Bis einer sagt: "Es reicht!" und Neuwahlen kommen?
Auch das natürlich. Aber wir haben Zeit. Wir stehen sicher nicht auf vom Tisch. Schauen Sie sich doch die Situation in der Koalition an. Wo ist der Vorschlag vom Sozialminister bei der Mindestsicherung? Wir haben versucht, hier eine echte Reform auf den Weg zu bringen. Vom Sozialminister kommen immer nur Vorschläge, die keine gerechte Form der Mindestsicherung zulassen. Es geht hier um eine Gerechtigkeitsfrage. Das Integrationsgesetz von Sebastian Kurz liegt seit dem Sommer ergebnislos beim Verhandlungspartner. Bei dem 750-Millionen-Paket für die ganztägige Schule war versprochen, dass die verschränkte Unterrichtsform und die offene Form der Nachmittagsbetreuung gleich behandelt werden. Das ist jetzt nicht so, obwohl das Teil des Deals war.

Kanzler Christian Kern hat nun die Verhandlungen zur Mindestsicherung abgesagt. Wird es nun neun Lösungen geben?
Ich habe immer gesagt, dass ich mit neun verschiedenen Lösungen kein Problem habe. Aber ich denke, der Herr Kern muss irgendwann Farbe bekennen und sich bequemen, mit Verhandlungen ein Ergebnis zu erreichen. Permanent über die Öffentlichkeit Positionen auszurichten, permanent Ultimaten zu setzen, ist ein Stil, der es nicht ganz einfach macht. Aber es geht auch anders mit SPÖ. Etwa mit Thomas Drozda. Da redet man von derselben Sache, benennt die Probleme sehr klar und sucht einen Weg. Ähnlich gut läuft es mit Hans Peter Doskozil.

Eine bundesweite Lösung ist endgültig vom Tisch?
Ich werfe nie die Flinte ins Korn. Grundsätzlich haben wir den Auftrag eine Lösung zusammenzubringen. Wenn es beim ersten Anlauf nicht funktioniert, vielleicht beim zweiten Anlauf.

So eisig wie jetzt war das Klima lange nicht mehr. Unter Faymann dachte man, schlimmer kann es nicht mehr werden ...
Man kann es sich zuerst nicht vorstellen, aber dann sieht man, dass es doch so kommt. Ich denke, der Herr Kanzler ist in seinem Job noch nicht ganz angekommen.

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