Schengen-Blockade: Selbstbeschädigung oder legitime Notwehraktion?
Die Heftigkeit der Reaktionen hat viele überrascht. Vor allem in der ÖVP. Dass Rumänien nach dem Schengen-Veto den Botschafter aus Österreich abziehen würde, dass es in Rumänien Boykottaufrufe gegen österreichische Waren geben würde, damit hatten in den Wiener Staatskanzleien die wenigsten gerechnet.
In der Präsidentschaftskanzlei war man weniger überrascht. Vielleicht auch, weil Bundespräsident Alexander Van der Bellen, im Zivilberuf Wirtschaftsprofessor, mehr Verständnis für ökonomische Zusammenhänge hat als andere Entscheidungsträger. „Ein wirtschaftlicher Preis ist in meinen Augen unvermeidlich“, so Van der Bellen am Freitag im Rahmen eines Slowenien-Besuchs. Die Hofburg hatte den Sturm auch deswegen herandräuen sehen, weil das Veto eines einzelnen Landes gegen eine weitreichende Entscheidung wie die Schengen-Erweiterung nicht alltäglich ist. „Ich sehe, dass wir uns eine Menge Unwillen auf europäischer Ebene zugezogen haben“, doch zur Lösung der Migrationsprobleme trage das Veto nichts bei, so der Präsident.
Dabei hatte Bundeskanzler Karl Nehammer seinem Innenminister Gerhard Karner noch ins Ruder gegriffen, und zumindest den Schengenbeitritt Kroatiens gerettet. Ursprünglich hatte Karner die Blockade aller drei Länder angekündigt.
Alle Kritik auf Karner abzuladen, wäre freilich verfehlt. Am Samstag bekräftigte der Kanzler die Entscheidung. „Es wird keine Erweiterung geben, solange die Außengrenze nicht effektiv geschützt wird. Die verfehlte EU-Asylpolitik hat diese Situation verursacht.“
Dem nicht genug, ist auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat, „gegen die Schengenerweiterung zum jetzigen Zeitpunkt“. Der heftigen Reaktionen zum Trotz bekräftigte ihr Sprecher auf KURIER-Anfrage die Linie.
Ganz anderer Ansicht ist der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Andreas Schieder. Die ÖVP-Innenminister würden seit Jahren in der Migrationsfrage nichts weiterbringen. Das EU-Asylsystem sei kaputt, aber mit einer Schengenblockade nicht reparabel. Ähnlich Ex-Kanzler Christian Kern: Das Schengen-Veto sei ein „Schuss ins eigene Knie“, man mache sich zum „Komplizen“ der „populistischen Verblödung“.
Die Grünen sehen das Vorgehen ihres Koalitionspartners kritisch, wollen aber die Koalition nicht infrage stellen. Vizekanzler Werner Kogler machte ebenso wie Justizministerin Alma Zadic klar, dass die Grünen gegen das Veto sind und einen Beitritt Rumäniens und Kroatiens zu Schengen unterstützen.
Die Neos sind klar für, die FPÖ gegen die Schengenerweiterung. Die FPÖ dürfte der große Nutznießer der Debatte sein. Laut der jüngsten profil-Umfrage hat die FPÖ mit der SPÖ gleichgezogen, beide liegen mit je 26 Prozent auf Platz 1, die ÖVP hält bei 20 Prozent.
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