Streit der Klubchefs: Verwirrung um Hearing zu Sicherheitspaket

ABD0008_20170816 - ARCHIV - Am einem ehemaligen Dienstgebäude der Deutschen Bundesbank in Dresden (Sachsen) ist am 18.05.2015 eine Kamera zur Video- Überwachung zu sehen. Markus Ulbig (CDU) informiert sich über das Projekt zur Videoüberwachung zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Eigentumskriminalität in Görlitz. (zu dpa «Projekt zur Videoüberwachung in Görlitz» vom 16.08.2017) Foto: Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
SPÖ und Neos beharren auf öffentlicher Anhörung von Experten, ÖVP und FPÖ lehnen ab. Chance zum Einlenken bis 5. April.

Stell dir vor, es ist Hearing und keiner geht hin.

So ungefähr haben sich ÖVP und FPÖ die Ausschusssitzung zum Sicherheitspaket am 5. April vorgestellt. Groß wurde kürzlich verkündet, dass man nach einer dreiwöchigen Begutachtungsfrist noch Experten einlädt, damit sie ihre Meinung bzw. Bedenken zu den Überwachungsplänen der Regierung kundtun können. Dass diese Experten aber exklusiv vor Abgeordneten sprechen sollen und die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, hat am Mittwoch am Rande der Nationalratssitzung zu einem handfesten Streit unter den Klubobleuten geführt.

Was darin resultierte, dass das Hearing gleich ganz abgeblasen werden soll. Die Fronten sind verhärtet, sagt Nikolaus Scherak, Vize-Klubobmann der Neos: "Dieses Gesetzespaket wird massiv in die Privatsphäre der Menschen eingreifen, deshalb haben sie ein Recht zu hören, was die Experten dazu sagen. So etwas Schwerwiegendes hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, ist absurd. Wir wollen einen gläsernen Staat, nicht den gläsernen Bürger.“

So sieht es auch geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder: „Wir bestehen darauf, dass das Hearing öffentlich ist. Wenn ÖVP und FPÖ das ablehnen, gibt es keines.“ Es mache den Eindruck, als wollten die Regierungsparteien ihr Paket "einfach durchpeitschen, weil sie wissen, dass es viele problematische Punkte gibt" - etwa den Bundestrojaner, der es ermöglichen soll, die internetbasierte Kommunikation von Tatverdächtigen zu überwachen.

Verärgert ist auch Peter Kolba von der Liste Pilz. Es sei eine Usance, dass Hearings öffentlich abgehalten werden – zuletzt gab es das beim neuen Rauchergesetz Anfang März oder beim Fremdenrechtspaket im Sommer des Vorjahres.

"Rein politische Entscheidung"

Von so einer Usance will die ÖVP nichts wissen, und obwohl sogar im Glossar des Parlaments steht, dass Hearings „meist öffentlich“ sind, erklärt eine Sprecherin, das sei nicht üblich – man sehe hier keinen Grund für eine Ausnahme. Geht es nach der ÖVP, soll das Hearing trotz des Streits stattfinden.

Auch die FPÖ versteht die Aufregung nicht: „Wir stehen dazu, dass es ein Hearing geben soll, es war aber nie die Rede davon, dass es öffentlich sein muss.“

Grundsätzlich, erklärt Parlamentarismus-Experte Werner Zögernitz, seien Ausschusssitzungen nicht öffentlich. „Bei größeren Gesetzesvorhaben gibt es im Ausschuss zusätzlich ein Hearing. Es muss aber gesondert per Mehrheitsbeschluss bestimmt werden, dass die Öffentlichkeit zuhören darf.“ Das sei in der Vergangenheit oft so praktiziert worden, aber eine rein politische Frage, erklärt er: „Will ich, dass öffentlich diskutiert wird oder nicht?“ Beim Sicherheitspaket gebe es laut seiner Einschätzung keine Notwendigkeit – es liegen ja genügend schriftliche Stellungnahmen auf, die könne jeder Bürger lesen. Die Abgeordneten seien außerdem nicht an eine Verschwiegenheit gebunden - sie dürfen nach der Sitzung die Medien informieren.

Etwas anders sieht das Politikwissenschaftler Hubert Sickinger: „Bei einem Thema, das die Öffentlichkeit interessiert, und wenn es vergleichbare Fälle gibt, steht man schon unter Argumentationsdruck, warum man sie ausgerechnet da ausschließt.“

Eine Erklärung bzw. Gründe, warum eine nicht-öffentliche Sitzung in diesem Fall besser sein soll, liefern auf KURIER-Anfrage aber weder ÖVP noch FPÖ.

Die gute Nachricht: Sie können es sich immer noch anders überlegen. Wie Zögernitz erklärt hat, fällt der Beschluss direkt in der Sitzung des Innenausschusses, also am 5. April.

Die Neos wollen ihre Expertin - Constanze Kurz, eine deutsche Datenschutz-Expertin vom Chaos Computer Club - jedenfalls einladen, notfalls für eine Pressekonferenz außerhalb des Parlaments.

 

In einer früheren Version dieses Artikels lautete der Titel: "Sicherheitspaket: Hearing nach Streit der Klubchefs abgeblasen". Nach einer Stellungsnahme der ÖVP, dass das Hearing ihrer Ansicht nach trotzdem stattfinden sollte, wurde der Titel von der Redaktion ergänzt.

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