ÖVP-Wahlkampfstart auf kleinerer Bühne als 2017
Fünf Minuten, nachdem sich die Pforten in der Messehalle Tulln geöffnet hatten, war mehr als die Hälfte der Kurz-Fans auch schon da. Sie hatten es eilig. Immerhin galt es, die besten Plätze für die Polit-Show zu ergattern. Mit Bussen aus allen Winkeln des Landes wurden 3.500 Sympathisanten zum türkisen Wahlkampfauftakt gebracht. Wie beispielsweise Andreas (44) aus dem Waldviertel. Er möchte zwar, dass Kurz ins Bundeskanzleramt einzieht, aber ohne die FPÖ im Schlepptau. „Das ist zu belastend. Besser wäre Türkis-Pink-Grün.“
Noch im Tourbus von Sebastian Kurz zeigt ÖVP-Bundesgeschäftsführer Axel Melchior mit einem zufriedenen Lächeln die ersten Fotos aus der bestens besuchten Messehalle in die Runde. In nur drei Tagen wird Kurz alle neun Bundesländer besuchen.
Vor zwei Jahren füllte die ÖVP noch die Wiener Stadthalle mit 10.000 Fans. Jetzt, angesichts der neuen Wahlkampfkostenregelung, sind Megaevents mit Lichtspektakel wie bei einem Pop-Konzert nicht mehr möglich. Die Bühne in Tulln ist auch kleiner, als man es von Niederösterreichs ÖVP bei solchen Anlässen gewohnt ist. Auf die Inszenierung hat das aber keine Auswirkung, die ist nach wie vor bis ins kleinste Detail durchkomponiert: Kurz nimmt noch im Tourbus die erste Grußbotschaft für das wartende Publikum in Tulln auf. Danach gibt er Interviews für ZDF, ARD und viele heimische TV-Sender.
Viel Emotion
In der Messehalle Tulln wird an emotionalen Momenten – ganz nach amerikanischem Vorbild – nicht gespart: Bernhard Ebner, Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka bringen „ihre“ Funktionäre politisch auf Temperatur, dann wird im Publikum der kleine Maximilian präsentiert. Er ist jener Junge, den Kurz auf einem Wahlkampfplakat auf dem Rücken trägt. „Wer ist der Sebastian Kurz denn?“ fragt der türkise Einpeitscher Peter L. Eppinger. „Es ist mein Taufpate“, antwortet der Sechsjährige, inklusive süßer Kinderstimme.
Maximilians Mama ist Kurz’ Cousine Marlene. Auch sie kommt zu Wort beim Wahlkampfauftakt – und erzählt, wie sich Sebastian das Dessert von der frechen Katze am Bauernhof wegfressen lässt und dabei auch noch zufrieden lächelt. Die Botschaft: Sebastian, der Familienmensch und Tierfreund.
Kulturelle Identität
Nach der Kuschel-Show übernimmt ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer („Mehr General, als Sekretär“, sagt Kurz) das Mikrofon: Er erzählt viel von der „Allianz aus Wut, Neid und Zorn“, die Kurz als Kanzler stürzte, und von der neuen Kooperation zwischen SPÖ und FPÖ und der Kickl’schen Chaostheorie, mit der er die Ibiza-Affäre überdecken wolle.
Der Ex-Kanzler selbst kommt erst kurz vor seiner Rede in die Halle, begleitet von stehenden Ovationen. Kurz wirkt lockerer als zuletzt. Thematisch gibt es keine neuen Themen, – nur das Migrationsthema taucht wieder auf. Die Rede ist diesmal vom Verlust der österreichischen Identität, wenn 50, 60 Prozent der Kinder in manchen Schulen nicht Deutsch sprechen können. Sobotka hatte zuvor auch noch das Kreuz in Schulklassen in das Thema gepackt. Wie Nehammer mahnt Kurz: „Unterschätzen wir nicht die Methoden der anderen.“ Und sieht in dem Hackerangriff auf die Parteizentrale einen „Angriff auf die Demokratie“.
Drei Stunden zuvor hatten im Garten der Politischen Akademie der ÖVP in Wien-Meidling, nur wenige Straßen von Kurz’ Privatwohnung entfernt, 800 Kurz-Fans gewartet, um den Auftakt zum Intensivwahlkampf zu feiern. Mit Vitali Klitschko, den Kiewer Bürgermeister und Ex-Boxchampion, als Überraschungsgast. Es war nach Wien gereist, um seinen „langjährigen Freund“ zu unterstützen.
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